Alles hat seine Zeit

~Alles hat seine Zeit~

„Alles was wir haben ist Zeit. Selbst der, der nichts hat, hat Zeit. Und es liegt an jedem selbst, was er damit anstellt“ – Baltasar Gracian
Ein Zitat, das mir heute entgegensprang, als ich am Früstückstisch saß. Irgendwie eine indirekte Aufforderung, die Zeit sinnvoll zu nutzen und was zu erleben, nicht wahr? Aber auch kein Vorwurf, wenn man Dinge langsam angeht. Es liegt eben in der Hand jedes Einzelnen, was er mit seiner Zeit anfängt. Jeder hat andere Maßstäbe, an die er zu messen weiß, ob er seine Zeit richtig genutzt hat oder ob ihn ein Tag so richtig erfüllt hat.
Was sind deine Maßstäbe? Ich bin mir noch nicht sicher, ob ich meine gefunden habe.
Doch was ich in den letzten Wochen herausgefunden habe, ist, dass man sich keinen Druck machen darf, Zeit verlieren zu können. Unter Zeitdruck oder der Angst, Dinge zu verpassen, verschwindet der Zeitgenuss und die eigentliche Lebensfreude. Mit dem ständigen Gedanken im Hinterkopf, ‚ich muss das jetzt machen, sonst erlebe ich das nie wieder‘, verbinde ich eher das Gefühl von Zwang, als das von Freiheit. Und gerade das Gefühl von Freiheit und Selbständigkeit will ich doch in diesem Jahr finden.
Ob ich sonst meine Zeit in diesen fast 2 Monaten sinnvoll genutzt habe?
Ich denke, ja. Wobei für mich „sinnvoll“ nun mehr bedeutet, als das Gefühl, besonders hilfreich auf der Arbeit gewesen zu sein, besonders viele neue Wörter auf Spanisch gelernt zu haben oder besonders viel von Buenos Aires gesehen zu haben. Sondern eben auch die kleinen Dinge. Die Momente, in denen ich mit meinen Mitfreiwilligen abends einen Film schaue oder Kartenspiele und mich immer mehr wie zuhause fühle. Die Momente, in denen ich mich mit dem Obsthändler über das Wetter oder auch das Nachtleben in Quilmes unterhalte. Die Momente, in denen ich ein trauriges Kind nach einem Streit wieder zum Lachen bringen kann. Die Momente, in denen wir den Abwasch und die Wäsche endlich geschafft haben. Und auch die Momente, in denen ich mal nur in meinem Bett liege, Zeit für mich habe, über Erlebnisse nachdenke und versuche, wieder gesund zu werden. Denn Gesundheit kommt bei dem ganzen Tatendrang und der Motivation, Neues zu erleben, oft zu kurz. Das habe ich jetzt auch verstanden. Gerade wenn man nicht mehr Zuhause ist, wo Mama mit Tee an dein Bett kommt und dich schon gesund pflegt, nimmt einen das Ganze schon etwas mehr mit. Obwohl man am liebsten alles schaffen, den besten Eindruck bei der Arbeit machen und so schnell wie möglich mit der Sprache und der neuen Lebenssituation zurechtkommen will, ist man mit 18 eben noch kein Superheld.
Naja, was ich eigentlich sagen will ist, dass ich in dieser kurzen Zeit hier schon sehr an mir gewachsen bin und irgendwie zu mir finde. Auch eine gewisse Gelassenheit und Ruhe macht sich zurzeit in mir breit. Gerade die Arbeit im Kindergarten macht mir unglaublich viel Spaß und ich vermisse schon die kreischenden Kinder um mich herum, nachdem ich solange nicht mehr dort war. Mit der Zeit bemerkt man einfach, wie sehr sie einem ans Herz wachsen. Anfangs waren wir noch die neuen, großen Leute in der sonst gewohnten Umgebung. Jetzt bekomme auch ich morgens ein Beso auf die Wange, werde herzlich umarmt und bekomme spannende Erzählungen vom Wochenende zu hören (die ich mehr oder weniger auch verstehe). Allgemein komme ich nun immer mehr im Alltag des Kindergartens an. Ein Alltag, der von Tag zu Tag unterschiedlich sein kann und mit wirklich einfallsreichen Ideen der Erzieherinnen ausgeschmückt wird. Wer da denkt, im Kindergarten werden bloß Spielsachen in die Mitte geworfen, irrt sich gewaltig. Basteleinheiten, Kreativangebote, Musikstunden mit Maruka, Austoben im Turnraum oder auf dem Innenhof. Alles was das Kinderherz begehrt. Und zusätzlich auch noch intensive Einheiten über verschiedenste Themen, was mich sehr überrascht hat. So war der gesamte September beispielsweise mit einem roten Faden der Tier- und Pflanzenwelt durchzogen. Daher beschäftigten wir uns an vielen Tagen mit Eigenschaften und Charakterzügen der verschiedenen Lebewesen. Malten oder bastelten passend dazu, lauschten Geschichten oder schauten uns Videos an. Fast schon wie in der Schule, dachte ich mir manchmal. Erstaunlicher Weise verhielten sich die meist eher aufgedrehten Kinder dabei aber sehr interessiert und machten fleißig mit. Auch ich nehme besonders aus diesen Stunden ganz viel für meinen Wortschatz mit, wenn man schon die Gelegenheit dazu bekommt. ? …
Doch über meinen genauen Alltag im „Arca“ werdet ihr noch ein anderes Mal mehr erfahren.
Also seid gespannt! Schließlich habe ich ja noch etwas Zeit und muss nicht alles sofort machen, oder?
Ich bin ja noch eine ganze Weile hier. ?
Ach ja, und was ich in Zukunft mit meiner Zeit anstelle: in den Tag hineinleben. Kleine Dinge wahrnehmen. Aber auch Pläne schmieden für die kommenden Woche, Reisen und vielem mehr. Denn es wird so einiges passieren.
 
Ganz liebe Grüße
Y und abrazo fuerte
Eure Eva

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