Carnaval en Montevideo

Bunt, laut und voll war es in den letzten Wochen hier auf den Straßen Montevideos, jetzt ist der Carneval offiziell vorbei. Mit über 40 Tagen voller Aufführungen, Shows, Wettbewerben und Umzügen in der ganzen Stadt ist der Carneval hier tatsächlich der längste der Welt.

geschmückter Plaza Independencia

Generell hat Montevideo einen sehr besonderen und eigenen Carneval, der weder mit dem Carneval im Rest des Landes noch mit dem im Rest Südamerikas vergleichbar ist. Ich durfte das jetzt die letzten Wochen miterleben. Jetzt wollte ich mit euch teilen, was ich alles so gelernt und erlebt habe.

Wenn man an Carneval in Südamerika denkt hat man ja oft die Sambatänzer*innen aus Rio de Janeiro im Kopf und deren große Umzüge. Auch das gibt es hier, macht aber nur einen kleinen Teil des Carnevals aus. Was in Montevideo so besonders ist, ist eher die große Bedeutung von Theaterstücken und Inszenierungen, die auf tablados zum Besten gegeben werden. Das sind kleine Freilichtbühnen, die in den einzelnen Stadtteilen aufgebaut werden und die jedes Viertel selber erstellt und gestaltet. Auf den meisten treten auch wirklich 40 Tage lang abends verschiedene Gruppen auf. Ein festes Enddatum hat der Carneval hier deswegen auch nicht. Veranstaltungen, die wegen Regen abgesagt werden mussten, werden einfach hinten an das Programm rangehängt. Dieses Jahr waren die letzten tablados dieses Wochenende (04./05. März), was den Carneval ganze 46 Tage lang gemacht hat.

Neben den kleineren Auftritten gibt es auch noch Umzüge und einen offiziellen Wettbewerb, die den Carneval hier prägen.

Die Eröffnungsparade, Desfile Inaugural, ist der Auftakt vom Carneval und auch das erste, was ich selber davon erlebt habe. Die Gruppen der verschiedenen Kategorien stellen sich vor und ziehen vom Plaza Independencia ungefähr 800 Meter bis zum Plaza Cagancha. Der Umzug hat mich total begeistert, die Kostüme waren der Wahnsinn, alle waren aufwendig geschminkt, es lief Musik, es wurde gesungen und getanzt, es war voll, laut und bunt. Die Stimmung war mega, es waren sehr viele Menschen da und alle haben mitgeklatscht und mitgesungen. Es waren allerdings auch über 40 Gruppen, ich war vier Stunden da und habe grade mal die Hälfte des Umzugs mitbekommen, mehr Sitzfleisch hatte ich dann doch nicht.

Die Eröffnungsparade und einige tablados habe ich ganz ohne Vorwissen gesehen und „einfach so“ bestaunt. Ich habe mich ab dann immer mehr mit Uruguayxs über Carneval unterhalten und gemerkt, dass wirklich fast alle in irgendeiner Form daran teilnehmen und Veranstaltungen besuchen. Der Carneval ist hier wirklich in der Identität vieler verwurzelt und einfach ein wichtiger Teil der Kultur. Ich habe mich dann auch immer mehr für die Hintergründe interessiert und habe dann dem „Museo de Carneval“ in Montevideo einen Besuch abgestattet, was hier ganzjährig geöffnet ist. Da habe ich nochmal viel gelernt und fand es super interessant, auch im nachhinein die Sachen, die ich auf den Umzügen schon gesehen hatte dann besser zu verstehen. Vor allem habe ich aber gelernt, welche verschiedenen Kategorien hier auf dem Wettbewerb antreten und was diese ausmachen, ich habe das mal versucht für euch zusammenzufassen!

Parodistas im Teatro de Verano

Parodistas
Bereits existierende Werke, historische Ereignisse oder Persönlichkeiten werden parodiert. Beim uruguayischen Carnaval wird das durch Gesang, Tanz und Schauspiel gemacht

Humoristas
Auch Humorsitas benutzen Gesang und Schauspiel, allerdings um satirische oder witzige frei erfundene Szenen zu erschaffen.

Murgas im Teatro de Verano

Murgas
Die Murga ist eines der beliebtesten und repräsentativsten Musikgenres in Uruguay. Murgas sind eine Chorgruppe mit Schlagzeugtrio und Dirigent. In den Versen werden aktuelle politische und gesellschaftliche Themen mit Humor und Ironie kritisiert. Ganz charakteristisch für die Murgas sind neben dem Gesang auch die bunten Kostüme und die Gesichtsbemalung. Auch wenn ich bei den Texten nicht alles verstanden habe mochte ich diese Kategorie durch die eingängigen Lieder sehr gerne. Zu den Liedern gibt es auch häufig kleine Choreografien, sodass ich zumindest das Thema immer erahnen konnte.

Revistas
Revistas sind wie ein kleines Musical, Tanz und Musik wechseln sich mit kleinen gespielten Szenen ab. Das Ganze verläuft sehr dynamisch und auch hier haben die Kostüme und Texte eine sehr große Rolle.

Sociedades de Negros und Lubolos
Diese Kategorie bezieht sich auf die Herkunft und Wurzeln ihrer Vorfahren und integriert diese und ihre Traditionen in den heutigen Carneval. Dafür werden indigene oder für die Gemeinschaft spezifische Themen aufgearbeitet und musikalisch mit afro-uruguayischen Tamburins unterlegt. Teilnehmer*innen verwenden typische Kostüme und Rhythmen und integrieren traditionelle Figuren.

Candombe
Candombe ist ein Rhythmus, der entstand, als im 18. Jahrhundert viele afrikanische Sklaven nach Uruguay kamen und war ein Zeichen des Widerstandes. Candombe wird auf speziellen Trommeln gespielt und ist tief in der Gesellschaft und heutzutage im Alltag verwurzelt. „Candombe und sein soziokultureller Raum“ wurde sogar 2009 als immaterielles Kulturerbe der UNESCO aufgenommen. Die ansteckenden Rhythmen sind das ganze Jahr über zu hören und nicht ausschließlich für den Carneval bestimmt.

Desfile der Sambaschulen

Von jeder Kategorie gibt es verschiedene Gruppen, die wie gesagt alle auf der Eröffnungsparade sind und sich vorstellen. Das ist aber nicht der einzige Umzug vom Carneval. Neben kleineren Umzügen in den einzelnen Vierteln gibt es noch zwei andere wichtige und große Ereignisse: Desfile de Llamadas und die Desfile de Escuelas de Samba. Die Parade der Llamadas habe ich leider nicht selber mit angesehen. Es ist eine riesige Veranstaltung mit Candombe und Tänzer*innen und auch sehr beliebt hier.

Dafür war ich aber bei der Parade der Sambaschulen, unter anderem auch wegen meiner Mitbewohnerin, die selber Samba tanzt und dieses Jahr mit ihrer Sambaschule Teil der Parade war. Auch hier waren die Tänzer*innen natürlich von Candombe begleitet, hatten glitzernde Kostüme und aufwendige Kopfschmücke auf und haben alles gegeben! Ich habe einen riesen Respekt davor, auf den meisten Schuhen, die die Tänzer*innen anhatten hätte ich nicht mal normal laufen können und die haben sich ihren Weg die Straße runter getanzt. Das muss wirklich so anstrengend sein, man hat es kaum jemandem anmerken können, so sehr haben alle gestrahlt und die Musik gefühlt!

Ich war auf einigen Veranstaltungen vom Carneval und habe wirklich jede einzelne genossen! Die Atmosphäre ist wirklich unbeschreiblich, die Outfits so schön und bunt und es war immer ein sehr schöner Trubel! Was mir auch sehr gefallen hat ist, wie engagiert wirklich alle Uruguayxs dabei sind und wie wenig kommerzialisiert der Carneval hier ist. Es gibt wenig Tourist*innen hier, die für den Carneval nach Uruguay kommen. Dadurch ist alles sehr traditionell und ursprünglich, aber durch die ganzen politischen und gesellschaftlichen Themen doch sehr modern. Es ist keine Saufveranstaltung, man selber verkleidet sich nicht aber trotzdem ist die Stimmung super und die Zuschauer*innen sind total dabei!

Ich bin sehr dankbar, das hier miterlebt zu haben!

Leave a Comment: