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Hallo Ihr! 
Ich schreibe euch aus Kairo. Und vielleicht schreibe ich euch auch zum letzten Mal? Viel Zeit ist nicht mehr. 
Ich habe viele Wochen am Stück in Anafora verbracht. Es ist schön in diesem Alltag richtig anzukommen und zu wissen wie was funktioniert. Irgendwann holt mich dann aber doch die Langeweile ein. Der gesamte Tee ist verpackt und keine einzige Ringelblume hat noch ein Blütenblatt übrig. Jeder Podcast ist gehört und jedes Wollknäuel verstrickt. Die Langeweile ist bei mir angekommen. Ich hab gemerkt, genauso wie ich die Ruhe und Zeit für mich brauche, genauso brauche ich auch die Aufregung und Unternehmungen. Da kommen mir ein paar Tage in Kairo und Alexandria ganz gelegen. Ich genieße es sehr mich mit Leuten zu treffen und zu reden. Neue Dinge zu sehen und zu erleben.
Noch einen Monat hab ich hier und die Zeit ist kaum einzuschätzen. Einerseits vergeht sie ganz langsam, ich bin nach wie vor hier. Nichts scheint sich getan zu haben, geschweige denn an mir vorbei zu rasen. Auf der anderen Seite schaue ich zurück und bemerke, dass manche Dinge doch schon weiter in der Vergangenheit liegen als das es sich anfühlt. Deutschland fühlt sich so unglaublich weit entfernt. Auf der Karte und in meinen Erinnerugen. Doch dann stell ich mir vor wie es sein wird und es gibt eine Vorstellung in der es sich anfühlt als wäre ich nie weg gewesen. Auch wenn das wohl nicht der Realität entsprechen wird. Ich war lange weg und viele Dinge sind passiert. In Deutschland aber auch bei mir in Ägypten. Ich hab viele neue Leute kennengelernt. Hatte viele interessante Unterhaltungen. Hab viele Orte gesehen und vieles erlebt. Das alles nehme ich mit. Ich hab viele gelernt und ich hoffe ich werd all meine Erkenntnisse nicht direkt über Bord werfen wenn ich zurück bin. 

Jetzt ist eine Woche rum. Ich hab es bis jetzt nicht geschafft das Geschriebene hochzuladen. Das ganze hat aber auch was Gutes, ich bringe euch auf den neusten Stand. Ich bin zurück in Anafora. Ich hab meine Zeit in der Stadt unglaublich genossen und sie ist an mir vorbeigeschossen. Die ersten Tage für mich in Anafora sind immer etwas komisch. Ich muss erstmal wieder ankommen, mich einleben. Aus dieser wilden chaotischen Stadt so plötzlich und schlagartig an einen Ort der Ruhe zu kommen brauch immer seine Zeit. Ein Ort, so beständig und immer da. Man kommt zurück und hat das Gefühl nichts hätte sich verändert, egal wie lange man auch weg war. Und doch hab ich das Gefühl, jedes mal wenn ich zurück komme diesen Ort immer ein wenig mehr gern zu haben und in mein Herz zu schließen. Die Rückkehr, mein Zimmer. So fremd und vertraut zugleich. Jedes mal wenn ich von einer Reise zurück komme und die Tür zu meinem Raum öffne; die Wände, mein Bett in der Mitte des Zimmers, meine Sachen drum herum, der kalte Steinfußboden, der Geruch in der Luft. Jedes mal verspüre ich das Gefühl welches ich hatte, als ich den Raum zum ersten mal betreten habe. Nach so vielen Stunden, Tagen, Wochen, Monaten welche ich hier verbracht habe. Und doch taucht dann immer mal wieder diese Aufregung, Ungewissheit und Spannung in mir auf. Es ist komisch sich vorzustellen, dass bald alles so kahl sein wird als wie ich gekommen bin. Dass das bald nicht mehr mein Raum sein wird, mein zuhause in der Fremde. 
Genug jetzt aber auch von dem Ende gesprochen. Klar es ist nicht mehr viel Zeit und deshalb nutze ich sie um so mehr aus. Meine größte Begeisterung momentan: Nachts im Pool. Ich schwimme meine Bahnen und höre nichts außer die Frösche. Nach einiger Zeit drehe ich mich erschöpft auf den Rücken und lasse mich vom Wasser tragen. Das Wasser, angenehm warm und doch einen Hauch kühler als die Luft. Ich schaue in den Himmel mit seinen abermals tausenden von strahlenden Sternen und das ganze umrahmt von den Umrissen der Palmen welche in den Himmel ragen. Genau in solchen Momenten wünschte ich mir, könnte ich die Zeit anhalten. Und ich hab so viele tolle Momente erlebt. Ich bin sehr dankbar für mein Jahr hier, für die Höhen und die Tiefen.

Innenhof in Alexandria
mein Blick vom Balkon auf die Taxis auf der Straße
mit den Niletaxi über den Nil geprescht

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