Wie bekomme ich die Situation hier in Argentinien mit?

MILEI ALS NEUER PRÄSIDENT

INFLATION ÜBERSTEIGT DIE 250%

ÜBER 40% DER BEVÖLKERUNG LEBT IN ARMUT

„NO HAY PLATA“ – „ES GIBT KEIN GELD“

PROTESTE UND KRAWALLE

Als ich hier in Argentinien im August ankam, bekam ich in der Wechselstube einen Euro und bekam ungefähr 700 argentinische Pesos dafür. Heute bekomme ich für einen Euro 1380 Pesos. Die wirtschaftliche und soziale Lage hat sich schon in den letzten Jahren immer weiter ins Negative gewandelt, jedoch ist der Wandel in den letzten Monaten so extrem und drastisch wie noch nie. Ich möchte im Folgenden probieren von meinen Eindrücken hier vor Ort zu erzählen und vor allem ein Bild davon geben, wie es den Menschen hier und in meinem Projekt mit der ganzen Situation geht.

WIRTSCHAFTLICHER HINTERGRUND Argentinien war nicht immer verschuldet und in einer tiefen finanziellen Krise. Anfang des 20. Jahrhunderts war Argentinien eines der wohlhabendsten Länder und wichtigsten Wirtschaftsmächte weltweit, vor allem durch die erfolgreiche Agrarwirtschaft, den Reichtum an Feldern,Weiden, Gasvorkommen, Silber und Gold. Doch ab den 1950ern durchlebte Argentinien zahlreiche Krisen und auch politische Probleme trugen dazu bei, dass Argentinien sich immer mehr im Ausland verschuldete, immer mehr Menschen arbeitslos wurden und die Inflation eine immer größere Rolle im Alltag der Bürger spielte. Die große Wirtschaftskrise 2001/02 war dann schließlich der Auslöser, dass die Wirtschaft komplett zusammenbrach und hunderttausende Menschen ihre Arbeit und ihr Vermögen verloren. Heute leben über 40% unterhalb der Armutsgrenze, bei unter 14-jährigen sind es über 50%. Selbst wenn die Menschen eine Arbeit haben, ist es nahezu unmöglich von dem geringen Lohn leben zu können. Es entstand ein riesiger Schwarzmarkt, viele illegale und gefährliche Jobs, niemand traut den Banken und die Menschen versuchen so viele Dollar-Scheine wie möglich zu Hause zu horten. Die Zukunft ist ungewiss und die Menschen leben in ständiger Angst von Tag zu Tag. Ob der neue Präsident Javier Milei, der seit Dezember im Amt ist, nun Fluch oder Segen für Argentiniens Zukunft ist, da spalten sich die Meinungen der Bürger gewaltig

MEIN PROJEKT „NUESTRA SEÑORA DE LUJAN“ Jeden Morgen steige ich um kurz nach 8 in den Bus und fahre ca. 45 Minuten zu meinem Projekt ins Barrio Las Heras. Las Heras liegt ganz am Rande im Westen der Stadt, ich wohne im Zentrum der Stadt. Am Anfang kam mir die Fahrt immer sehr lang vor, doch jetzt bin ich es längst gewohnt und kenne fast alle Querstraßen auswendig, die wir passieren. Von 9-16 Uhr kommen die Kinder in zwei Gruppen, mit dem Mittagessen lösen sich die Gruppen ab. Zurzeit kommen vormittags und nachmittags jeweils um die 20-25 Kinder. Es ist ein sehr schönes Projekt: durch Workshops lernen die Kinder viel und haben die Chance ein Hobby machen zu können. Auch durch das Mittagessen, welches für die Kinder vor Ort gekocht wird, werden die Familien stark entlastet. Zweimal im Monat kommen alle Familien des Barrios (ca. 300) und bekommen eine große Tüte mit Obst, Gemüse, Milch, ein Stück Fleisch und Käse, Nudeln sowie Reis, existenziell für die Bewohner. Geleitet wird das Projekt von Hermana Marta, die ihr ganzes Herz und ihre Energie ins Wohlergehen der Kinder steckt. Ich bewunderte sie von Anfang an sehr, denn sie hat eine wahnsinnig positive Ausstrahlung, freut sich immer einen zu sehen, ist politisch wahnsinnig engagiert und hat für jeden ein offenes Ohr. Und vor ein paar Wochen feierten wir ihren 84. Geburtstag…

Man befindet sich jeden Tag in Situationen, wo einem immer wieder gezeigt wird, wie privilegiert man aufgewachsen ist und was für eine beschützte Kindheit man erleben durfte. Man verspürt dann zum einen eine ungeheure Dankbarkeit, aber es ist auch schwer damit umzugehen. Man schämt sich, dass man sich nie um ein Zuhause sorgen musste, drei leckere Mahlzeiten hatte, zur Schule und zu zahlreichen Hobbys gehen konnte und immer einen Überfluss an Kleidung und heilen Schuhen hatte. Es ist so unfair, dass die Kinder hier teilweise in ein Leben voller Armut und mit ganz schwierigen und traumatischen Familienhintergründen hineingeboren werden. Die sozialen Projekte in Argentinien waren schon immer finanziell sehr stark gefährdet und haben wenig Unterstützung der Regierung bekommen. Schon als ich im August ankam, bekam man sehr viel vom Wahlkampf und den aufeinandertreffenden Fronten mit. Beim Mittagessen mit den Mitarbeiterinnen gab es immer interessante Gespräche, denen ich mit der Zeit immer weiter folgen, mehr verstehen und auch Fragen stellen konnte. Von vielen aus der ärmeren Schicht hörte ich Sätze wie: “UNS wird eh keiner der beiden Kandidaten helfen” oder “Wir müssen uns für den ein bisschen weniger schlimmen Kandidaten entscheiden.” Doch klar war, mit Milei wird es noch schlimmer werden. Die Enttäuschung und Verzweiflung als Milei die Wahl dann tatsächlich gewann, war deutlich spürbar und Hermana Marta sagte seufzend zu mir: “Das kommende Jahr wird sehr, sehr hart werden.” Die Workshops fallen teilweise weg, in den Lebensmitteltüten für die Familien fehlen nun Milch oder Käse und es wird gerätselt was man den Kindern zum Mittagessen kochen kann, was gleichzeitig günstig, aber auch nicht zu ungesund ist.

Doch auch wenn man nicht in einem sozialen Umfeld tätig ist, bekommt man im ganz normalen Alltag auch sehr viel von den neuen Einschränkungen und dem extremen Verlauf der Inflation mit. Beispielsweise wenn man sich mit den Studenten über die Situation unterhält, beim Einkaufen jeden Tag mehr Geld mitnehmen muss oder die zahlreichen Demonstrationen in der Stadt sieht. Wenn ich in meinem Bus zur Arbeit fahre, der nun nur noch halb so oft fährt, sehe ich schon morgens die meterlangen Menschenschlangen, die beim Bankautomaten anstehen. Nirgendwo stehen mehr Preise angeschrieben, weil sie jeden Tag erneuert werden müssen und an der Tankstelle bekommt man meistens auch keinen Treibstoff mehr. Man sieht immer mehr Obdachlose und viele Menschen gehen mit einem Wagen durch die Straßen um Pappe zu sammeln und dafür ein paar Pesos zu bekommen. Die Menschen sind verzweifelt und erschöpft. Umso mehr hoffen viele auf Milei. Sie sagen: “Milei ist mal was anderes, es kann nicht so weitergehen wie bisher. Wir brauchen ein drastische Veränderung.” Die andere Hälfte der Bürger versucht sich mit Demonstrationen und anderen Aktionen seinen Plänen zu widersetzen.

Milei ist von positiven Auswirkungen seiner “Radikalkur” überzeugt und versucht sein Reformpaket, welches 300 Gesetze beinhaltet, durchzusetzen. Unter anderem werden legislative Kompetenzen für zwei Jahre an die Regierung übergeben, Staatsbetriebe privatisiert und soziale Leistungen einkassiert. Und obwohl der Widerstand zwar wächst, die Mehrheit im Parlament hat Milei schon…

Sommer, Sonne, Sonnenschein?

Ich konnte den Vorfreiwilligen immer nur sehr schwer glauben, wenn sie wiedermal meinten, dass wir jeden Tag genießen sollen, da dass Jahr sooo schnell vergeht. Doch jetzt sitze ich hier im lang ersehnten Hochsommer mit meinem Mate und realisiere, dass genau jetzt schon die Hälfte meines Jahres um ist. Wenn ich auf die letzten Monate zurückblicke ist so viel passiert, wo fang ich nur an zu erzählen!?

Wenn ich jetzt zurückblicke kann ich auf jeden Fall behaupten, dass ich eigentlich in allen Bereichen eine ganz deutliche Verbesserung sehe. Sowohl auf der Arbeit, freizeitlich, sprachlich als aber auch ganz besonders bei meinem persönlichen Mindset. So schwer es war, das am Anfang zu glauben: ES BRAUCHT ZEIT! Zwar bei manchen mehr und bei anderen weniger, aber man braucht Geduld beim Einleben, um dann richtig leben zu können und das Jahr in vollen Zügen zu genießen!!

ich liebe diese Stadt 🥹

Mir fallen soo viele tolle Momente ein, wenn ich nochmal überlege, was ich eigentlich alles so unternommen habe in den letzten Monaten. Ich habe Besuch von anderen Freiwilligen bekommen, wir waren surfen und haben das Wetter am Strand genossen. Dann habe ich zum Beispiel noch Nina von meiner Organisation zu ihrem Geburtstag in Buenos Aires überrascht. Wir hatten ein richtig schönes Wochenende, waren am Rio essen, in ner Tango-Bar und ich konnte Buenos Aires auch nochmal ein bisschen besser kennenlernen:) Nach so welchen Wochenenden habe ich aber auch gemerkt, dass ich mich auch wieder richtig auf mein “Zuhause” freuen konnte! Ich liebe meinen Alltag mittlerweile sehr, mache viel Sport und habe auch Klavierunterricht. Zudem habe ich auch endlich durch einen glücklichen Zufall Leute in meinem Alter kennengelernt, was mir meine letzten Wochen sehr erleichtert hat. Wir haben viel zusammen unternommen und ich wurde super herzlich von der Freundesgruppe aufgenommen (Auch wenn ich mich erstmal an die SEHR späte Feierkultur gewöhnen musste und das ausschließlich auf Spanisch unterhalten auch nicht ganz so einfach ist…)

Besuch in Martinez, Buenos Aires

Der Dezember verging dann wie im Flug und plötzlich stand Weihnachten vor der Tür. Ich war überhaupt nicht in Weihnachtsstimmung vorher und habe die Tage lieber bei 30°C am Strand verbracht, war auch nicht allzu schlecht 🙂 Weihnachten habe ich ziemlich spontan mit neun anderen Freiwilligen in einem Airbnb in Buenos Aires verbracht. Wir haben zusammen gekocht und haben den Abend ganz entspannt zusammen verbracht. Natürlich habe ich mich schon ein bisschen nach Zuhause zu meiner Familie gesehnt, die wie immer zusammen am Weihnachtsbaum saß, aber dadurch, dass mein Weihnachten so ganz anders dieses Jahr war, konnte ich es auch hier genießen. Und da mein Cousin auch einen Freiwilligendienst in Argentinien macht, war sogar ein bisschen Familie da!

ch bin dann noch ein paar Tage in Buenos Aires geblieben, denn dann kam auch schon meine Schwester zu Besuch und ich habe sie vom Flughafen abgeholt!! Dieser Tag schien immer noch soo weit weg und dann stand sie plötzlich vor mir, so ein komisches Gefühl! Wir waren dann ein paar Tage über Silvester bei mir in Mar del Plata und haben einfach die Sonne am Strand genossen, waren viel Surfen und mit meinen Freunden von hier feiern. Das war echt ne sehr coole Zeit!! Bis auf den Wasserrohrbruch in meiner Küche…

Und dann ging’s auch schon ab in den Urlaubbbbbb!!

Da hier in Argentinien Sommerferien sind, hat mein Projekt den gesamten Januar geschlossen und ich hatte frei. Wir sind dann zu viert (meine Schwester Alste, mein Cousin Jacob und eine andere Freiwillige Nina) nach Bariloche aufgebrochen. Das liegt weiter im Süden in Patagonien und ist zu dieser Zeit von den Temperaturen ein wenig angenehmer. Wir hatten eine richtig lustige und tolle Zeit und waren auch nach unserer dreitägigen Wandertour (56km!!) noch topfit! Diese Auszeit und Ruhe in den Bergen konnte man echt richtig genießen und ich bin sehr dankbar für diese Zeit. Wir haben eine Nach in einer gemütlichen Hütte in den Bergen übernachtet, den Ausblick genossen und waren im See schwimmen. Nach ca 10 Tagen ging es dann auch schon wieder zurück, die Zeit rennt nochmal schneller, wenn man es am wenigsten will… Nach insgesamt drei Wochen musste ich meine Schwester dann auch schweren Herzens wieder gehen lassen. Ich hatte echt vergessen, wie schön und leicht die Zeit mit den Menschen ist, die einen einfach ganz genau und schon seit immer kennen. Das hat mir richtig viel Energie gegeben!

Nachdem es dann Ende Januar nach ganz viel Strand und Surfen noch für mich aufs Zwischenseminar mit 25 anderen Freiwilligen ging, beginnt jetzt auch wieder die Realität und der normale Alltag. Und auch wenn ich jetzt nur von meinen überragenden und traumhaft schönen Momenten berichtet habe, darf man nicht vergessen, dass man trotzdem ein ständiges Auf und Ab erlebt, und das ist auch völlig normal. Man hat schlechte Tage, schlechte Momente und mir fällt es dann manchmal echt schwer diese nicht in den Mittelpunkt zu stellen, sondern vielleicht sogar etwas positives draus mitzunehmen. Ich habe schon jetzt extrem gemerkt, dass einem ganz kleine Momente oder nur ein Satz, den jemand zu einem sagt, richtig viel Energie und Freude geben. Sei es das Meeresrauschen oder der Sonnenuntergang. Ein Kind, welches einem lachend „Te quiero“ zuruft oder eine Nachricht, in der dich jemand fragt ob du Lust auf einen Treffen hast. All das sind Momente, die die Tage schön machen, einen positiv bleiben lassen und einem das Gefühl geben hier ein Zuhause zu haben.

Doch genauso gibt es dafür auch viele kleine Momente und Situationen, die einen genauso extrem die Tiefs fühlen lassen. Sei es ein schlechter Tag, wo man das Gefühl hat komplett überflüssig und energielos zu sein oder der Bus, der dann mal wieder nicht kommt. Ein Idiot, den man in der Stadt trifft oder eine Nachricht, in der das Treffen, worauf man sich den ganzen Tag gefreut hat, dann doch spontan abgesagt wird. Mir fällt es dann oft sehr schwer, mich von so etwas nicht runterziehen zu lassen und einfach was anderes schönes allein zu unternehmen, da ich eben nicht als Alternative mal eben auf meine WG zurückgreifen kann. Aber das wird auch alles besser und man lernt immer mehr mit diesen Situationen umzugehen. Es ist eben nicht alles Sommer, Sonne, Sonnenschein, wie es so oft scheint…

Auch in meinem Projekt gibt es in der aktuellen Situation sehr viele Probleme, die einen auch persönlich nach der Arbeit nicht loslassen und beschäftigen. Darauf möchte ich in einem weiteren Beitrag nochmal genauer drauf eingehen…

Allgemein kann ich sagen, dass ich diese Zeit hier sehr wertschätze, super dankbar bin trotz den Anfangsschwierigkeiten durchgezogen zu haben und ich mich schon auf weitere tolle Wochen freue, die auf mich zukommen. Argentinien, du hast mein Herz auf jeden Fall schon für dich gewonnen!!

MEIN WINTER IM SOMMER

Hola

Verdammt, wie die Zeit rennt. Ich nehme mir seit über nem Monat vor, mal wieder einen Eintrag hier zu schreiben. Oder nein, das klingt zu sehr nach „müssen“.Eigentlich ist das hier ja wie Tagebuch. Da muss ich gar nichts. Ich liebe es, alles was ich erlebe aufzuschreiben. Und gerade fühle ich mich nach schreiben, deshalb here we go:

Vielleicht fange ich mal damit an, dir ein bisschen meinen Moment zu beschreiben. Ich sitze draußen an der Seite unseres Hauses auf dem Boden, ein Kissen in meinem Rücken und dem Laptop auf angewinkelten Beinen. Es ist warm aber nicht zu warm. Es ist 18:25 und die Sonne scheint mittlerweile nicht mehr so hell, sondern mehr orange auf die umliegenden Häuser und Bäume. Ich fühle das weiche Kissen und das Klicken der Tasten, rieche das Abendessen der Nachbarn, höre Hunde, Menschen, Cumbia, Autos und Vogelgezwitscher.

Es ist der 20. Januar – was, schon der 20. Januar? Gefühlt stand ich erst vor einer Woche an Silvester barfuß am Strand.  Ich will jetzt auch gar nicht einfach stumpf alles auflisten, was ich erleben durfte. Mehr ist das so ein Rückblick der letzten Monate und ein Einblick in die Gefühle, die mich hier momentan begleiten. Wer auch immer du bist, der/die das gerade liest, ich hoffe dir geht es gut. Vielleicht kann ich dich für einen Moment nach Argentinien entführen. In das Land des Fußballs, dem Mate und der Sonne. 

Mir fallen immer wieder Themen ein, über die ich schreiben will. Über die Menschen hier, das Leben im Projekt. Über das Vermissen und die Dankbarkeit gegenüber den Menschen, die ich gerade nicht um mich habe. Über lustige Momente und  die Liste an Fettnäpfchen, die Emma auf ihrem Handy abspeichert. Über die Zeit, die so schnell verfliegt..

Naja, ich hab ja noch ein bisschen Zeit, vielleicht irgendwann. Ich mag es, dass das hier meine ganz eigene Seite ist. Dass ich in meinem Tempo schreiben kann und allein über die Dinge, die ich will. 

Mittlerweile kann ich für mich sagen, dass ich angekommen bin. Das dachte ich zwar auch schon vor fünf Monaten und auch schon vor zwei Monaten aber ich glaube, jetzt stimmt es wirklich. Ich fühle mich wohl und aufgenommen. Von der Stadt, den Menschen und in der Arbeit. Nach dem Urlaub ins eigene Zimmer zurück zu kommen, fühlte sich an wie heim kommen. 

Ich weiß noch, in der ersten Woche in Argentinien sind wir mal als WG zusammen Geld abheben gegangen und ich war sowas von aufgeschmissen, weil ich einfach nichts verstanden habe, noch hätte irgendwas antworten können. Das war echt sehr deprimierend und ich habe mich gefragt, wie zur Hölle ich das mal verstehen soll, was die hier alle sagen. Mittlerweile gehe ich alleine einkaufen, frage nach dem Weg, gehe ans Telefon, wenn mich jemand von der Arbeit anruft oder rede ne Stunde mit der Frau an der Bushaltestelle, weil wir beide verpeilt haben, dass die Busse heute nicht fahren. 

Ich fühle mich so viel wohler mit dem Wissen, mich nun verständigen zu können, kann mich irgendwie entspannter durch den Alltag bewegen. An manchen Tagen läuft das mit dem spanisch besser, an anderen weniger gut. Aber das ist glaube ich normal und halb so wild. Ich bin so glücklich mit dem, was ich mittlerweile kann. 

Der Dezember war ein Auf und ab. Normalerweise ist er dieser eine Monat am Ende des Jahres, in dem ich die vergangenen elf Monate nochmal Revue passieren lasse und mich in die gemütliche Weihnachtsstimmung fallen lassen kann. Und dann kommt mein Geburtstag, der Geburtstag meiner Schwester, Weihnachten und Silvester. Die Tage vor meinem Geburtstag hatte ich etwas Respekt, wie es wohl sein wird so ganz ohne Familie zu sein. Ich hatte Angst vor dem Gefühl, am Geburtstagsmorgen aufzuwachen und anstatt der gewohnten Euphorie mehr eine Leere zu fühlen, die meine Familie zu ersetzen versucht. Ich wurde sowas von überrascht. Um 00:00 Uhr saß ich im Bett mit Emma und wir haben Charlie und die Schokoladenfabrik geschaut. Im Projekt durfte ich den „Abrazo caracol“ (Schneckenumarmung) kennenlernen und war etwas perplex, als mir plötzlich 19 mal am Ohrläppchen gezogen wurde. Das soll Glück bringen für das neue Lebensjahr. Als ich hier kam stand meine WG im Wohnzimmer und hat mir zum Geburtstag gesungen. Es gab einen Marmorkuchen nach dem Rezept meiner Familie   und einen auch sonst reichlich gedeckten Frühstückstisch. Und dann dreh ich mich um und Wenke stand auf einmal hinter mir. Sie ist auch von meiner Organisation und lebt und arbeitet in Mar del Plata. Mit meiner Fassade wars dann vorbei und ich hab voll angefangen zu weinen. Ich war so dankbar, dass meine Freunde mich hier so herzlich aufgefangen haben, ohne es vielleicht zu wissen. Wir waren Essen, am Fluss und abends in einer Tangobar. Meine Familie hatte ich per Videoanruf auch so nah wie möglich bei mir und hätte es mir im Endeffekt wirklich nicht schöner vorstellen können. Es war so schön, meinen Geburtstag im Sommer zu feiern, in Flip Flops und kurzen Hosen, in nem anderen Land auf der anderen Seite der Welt und mit Menschen, die ich vor einem halben Jahr noch nicht mal kannte. 

Dadurch dass meine Angst vor dem Vermissen so unbegründet war, ging ich hier voller Freude auf Weihnachten zu. Es wurde immer wärmer, die Nächte irgendwie ungemütlicher und die Luftfeuchtigkeit trieb mich manchmal in den Wahnsinn. Wir haben einmal Plätzchen gebacken und ich versuchte erfolglos, durch Weihnachtslieder in die richtige Stimmung zu kommen. Ich bekam Bilder aus dem verschneiten Süddeutschland und dem ersten Mal wieder auf der Piste. Im Projekt wurden die neuen Arbeitszeiten für den Sommer besprochen, wir arbeiteten in Richtung Ende des Jahres und die Kinder freuten sich auf zwei Monate Sommerferien. 

Weihnachten selbst wollten wir in Baradero bei anderen Freiwilligen verbringen. Ich hatte mich riesig gefreut, endlich mal ein bisschen was anderes zu sehen, mal woanders zu schlafen, mal mit dem Reisebus fahren, von dem alle schwärmen. Am Abend vor der Abfahrt wurde uns mitgeteilt, dass in Baradero eine Bombendrohung das ganze Gelände lahm legt und überall Sicherheitskräfte stationiert sind. Wir mussten schnell was Anderes suchen aber meine Vorfreude war dann irgendwie dahin. 

Letztendlich feierte ich zusammen mit neun anderen Freiwilligen in einem Airbnb in Palermo, einem jungen, touristischen Stadtviertel von Buenos Aires. Die Stimmung war anfangs wirklich etwas bedrückend und es regnete aus Strömen, nachdem wochenlang die Sonne schien. Als ich mich dann etwas zurück zog um mit meiner Familie zu telefonieren, habe ich mich zum ersten Mal nach Hause gewünscht. In das Wohnzimmer, in dem die Kerzen am Weihnachtsbaum brennen, es nach getrockneten Äpfeln und Zimt riecht und in dem meine Familie auf dem Sofa sitzt und Weihnachtslieder singt. Klar, das ging nicht. War mir auch klar. Aber die Vorstellung war trotzdem hart. Es war super schön, die glücklichen Gesichter meiner Familie durch den Bildschirm zu sehen und für ein paar Minuten fühlte ich mich ihnen ganz nah. 

Jeder von uns telefonierte im Laufe des Abends mit seiner Familie und so konnten wir ähnliche Gefühle teilen. Für mich wurde der Abend ab diesem Moment schöner, ich konnte mich mehr fallen lassen. Wir haben gekocht, uns mit Weihnachtsmützen überrascht, ein bisschen gesungen und gewichtelt. Um vier Uhr nachts haben Alma und ich noch den Pool ausprobiert und sind danach happy ins Bett gefallen. Ich durfte lernen, dass Weihnachten einfach auch mal anders ablaufen kann und es keinen Sinn macht, mir die Weihnachtsstimmung einzureden, wenn ich sie eigentlich gar nicht fühle. 

Ich wusste, in einem Jahr bin ich wieder in Deutschland mit meiner Familie  und werde dann daran denken, wie ich letztes Jahr an Weihnachten noch in Argentinien war. 

Und dann werde ich’s vermissen. 

Es hilft mir, sich vor Augen zu führen, dass ich die Dinge hier vermutlich nur einmalig so erleben werde und diese Realisation schenkt mir dann immer diese krasse Dankbarkeit.  Und ich glaube, es ist eine wertvolle Erfahrung, Weihnachten mal ganz anders und in Würdigung dieses Jahres feiern zu müssen bzw. die gewohnten Weihnachten zu fasten – dann schmecken sie nächstes Jahr hoffentlich noch viel besser als sonst. 

Also Ende gut alles gut:) 

Am 29.12 war es endlich soweit und ich konnte in meinen lang ersehnten Urlaub starten. Nicht in dem Sinne, dass ich meine Arbeit und mein Umfeld hier nicht mag.  Vielmehr freute ich mich darauf, nach fast fünf Monaten einen anderen Teil des Landes kennen lernen zu dürfen. Mal was Neues zu sehen. Oh und ich freute mich sO sehr auf die Berge. Wie genau soll ich denn jetzt von diesem Urlaub erzählen? Am Liebsten würde ich dir von jedem Tag erzählen, weil ich einfach so verdammt viel gesehen und erlebt habe. Das wäre aber ein bisschen zu viel glaube ich.  Nach ein bisschen Planung saß ich dann jedenfalls irgendwann im Bus Richtung Mar del Plata. Diese Busfahrt ging fünf Stunden, was für mich mittlerweile wie ein Katzensprung klingt. Die Distanzen hier sind einfach etwas anders als ich es sonst so gewohnt war. 

Ich war so so glücklich, dass es nun endlich los geht und kam also nach einigen Stunden verfroren von der Klimaanlage in Mar del Plata an. Dort blieb ich fünf Tage und wohnte mit Thea in einem Airbnb super nah am Strand. Ja, am STRAND! Die Stadt liegt direkt am Atlantik und nicht mehr nur an nem Flussausläufer wie Buenos Aires. Ich muss gestehen, dass ich mich ein bisschen in die Stadt verliebt habe. Die großen Wellen, die vielen sportlichen Menschen überall, die Möglichkeit zu surfen und die Temperatur sind wirklich eine Tip top Kombi. Zusätzlich wohnt Wenke in Mar del Plata, was einen Besuch noch viel erstrebenswerter macht. Ich war im Atlantik baden, wir haben am Strand gegessen, Seelöwen gesehen und waren surfen. Am 30.12. Klingt erstmal bizarr. An Silvester sind wir zum Strand gelaufen und haben mit hunderten Menschen das neue Jahr begrüßt. Diesmal auf spanisch:)

Es war eine super coole Stimmung, alle waren gut drauf und um uns rum blinkte und glitzerte ein Feuerwerk vor Hochhäusern, deren erleuchtete Fenster die Kulisse irgendwie noch besonderer machten. 

Zu viert sind wir nach Bariloche im Norden Patagoniens gefahren und wurden nach 24h im Bus von den Bergen empfangen. Wir wanderten zu einer Aussichtsplattform, genossen den kühlen Wind, gepaart mit der Sonne und der Atmosphäre, die die Stadt direkt am See mit sich brachte. Mein Highlight waren die Wanderungen zu den Refugios in den Bergen. Das sind kleine Schutzhütten, in denen man in der Saison übernachten kann, um nicht jeden Tag wieder ins Tal abzusteigen, sondern auf der Höhe wandern kann. Wir liefen 12km zum Refugio Italia und am gleichen Tag wieder zurück ins Tal. Leider hatte diese Hütte nämlich schon alle Plätze belegt. Am nächsten Morgen ging’s dann 16km hoch zum Refugio Jakob, wo wir eine Nacht übernachteten. So weit oben in den Anden ohne Netz fühlte ich mich richtig weit weg. Das war so so schön, da ich sonst immer irgendwie erreichbar war bzw. jemanden erreichen konnte, wenn es mir danach war. 

Nach drei Tagen und 56km gewanderten Kilometern waren wir dann aber erstmal gut bedient was das Laufen anging und genossen die Strände am See, die warme Dusche und den Sandwichmaker im Airbnb. Hört sich bisschen lost an, aber nach so nem langen Tag gab es nichts Geileres als so ein warmes Sandwich mit Marmelade oder Käse. Wirklich. Wir lernten viele neue Menschen kennen, tauschten uns mit anderen Wandernden aus und wurden von einem Mann aus Amerika und seiner Tochter zum Barbecue eingeladen. Das war so ein toller Abend und ich war so froh, sie im Bus angesprochen zu haben. Wenn man sich öfters mal trauen würde, über seinen Schatten zu springen, können so viele coole Dinge auf einen warten ey.  Nach zwei Wochen ging’s dann wieder zurück. Und während ich wieder nach Buenos Aires rein rollte, hingen meine Gedanken den letzten zwei Wochen hinterher wie ein Schleier.

Mittlerweile bin ich wieder zurück und schon ist auch die erste Arbeitswoche wieder vorbei. Es war so ein schönes Gefühl, wieder den Bus zu EnAccion zu nehmen und meine Mitarbeiter*innen sowie die Kinder zu sehen. Ich arbeite jetzt vier Stunden mehr in der Woche, dadurch habe ich aber den Samstag frei und somit ein richtiges Wochenende. Außerdem warten wir im Projekt die Mittagshitze ab und fangen erst Nachmittags um 17 Uhr an zu arbeiten. Das ist sehr angenehm, auch wenn die Luftfeuchtigkeit trotzdem bleibt. Am Donnerstag habe ich zum ersten Mal ein richtiges Fußballspiel mitgespielt. Es war unfassbar heiß und ging bis kurz vor elf in die Nacht hinein, trotzdem war es mein Highlight der Woche. Ich war mega aufgeregt irgendwie und wollte es natürlich halbwegs gut machen. Wie sich herausstellte ging es allen aber wirklich nur um den Spaß am Sport und das war so angenehm im Spiel. 

Zum Schluss vielleicht noch ein paar Worte, die ich letztens mal in mein Tagebuch geschrieben habe. Bei mir haben sie was angestoßen, vielleicht kannst du ja auch was damit anfangen:)

„Wieso versteht man eigentlich erst so richtig, wie besonders und fest Beziehungen zu wichtigen Menschen sind, wenn man sie nicht um sich hat? Wieso ist das jedes Mal aufs Neue so? Wieso reichen ein paar verdammte Worte, um tausende Erinnerungen und entscheidende Momente im Kopf aufzurufen? Das ist so eine besondere Art von Vermissen. Ich vermisse nicht so gewöhnlich meine Familie daheim, sondern es ist auch irgendwie diese Realisation, dass ich jetzt selber groß bin. Dass ich das gerade alles alleine mache und für mich verantwortlich bin. Dass ich keine Ahnung hab was ich später mal machen will, lässt mich einerseits diese Geborgenheit von Zuhause vermissen, andererseits schenkt sie mir ungeheure Freiheit und so ne verrückte Freude. 

Ich hab keine Ahnung ob das Sinn macht, was ich hier schreibe. Jedoch merke ich, dass sich etwas an meinem Mindest verändert. Ich reagiere anders auf verschiedene Situationen, kann diese passender einschätzen, lerne so viel über mich und andere und finde einen guten Weg, Erlebnisse richtig zu verarbeiten. Warte, es ist wichtig dass du weißt dass das auch nicht immer der Fall ist. Aber seitdem ich hier bin merke ich diese positiven Schritte einfach viel mehr als davor. 

Und jaja, das ist  jetzt ein bisschen Kalenderspruch angehaucht aber ohne die abs gibts auch keine aufs. Und hier erlebe ich beides und das teilweise viel intensiver als noch in Deutschland. Tiefs wirken manchmal tiefer, Hochs wirken höher. Dass ich nochmal dankbarer bin, noch bewusster lebe und irgendwie mehr wertschätze, wie wohltuend liebende Menschen sind, ist das Ergebnis von sechs Monaten im Ausland. Verrückt oder? Wobei ich ganz klar einen Unterscheid sehe zwischen sechs Monate im Ausland reisen und eher oberflächlich ein Land zu entdecken oder wirklich dort zu leben. Zu wohnen, zu arbeiten. Nicht im Strom der Touristen, sondern eher da, wo nur Einheimische sind. Weniger rumreisen, mehr eintauchen. Ich finde das unfassbar schön und faszinierend. 

Irgendwie scheint jedes Gefühl/Erfahrung in diesem Jahr immer noch eine andere Seite oder automatische Entwicklungsfunktion zu haben. Ich halte diese fest so gut es geht und schreib sie auf. Ich finde nämlich, dass Worte eine ganz andere Bedeutung bekommen wenn man sie schreibt, anstatt sie nur zu denken. So sieht man vor sich, was in einem drin abgeht und das schafft irgendwie Klarheit. Und so doof das klingt aber ich kann dann mehr Platz in meinem Kopf schaffen, weil ich das Gefühl habe, dass ich Momente auch mal vergessen kann, da ich sie ja aufgeschrieben habe. Genau wie diesen hier. 

Ich kann Augenblicken einen ganz besonderen Platz geben, wenn ich sie durch die geschriebenen Worte nochmal erlebe und aus einer anderen Perspektive sehe – ohne die Euphorie des Momentes, die sich manchmal wie ein Schleier vor die Erkenntnis legt, dass man ja nur gerade jetzt lebt. 

Wtf, plötzlich Poetin oder was?
​Nina Goethe macht sich nun mal auf ins Bett, gute Nacht. „

VOM ABHEBEN UND ANKOMMEN

Hey ich bin Nina, 18 Jahre und mache meinen Freiwilligedienst im Großraum Buenos Aires. Ich hab gar keine Ahnung wie man sowas hier anfängt, merke ich gerade. Ich bin seit zweieinhalb Monaten hier und seitdem ist so viel passiert. Vielleicht fange ich einfach mal von ganz vorne an:

Die letzten Tage zu Hause waren schwierig. Meine Freunde haben mich mit einem Abschiedsfest überrascht, ich war mehr als glücklich und wollte so viel Zeit wie möglich mit ihnen verbringen. Ich war in Gedanken die ganze Zeit über aber schon beim Abschied und hatte richtig Angst davor, meinen Liebsten Tschüss sagen zu müssen. Ich wollte mich nochmal fallen lassen, war aber mit den Gedanken immer schon einen Schritt voraus. Vielleicht bist du ja auch gerade Freiwillige*r und weißt genau was ich meine. In der Woche vor dem Abflug hab ich nochmal super viel mit meiner Familie unternommen. Wir waren am Bodensee, Bogenschießen, Minigolfen, Fahrrad fahren und Essen. Ich habe jede Sekunde so krass genossen und noch immer ist diese Woche sehr präsent in meinem Kopf.

Tja und dann gehst du abends ins Bett und weißt, wenn du morgen aufwachst dann gehts los. Um kurz vor elf am nächsten Tag ziehe ich meine Wanderschuhe an und nehme meinen riesigen Winterpulli unter den Arm. Denn von der Hitze in Deutschland geht es in den argentinischen Winter.
Meine Familie bringt mich zum Bahnhof und ich nehme sie nochmal fest in die Arme.
Die Uhr sagt, in zwei Minuten kommt der Zug. Papa umarmt mich, die Augen meiner Mutter fangen an zu glitzern. Wenn sie jetzt weint, isses eh vorbei. Ich kann es überhaupt nicht fassen, dass dies nun die letzte Berührung mit ihnen ist. Für so lange.
Noch eine Minute. Ich ziehe meine Briefe aus der Tasche und überreiche sie meiner Familie. Ich merke, wie mir jetzt schon wieder fast die Tränen kommen. Ich will nicht mehr weinen, die Verabschiedungen der letzten Wochen waren hart.
In meinem Kopf spielen die Gedanken verrückt. Noch 30 Sekunden. In der Entfernung sehe ich schon den Zug anrollen. Ich packe also meine Sachen zusammen, drehe mich nochmal um und steige ein. Der Zug setzt sich in Bewegung, am Fenster rennt meine Schwester den Bahnsteig entlang, bis ich sie nicht mehr sehe. Was ein Gefühl. Gänsehaut.
Sobald ich alleine bin, kommen mir schließlich die Tränen. Ich bin traurig. Doch gleichzeitig fällt etwas von mir ab. Die Verabschiedung ist nun rum, ich bin irgendwie frei. Fühle mich leicht. Ich checke mich online für den Flug ein und dann bin ich auch schon am Flughafen. Ich treffe am Gate 50 andere Jugendliche, alle auf dem Weg in den gleichen Flieger. Ich frage mich, was sie wohl gerade fühlen und wie die Verabschiedung bei ihnen war.
Für mich war dies der schwerste Abschied bis jetzt. Auch wenn ich es mir ja ausgesucht und mich monatelang damit beschäftigt habe, dass ich gehe, hat es mich im dem Moment krass umgehauen. Und gleichzeitig war da dieses Gefühl der Freiheit, das Gefühl, alles hinter mir lassen zu können – einfach mal auf reset zu drücken. Die ganze Vorbereitung der letzten elf Monate, der Stress ums Abi, Momente die schwierig waren und jetzt ist es alles geschafft. Ich könnte nicht glücklicher sein. Das was ich hier erleben darf ist so besonders, so privilegiert und so aufregend. Was ist das für eine wahnsinnige Chance?

Das ist mein erster Flug und langsam geht in Frankfurt die Sonne unter. Im Flieger sitze ich am Fenster, neben mir Thea. Ich bin super nervös. Wir rollen in der Dunkelheit auf die Startbahn. Ich nehme Theas Hand und mir wird ganz flau im Magen. Wir werden schneller, ich werde in den Sitz gedrückt. Und plötzlich heben wir ab.
Unter mir werden Frankfurts Lichter kleiner und ich drücke mein Gesicht gegen die Scheibe. Ich sehe noch, wie wir die spanische Küste erreichen und auf das Meer hinaus fliegen, dann schlafe ich ein.
Als ich aufwache sind wir schon über Brasilien und es gibt Frühstück. Nur noch zwei Stunden im Flieger. So langsam will ich einfach nur noch ankommen. Als wir Buenos Aires unter uns sehen, verschlägt es mir die Sprache. Diese riesige Stadt glitzert mich nach oben hin mit ihren Millionen Lichtern an und als wir eine Schleife fliegen, wird plötzlich alles rot und orange und ich sehe den Sonnenaufgang. Dieses Gefühl werde ich nie mehr vergessen.

Wir werden immer tiefer und es macht einen Ruck, als wir landen. Ich bin froh, heile angekommen zu sein. Vom Flughafen aus geht es für mich in eine 10er WG. Die ersten zwei Wochen steht die Capacitación an. Das ist eine Einführungszeit, in der wir ganz viele Dinge lernen, die uns während des Jahres helfen werden. Wir waren in dieser Zeit viele Stunden im Seminarraum und haben einen Sprachkurs besucht. Während der Länderkunde wurden mir ein paar Mal die Augen geöffnet und ich habe gelernt, wie wir mit verschiedenen Zielgruppen umgehen können.
An den Wochenenden haben wir einen „Salida Turistica“ gemacht – einen touristischen Spaziergang durch die Stadt. Wir haben das bekannte, bunte Viertel „La Boca“ besucht, sahen auf einer Bootsfahrt in Tigre viele bunte Häuser am Fluss, waren auf Märkten unterwegs und es wurde sich schon der erste Matebecher oder ein Armband gekauft.
Aber auch für die Vergangenheit von Argentinien wurden wir sensibilisiert. Wir besuchten die Gedenkstätte EX-Esma (das größte Haft-und Folterzentrum des Landes) und wurden über die Militärdiktatur aufgeklärt.

IERP Freiwillige 2023

Und dann waren schwupp die wupp die zwei Wochen vorbei und der nächste Abschied stand an. Jede/-r Freiwillige war nun auf dem Weg zu seiner/ihrer Einsatzstelle. Für manche für uns ging es nach Paraguay und Uruguay, die meisten blieben jedoch irgendwo in Argentinien.
Ich wohne nun mit vier anderen Freiwilligen zusammen und die ersten Tage hier wurde sich erstmal eingewöhnt und alles geputzt. Ich bin sehr glücklich, so tolle Leute meine Mitbewohner/-innen nennen zu dürfen und bin mir sicher, dass wir ein tolles Jahr zusammen verbringen werden. Es gibt ein Doppelzimmer und drei Einzelzimmer. Wir hatten zur Zeit des Einzugs einen Wasserschaden und deshalb war in meinem Zimmer noch ein Loch in der Wand zum Bad. Aber seit so ner Woche bin ich stolze Besitzerin eines Zimmers und ich fühle mich so wohl. Endlich konnte ich die ganzen Bilder aufhängen, die ich mitgenommen habe.

Ich will dir auch noch erzählen, wie meine bisherige Arbeitszeit hier war. Am ersten Tag wurden wir noch abgeholt und sind mit einer Mitarbeiterin im Bus zum Projekt gefahren.
Alle Mitarbeitenden sind super herzlich und Emma und ich wurden so lieb aufgenommen.
Zur Begrüßung gibt man sich hier einen Wangenkuss, gepaart mit einem lieben „Hola, ¿qué tal?“ oder „¿Todo bien?“. Ich wusste das vor der Ausreise gar nicht, mittlerweile finde ich es aber voll schön, sich so zu begrüßen. Das ist irgendwie so viel persönlicher und sympathischer als in Deutschland.
Die ersten beiden Arbeitswochen besuchten wir jeden Workshop im Projekt und werden bald den festen Plan erstellen, welche Kurse wir unterstützen wollen. Ich liebe es, dass wir so viel draußen mit den Jugendlichen Sport machen. Am liebsten wird hier Fußball gespielt, aber auch Volleyball ist hoch im Kurs. Das Projekt bietet Nachmittags folgende Kurse an: Sport für Kinder und Jugendliche, Theater, Nähen, Sport, Bewegung und Kochen für Senioren, einen Radiokurs, ein Kunstangebot, Tanzen usw.
Ich bin wirklich begeistert von dieser Vielfalt und habe die Kinder und Erwachsenen vor Ort schon ins Herz geschlossen. Seit ein paar Tagen habe ich sogar ein Fahrrad und kann immer damit zur Arbeit und zurück fahren. Das ist super angenehm und viel schneller als der Bus.

An den Wochenenden fahre ich gerne in die Stadt bzw. das Zentrum und schlendere über einen Markt oder durch die beeindruckenden Straßen von Buenos Aires. Was hat diese Stadt bitte für einen Charme?? Eine Mischung aus Paris, Südfrankreich und Südamerika. Die Gebäude sind ein bisschen runtergekommen, aber mit so viel Detail. Zwischen ihnen ragen riesige Hochhäuser in den Himmel. Schwarz-gelbe Taxis düsen zwischen bunten Bussen über die Straßen.
Während unserer Zeit hier fand schon die Tango-WM und ein Festival  internationaler Kulturen statt – super spannend. Dort haben Länder weltweit auf einer Bühne am Plaza de Mayo den jeweils traditionellen Tanz aufgeführt, das war super schön. Den deutschen Schuhplattler durften wir auch bestaunen…
Das war kurz ein Gefühl von Heimat, aber gleichzeitig auch super komisch in diesem Ambiente. Ich war auf einem öffentlichen Festival, in vielen Parks und auch einem Naturreservat – yay!

Am Samstag fand in meinem Projekt das „Festi Cultural“ statt. Ein Fest der Gemeinschaft und Kultur. Bunte Girlanden schmückten die Bäume, zwischen denen die „Feria“ (der Markt) aufgebaut war. Eine Bühne, mit Kreide bemalter Boden und zwischendrin so viele glückliche Menschen. Herrliche 29 Grad ließen uns gut schwitzen aber das war egal. Es gab Spiele der verschiedenen Sportgruppen, einen Freestyle Rap, eine traditionelle Band und viele ausgestellte Dinge der jeweiligen „Talleres“ (Workshops). Ja und dann gab es noch so viel Tanz. Eine professionelle Gruppe tanzte eine Form des Folklore, der „Taller de movimiento“ tanzte eine Choreographie und der „Taller de Danza“ führte einen Gato auf. Das ist ebenfalls eine Form des Folklore. Und ich Glückspilzen durfte da mittanzen. Seit zwei Wochen übten wir den Tanz ein und tanzten dann mit langen Röcken vor dem Publikum. Ich war richtig aufgeregt davor. Aber alles lief wie gewollt und ich war so glücklich, Teil von dieser Gruppe sein zu dürfen.

Mein Highlight des Abends war der offene Chakarera. Das ist ein Tanz, der im Kreis getanzt wird und alle konnten mit machen. Schon vor dem ersten Ton der Musik sah ich in die Gesichter mir gegenüber und war baff von dem Strahlen, das mir begegnete. Und dann ging’s los. Auch diesen Tanz haben wir mal geübt aber irgendwie war das alles wie ausgeblendet. Ich wurde einfach getragen von der Musik und der Bewegung der Gruppe. Ich weiß gerade gar nicht so richtig, wie ich dir dieses Gefühl beschreiben soll. Wir hielten uns an den Händen, sind im Kreis gehüpft, zusammen und wieder auseinander. Dann Richtungswechsel und durch den Tunnel aus Menschen. Alles um mich herum hab ich nicht mehr wahrgenommen. Ich weiß noch, wie ich kurz da stand, nach oben schaute und es einfach nicht fassen konnte. Ich war so angekommen, fühlte mich so verschmolzen mit allem und wollte, dass es nicht aufhört. Die Atmosphäre, die Liebe fremder Menschen, die sie einfach so nach außen tragen und alle lagen sich irgendwie in den Armen und haben gelacht. Ich hab mich gedreht und gelacht. Mehr nicht. Im Nachhinein wurde mir eins klar: Der Preis für die Schönheit des Moments ist dass er irgendwann halt vorbei geht. Dass er dich kurz mitreißt und sich danach in dein Herz schleicht. Man klingt das kitschig.

Gerade sitze in meinem Bett und entfliehe dem Regen und Wind draußen. Heute ist so ein richtig gemütlicher Tag. Es ist Ende Oktober und der Anfang des Sommers. Wie ist das wohl: Mal im Hochsommer Geburtstag haben? An Weihnachten bei 40 Grad Plätzchen backen? In kurzer Hose Silvester feiern.

Ja okay, so schnell kann gehen und schon fließen die Gedanken in die Tasten und es entsteht ein Text. Danke fürs Lesen:)

Argentinien hat mir schon jetzt gezeigt, das Große darin zu finden, die kleinsten Momente wertzuschätzen.

Nina 

EIN NEUES LEBEN

MEINE ERSTEN ZWEI MONATE

Ich bin Wenke, 18 Jahre alt, und verbringe mein freiwilliges Jahr in Mar del Plata in Argentinien.

Jetzt ist es schon über zwei Monate her, dass ich mich am Bahnhof von meiner Familie und meinen Freunden verabschiedet habe und wenige Stunden später ins Flugzeug nach Buenos Aires gestiegen bin. Ein ganzes langes Jahr lag vor mir und während andere voller Vorfreude waren und sich voller Energie austauschten, zog ich mich zunächst ein wenig zurück und fragte mich zweifelnd auf welches Abenteuer ich mich hier nur eingelassen hatte. Doch bald hatte man gar keine Zeit mehr sich Gedanken zu machen, denn am nächsten Morgen landeten wir schon in Buenos Aires. Die kommenden zwei Wochen hatten wir nochmals ein Vorbereitungsseminar mit insgesamt über 50 Freiwilligen und die Tage waren durch das Leben in einer 14er-WG, inhaltliche Einheiten, Sprachkurs und das Erkunden der Stadt zunächst sehr intensiv und überwältigend. In den letzten Tagen des Seminars freute ich mich sehr darauf endlich richtig in meinem neuen Zuhause anzukommen, alles auszupacken und auch wieder ein wenig Zeit für mich zu haben, um alles zu verarbeiten.

Ankunft in Mar del Plata

Nachdem ich mich von den anderen Freiwilligen verabschiedet hatte, stieg ich also mit Vorfreude aber auch mit einem etwas mulmigen Gefühl in den Bus nach Mar del Plata. Die Stadt liegt etwas südlich und 5 Stunden entfernt von Buenos Aires an der Atlantikküste. Auf der Fahrt versuchte ich mir vorzustellen wie wohl die nächsten Tage und Wochen aussehen würden. Ich hatte sehr Respekt vor der Tatsache, dass ich alleine wohnen werde, da ich vorher ein Leben mit drei Schwestern zuhause gewohnt war. Doch als ich dann noch zwei Wochen vor meinem Abflug erfuhr, dass meine Mitfreiwillige aus gesundheitlichen Gründen ihren Freiwilligendienst absagen muss, wurde mir erst bewusst, dass ich sowohl in meinem Projekt als auch in der Stadt die einzige Freiwillige sein werde. Ich stellte mich also auf herausfordernde und schwierige erste Wochen ein.

Doch egal wie oft man sich versucht hat die ersten Wochen auszumalen, ist man auf das was kommt dann doch nicht vorbereitet. Die vorherigen zwei Wochen beim Seminar war ich durchgängig abgelenkt und es prasselte dann alles auf einmal auf mich ein, als ich plötzlich alleine in meiner neuen Wohnung in einer fremden Stadt saß. Die kommenden Tage und Wochen versuchte ich das beste draus zu machen und mich mit Joggen, spazieren gehen oder telefonieren abzulenken. Ich lernte die Stadt besser kennen und lebte mich immer mehr ein. Ich bin unfassbar dankbar so nah am Strand zu wohnen und verbrachte viel Zeit am Strand und am Wasser. Ich freute mich aufs Projekt und erhoffte mir dadurch viel Ablenkung und Struktur in meinem Alltag. Ich arbeite im Projekt “Nuestra Senora de Lujan”, welches den Kindern aus sozial schwierigen Verhältnissen Mahlzeiten, Freizeitprogramm und Gemeinschaft bietet. Ich wurde super lieb und herzlich empfangen und fühlte mich sehr willkommen. Hermana Marta, die das Projekt super engagiert leitet, hat mir direkt gesagt, dass sie jetzt meine Oma hier in Argentinien ist und für mich da ist. Trotzdem war es super schwer für mich richtig anzukommen und mich zu engagieren, was vor allem an der doch ziemlich großen Sprachbarriere lag…

In den kommenden Wochen versuchte ich schnell meine Situation zu ändern: Ich versuchte irgendwie über einen Sprachkurs an der Uni, eine Laufgruppe und andere zufällige Bekanntschaften Freunde zu finden. Ohne andere Freiwillige war dies eine riesige Herausforderung für mich. Die Wochen waren sehr anstrengend und teilweise frustrierend, aber man merkt auch in vielen Momenten, dass sich die harte Arbeit auszahlt.

Meine ersten zwei Monate waren also von vielen Hochs und Tiefs geprägt, aus denen ich aber schon in dieser kurzen Zeit so viel mitgenommen und gelernt habe. Ich habe so hilfsbereite und herzliche Menschen kennengelernt, tolle Gespräche geführt und Argentinien bereits fest in mein Herz geschlossen. Ich habe viel über mich selbst gelernt und einmalige Erfahrungen gesammelt. Ich liebe die Stadt und bin trotz aller Anfangsschwierigkeiten sehr glücklich hier gelandet zu sein! Langsam merkt man auch sprachlich ziemlich große Fortschritte und freut sich über schwierige Situationen, die man im Alltag meistern kann. Der schwierigste und steinige Weg meiner Reise ist geschafft und ich freue mich auf die nächsten Wochen und vor allem auf den kommenden Sommer!!

Die Eingewöhnung hört auf und das Leben fängt an

Freundschaften intensiveren

Mein Oktober ging auch genau so schön weiter, wie er angefangen hat. Mit einer großen Menge Glück habe ich Emile kennengelernt. Emile ist ein Deutscher der 2019 ein Austauschjahr in Crespo gemacht hat und dieses Jahr wieder gekommen ist, um Argentinien richtig zu bereisen. Wir sind zusammen nach Santa Fe gefahren, eine noch größere Stadt die direkt auf der anderen Seite des Rio Paraná liegt, und haben dort mein erstes langes Wochenende verbracht.

Durch ihn habe ich auch meine besten Freunde hier getroffen und neue Freundeskreise aufgebaut. Ein Gruppe von wirklich wundervollen Menschen, die nicht nur die Ruhe hatten mir die Sprache beizubringen und mich in die Kultur zu integrieren. Sondern sich auch für mich als Person interessieren und nicht nur weil ich aus einem anderen Land komme. Dadurch habe ich Nächte lang mit meinen Freunden über Gott und die Welt philosophiert. Obwohl manchmal ganzschön solche Themen mit Händen und Füßen zu behandeln.

Familien Fest & die Totenhosen

Der Großteil meines Oktobers verlief ziemlich ruhig. Ich habe mich auf der Arbeit immer mehr eingewöhnt ,außerdem die Stadt und das Leben was ich führe schätzen wie lieben gelernt. Doch es gab auch 2 Ereignisse die mich fasziniert haben. Zu erst das Fets zum Dia de Familia (Tag der Familie). Ich hab in Vorbereitung extra deutsche Brötchen gebacken, um auch mein Teil dazu beizutragen. Zu erst waren sie für die Kinder geplant. jedoch wollten die lieber die Süßigkeiten, wodurch die Brötchen dann für die Erwachsenen waren. Anstatt wie regulär zur Arbeit zu gehen, wurde für dem Tag extra ein Spielplatz gebucht. Für mich war es aber besonders spannend auch mal die ganzen Eltern der Kinder kennenzulernen. Um auch Gesichter zu den Kindern zu haben. Es wurde sehr viel gespielt, getanzt, geschnackt und Mate getrunken

Das zweite Event war ein Totenhosen Konzert in Buenos Aires. Ich dachte mir die ganze Zeit „Das darf ich nicht verpassen!“. Also habe am Wochenende eine 7 Stunden hin und Rückfahrt auf mich genommen, um diese Konzert mit zu erleben. Es war einer der interesanntesten Konzerte auf denen ich seit langem war. Mir hat es sehr gefallen und die Stimmung war klasse, jedoch gab es einen Faktor der mir irgendwie seltsam vorkam. Alle um mich herum sprachen auf einmal Deutsch. Ich habe ja schon mit einigen deutschen Fans gerechnet, mich eingeschlossen, aber 80-90% der Konzertbesucher sprachen deutsch. Ich habe mich im Anschluss mit einigen unterhalten und zu meinem Erstaunen sind viele tatsächlich nur für dieses Konzert von Deutschland nach Argentinien gereist.

Arbeit Arbeit

Mein November hingegen sowohl erfolgreich wie anstrengend. Am 09.11.2022 kam Ana einer der Koordinatorinnen der IERP vorbei, um sich meine Arbeitssituation anzugucken. Ich habe mich sehr gefreut, da ich das gefühl hatte etwas auf der Stelle zu treten und nicht vernünftig kommunizieren zu können was ich brauche. Nach einem langen Gespräch und einen tollen und aufschlussreichem Essen mit Ana und meiner Chefin, wurden aber alle Zweifel beseitigt. Wir haben zusammen eine bessere Arbeitstruktur entwickelt und ich war viel Motivierter, als sowieso schon.

Der anstrengende Teil war dann die Vorbereitung auf das Abschluss Fest Am 07.12.2022. Wo die größten unserer Kinder (4 Jahre) entlassen werden, damit sie nach den Ferien zur Schule gehen. Es ist das größte Fest meiner Arbeit und dementsprechend war die Stimmung zwar nicht angespannt, aber es konnte auch keine Zeit verloren werden. Ich hab dann den kompletten November damit verbracht das Eingangstor zu streichen und meine Kolleginen zu helfen. Dieses Eingangstor war jedoch mein größter Feind.

Nicht nur war es unglaublich anstrengend bei durchschnittlich 35° zu streichen und das jeden Tag (auch am Wochenende) sondern hat es auch kein Ende gefunden. Ich habe Stunden damit verbracht die einzelnen Seiten und Zwischenräume zu streichen, dennoch war kein Ende in Sicht. Als es dann Soweit war und ich kurz davor war Fertig zu werden, ist mir 2 Stunden vor dem Fest der Farbeimer runtergefallen. Nicht nur war es eine doofe Arbeit das weg zu machen dazu kam, dass ich keine Farbe mehr hatte und das Tor nicht rechtzeitig fertig wurde. Das war ein sehr Frustrierender Moment für mich.

Das Ende und das Neue Kapitel

Das Abschlussfest war trotz, oder vielleicht sogar durch die intensive Zeit davor, um so schöner. Alle Eltern und Kinder, sowie der große Teil deren Familie kam, um sich die Show anzugucken die Vorbereitet wurde. Es gab die 4 Gruppen der 4 Altersstufen, welche jeweils einen Auftritt geplant haben. Es wurde viel getanzt gelacht und ein paar Geschichten erzählt. Danach bekamen die 4 jährigen ihre Urkunden und es wurden tausende Fotos gemacht. Ganz zum Abschluss kam sogar noch Papa Noel (Weihnachtsmann) und hat den Kindern kleine Geschenke gegeben. Die Stimmung war Großartig und alle haben gelacht. Das war einer der schönsten Feste die ich bis dahin erleben durfte.

Nach der Feier, als alles abgebaut wurde, habe ich mich schon auf den Weg gemacht. Denn es war endlich soweit! Durch einige weiter Verzögerungen kam Matthis dann am 07.12.2022 in Paraná an. Meine Chefin und ich haben ihn vom Busbahnhof abgeholt und er wurde auf der Arbeit gebührend empfangen. Da es schon spät war war der Empfang dementsprechend kurz. Seit dem habe ich einen neuen Mitfreiwilligen und Mitbewohner und bin sehr gespannt auf das gemeinsame Leben.

Update Wohnsituation & Arbeit im Projekt

Es ist wieder soweit: nach langer Zeit gibt es ein Update aus meinem Leben hier in Buenos Aires!

Die neue Wohnsituation

Nach zweieinhalb Monaten, Anfang November, bin ich endlich aus der Esmeralda-WG ausgezogen, und überraschenderweise und anders als geplant, ganz alleine. Der Freiwilligendienst nimmt für mich nun eine ganz neue Form an und es hat sich dadurch Einiges verändert, im positiven Sinne. Der Weg ins Projekt ist jetzt kürzer (sollte er zumindest eigentlich sein, aber die Züge fahren sehr unregelmäßig aus mehreren Gründen, das wird sich hoffentlich alles einpendeln), ich wohne jetzt nicht mehr in Capital Federal, sondern in der Provinz Buenos Aires in Ezpeleta, und hier ist alles viel ruhiger, vor allem, da hier viel weniger Verkehr und Menschen auf der Straße sind und das einzige, was man ab und zu hört, sind vereinzele Autos oder das verstummte Bellen eines Hundes in der Ferne – ich fühle mich viel wohler damit und habe nicht mehr das Gefühl, vom Großstadtleben „erdrückt“ zu werden. Außerdem komme ich – bis jetzt zumindest – sehr gut damit klar, alleine zu leben. Ich hatte anfangs zwar die Bedenken, mich alleine zu fühlen. Das Schöne ist, dass ich jetzt auch sehr herzliche liebe argentinische Nachbarn habe. Zwei Tage nach dem Einzug wurde ich direkt zum Essen eingeladen, es war ein richtig schöner Abend, und am Tag darauf wieder, und wieder, und wieder –und in den erste zwei Wochen musste ich mir nur einmal selbst Essen zubereiten, weil wir entweder immer gemeinsam kochen oder mir meine KollegInnen aus dem Projekt etwas für zuhause mitgeben, daran habe ich mich viel zu schnell gewöhnt ;).

Meine Nachbarn und ich verstehen uns wirklich sehr gut und verbringen dementsprechend auch viel Zeit miteinander, essen zusammen Abendessen, tauschen Musik aus, unterhalten uns und lachen gemeinsam und merken dann plötzlich, es sind schon fünf Uhr morgens, die Zeit vergeht wie im Fluge! Oder es klopft jemand am Fenster und ruft: „Sophi, komm rüber, lass uns zusammen Mate trinken!“. Ich bin super glücklich hier und dankbar dafür, so liebe Menschen so nah um mich herum zu haben. Außerdem ist es genau das, was ich mir die ganze Zeit gewünscht habe, nicht nur in der deutschen Blase gefangen zu sein, sondern die Menschen hier vor Ort kennenzulernen, Zeit zu verbringen und sich auszutauschen.

Außerdem möchte ich nochmal erwähnen, dass es anfangs und ab und zu weiterhin große Spannungen zwischen mir und meiner Freiwilligen gab, und das hat mich, zusammen im Allgemeinen mit der vorherigen Wohnsitation, in den ersten Wochen ziemlich belastet. Zum einen, weil wir sehr unterschiedliche Menschen sind und, zum anderen, weil es schwer sein kann, sich sowohl Zuhause als auch im Projekt den ganzen Tag gegenüber zu stehen, vor allem in der Eingewöhnungsphase. Über die Zeit haben wir beide gelernt, uns Freiräume zu schaffen und so mehr Abstand zueinander aufgebaut. Auch auf Arbeit hat es sich gebessert, da wir beide jetzt verschiedenen Bereichen zugeteilt sind, ich mit den Kindern und meine Mitfreiwillige mit den Jugendlichen arbeitet, und, für meinen Teil habe ich auch so die Möglichkeit bekommen, mich nochmal besser als Individuum zu zeigen. Jetzt ist deutlich weniger Spannung zwischen uns und auch der Abstand größer, was uns beiden bisher und in Blick auf die folgende Zeit des FWD gut tun wird.

Schwierige Situationen im Projekt

Nun zur Arbeit im Projekt: das muss ich einfach nochmal loswerden, es gefällt mir hier nach wie vor super! Und fast jeden Tag komme ich von der Arbeit mit einem Lächeln im Gesicht nach Hause, und abends vor dem Schlafengehen denke ich nochmal nach über all die schönen Geschehnisse und Begegnungen, die lustigen Momente und das laute Gelächter, die warmen und herzlichen Umarmungen der Kinder und meiner KollegInnen. Es gibt aber auch die Tage, an denen denkt man schon noch länger über die Geschichten der Kinder und Jugendlichen aus ihrem Alltag nach, was bei ihnen zuhause und auch außerhalb abgeht. Die TeilnehmerInnen im Projekt kommen aus teils sehr schwierigen Verhältnissen, geprägt von Missbrauch und Gewalt. Manchmal fällt es mir schwer, mich davon ausreichend zu distanzieren, die Geschichten der TeilnehmerInnen sind oft so überwältigend, dass ich mich im Gespräch sehr zusammenreißen muss, auch im Nachhinein beschäftigen sie mich. Ich bin dankbar dafür, zu einigen der Kinder und Jugendlichen nach kurzer Zeit schon dieses Vertrauen aufgebaut zu haben und dass auch ich, neben meinen KollegInnen, als Ansprech- und Vertrauensperson gesehen werde. Dennoch sind und bleiben es Gespräche, die mich als Freiwillige manchmal überwältigen, Gespräche, die viel Einfühlungsvermögen und Sensibilität verlangen. Man muss gar nicht immer danach suchen, das Richtige zu sagen, es reicht aus, dem Gegenüber ein offenes Ohr zu bieten und zuzuhören. Mir hilft es immer, mich im Nachhinein mit meinen KollegInnen darüber auszutauschen, auf diese kann ich mich immer verlassen, ich gebe die im Gespräch an die Oberfläche gekommenen Umstände der Kinder und Jugendlichen an sie weiter und in dynamischer Zusammenarbeit, auch mit anderen Institutionen wie beispielsweise den Schulen, dem Gesundheitszentrum (PsychologInnen) und den betroffenen Familien, wird dann nach Lösungen und möglichen Auswegen für die Kinder und Jugendlichen aus diesen schwierigen Situationen gesucht.

Un abrazo, Sophi

¡Bienvenidxs a Argentina!

Voller Vorfreude und gleichzeitig mit Tränen in den Augen winke ich meinen Eltern aus der Sicherheitskontrolle am Hamburger Flughafen ein letztes Mal zu, und blicke nun neugierig und vielleicht auch etwas unsicher auf den bevorstehenden Freiwilligendienst, auf all das, was mich in Buenos Aires, in Argentinien, auf diesem fremden Kontinent, erwarten sollte. Jetzt sitze ich hier in meinem WG-Zimmer und selbstverständlich mit meinem Mate, mitten im Zentrum von Buenos Aires, und plötzlich wird mir bewusst, es sind schon zweieinhalb Monate vergangen, die Zeit vergeht so unfassbar schnell… Zeit für meinen ersten Blogeintrag!

Aber spulen wir nochmal etwas zurück an den Anfang:
Am Flughafen in Buenos Aires angekommen wurden wir, die anderen Argentinien-, Paraguay- und Uruguayfreiwilligen und ich, herzlich empfangen von der Partnerorganisation Iglesia Evangélica del Río de la Plata, kurz IERP.
Während der Fahrt vom Flughafen in unsere erste Unterkunft ist mir als erstes ein großer Kontrast in Bezug auf die Wohnhäuser und Gebäude, die Landschaft aufgefallen, die ganze Stadt ist in Cuadras aufgebaut, es hat sich so schnell verändert, um die Extreme zu benennen, auf der einen Seite riesige luxuriöse Gebäude (im Zentrum vor allem in europäischem Baustil), auf der anderen ganz eng an- und übereinandergebaute Häuser, einfache Betonbauten, teilweise ohne eingebaute Fenster – das sind jetzt wirklich die Extreme!! – ganz anders als das, was man in Deutschland in Bezug auf die Landschaft gewohnt ist. Dieser Kontrast zieht sich durch die ganze Stadt – eine riesige Stadt, wobei die ganze Provinz Bs.As. der Fläche Deutschlands gleicht – ich war mir dessen zwar irgendwo bewusst, das dachte ich zumindest, aber diese neue Umgebung dann in Echt zu sehen, war doch überwältigend.

Das Einführungsseminar – die Capacitación

Die ersten beiden Wochen Seminar, Capacitación genannt, mit den bis zu 60 anderen Freiwilligen aus den verschiedensten Organisationen waren ziemlich aufregend und anstrengend. Untergebracht war ich in der Esmeralda, einem evangelischen Gemeindehaus direkt im Zentrum von Buenos Aires, insgesamt waren wir 18 Freiwillige und mit sechs habe ich mir das Zimmer geteilt. Das war richtig cool und echt chaotisch, aber vor allem eine super Gelegenheit, meine Mitfreiwilligen besser kennenzulernen und erste neue Freundschaften zu knüpfen.
Während des Seminars haben wir uns mit vielen wichtigen Themen bezüglich des Freiwilligendienstes auseinandergesetzt und sehr viel Input bekommen, eine Einführung ins argentinische Castellano, aber auch gemeinsam gekocht, Folklore getanzt, Macramé (Knüpftechnik Armbänder) gemacht und viele schöne Ausflüge unternommen.
Abgerundet haben wir alles mit einem argentinischen Grillfest, Asado genannt – insgesamt war die Capacitación eine schöne Zeit, vor allem, weil so viele verschiedene Leute aus ganz Deutschland nun auf einem Haufen waren, und es konnten erste neue Freundschaften geschlossen werden.
Geschafft! Die Capacitación ist beendet, jetzt heißt es erstmal Abschiednehmen, teils sogar bis zum Zwischenseminar, denn jetzt begeben sich alle auf die Reise in ihre Einsatzorte, ziehen in ihre ersten richtigen Wohnungen – nur wir drei, meine MitbewohnerInnen und ich, hatten für die ersten zweieinhalb Monate immer noch keine Wohnung für danach – und so bleiben wir für die erste Zeit noch hier in der Esmeralda, mitten im Zentrum, Capital. Zugegeben, am Anfang tat ich mich damit schwer, einfach weil man nicht weiß, wie lange man bleibt und es schwierig ist, mit vorher zwölf und jetzt noch neun anfangs fremden, so unterschiedlichen Menschen zusammenzuleben, keiner seinen Kram wegräumen oder Geschirr spülen will, und sich dann gleichzeitig zu Hause zu fühlen… Und ich will nicht lügen, es war und ist nicht immer einfach. Aber, wie das ZMÖ immer so schön sagt: nur sprechenden Menschen kann geholfen werden! Und nach einigen langen WG-Sitzungen pendelt sich alles immer besser ein und man freut sich, abends von der Arbeit im Projekt (da gehe ich gleich drauf ein) nach Hause zu kommen, denn es gibt immer jemanden, der fragt, wie der Arbeitstag war, und dann werden bis spät in die Nacht die alltäglichen Geschichten geteilt und manchmal sogar noch die Kartenspiele rausgeholt…

Das Leben in Capital Federal

In Capital ist immer was los, viel Verkehr, viele Menschen, Großstadtleben halt, ein riesen Kontrast zu meinem kleinen Flensburg. Mittlerweile gewöhne ich mich immer mehr daran und beginne fast, es zu mögen. Kulturell und historisch gesehen ist es eine super interessante Stadt und hier zu wohnen eine große Chance, mehr darüber zu erfahren. Und gerade weil hier immer was los ist, kann man auch an Vielem teilnehmen. Es gibt zahlreiche Events und Feste, letzten Monat bspw. die große Asado-Grillmeisterschaft vor dem Obelisco, der weniger als fünf Minuten von meiner jetzigen Wohnung entfernt ist, dann ein kostenloses Mozartkonzert, das Festival de Colectividades, an dem mehr als 50 verschiedene Kulturen anwesend waren auf der Avenida de Mayo bis hin zur Plaza de Mayo (dort wo das Regierungsgebäude des Präsidenten= Casa Rosada steht, und die große Catedral Metropolitana, in der vorher Papst Franziskus tätig war), oder das Festival Mundial de Tango. Auf jeden Fall erlebe ich hier ordentlich was!
Gerade weil ich so zentral gelegen bin, komme ich von hier aus überall hin mit Bus und U-Bahn, der Subte. Für mich als privilegierte deutsche Freiwillige, anders als für die Menschen hier, im Vergleich zu Deutschland billig, eine Fahrt kostete anfangs 30, jetzt nach gerade mal einem Monat 42 Pesos, das sind umgerechnet mit dem guten Kurs ca. 14 Cent – ich will nicht abschweifen, aber um es trotzdem einmal anzuschneiden: die Preise steigen, die Inflation von jetzt über wahnsinnigen 80 Prozent schießt weiter in die Höhe und wird bis Ende des Jahres auf 100 Prozent geschätzt… das war nur ein Beispiel, auch beim Einkaufen im Supermarkt fällt es auf bei alltäglichen Produkten wie bspw. Milch oder Eiern. Für mich als privilegierte Deutsche macht es keinen gravierenden Unterschied – für die Menschen, die hier Leben und arbeiten, sind die instabile Wirtschaft und damit auch argentinischer Peso ein großes Problem, denn auch, wenn die Preise im Supermarkt und auch überall sonst steigen, heißt das nicht, dass das Gehalt sich anpasst.

Mein Projekt – La Casona

Natürlich bin ich nicht nur zum Sightseeing und Urlaub hier. Direkt nach dem Seminar habe ich mein Projekt kennengelernt, und es war super schön! Am ersten Tag haben die Kinder für uns gesungen und auch die KollegInnen waren und sind super herzlich zu mir und meiner Mitfreiwilligen. Aber was genau ist mein Projekt?
Mein Projekt nennt sich La Casona und liegt im einkommensschwächeren Stadtteil Florencio Varela, im Süden der Provinz Buenos Aires. Grob gefasst fungiert das evangelische Gemeinde- und Tageszentrum als Tagesbetreuung und bietet die verschiedensten Freizeitmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche an.
Um die Einrichtung von Außen besser zu beschreiben, die Wände hier sind alle bunt bemalt, dabei steht jedes Bild für etwas Bestimmtes oder erzählt seine ganz eigene Geschichte. Es gibt so viele verschiedene Aktivitäten und talleres = Workshops, an denen die verschiedenen Altersgruppen, die Kinder, die Jugendlichen und auch eine Erwachsenengruppe, tagsüber teilnehmen.


Zum einen hat die Casona eine sehr moderne Bäckerei, in der der taller de pana = Bäckerei-Workshop stattfindet. Hier werden die verschiedensten Sachen gebacken und ausprobiert, Kekse, Chipá, Tortillas… für meine KollegInnen hat der Workshop eine besondere Bedeutung: die Kinder und Jugendlichen lernen, selbst etwas zu schaffen, gerade, weil sie teils aus auch sozial sehr schwierigen Verhältnissen kommen, und die Eltern nicht immer die unterstützende stärkende Rolle übernehmen – ein Brot mit ihren eigenen Händen zu schaffen, so lernen sie auf diese wunderbare Art und Weise, dass sie durchaus fähig sind, selbst etwas zu schaffen und ihren eigenen Wert zu erkennen. Im Anschluss dürfen sich die TeilnhmerInnen dann auch immer etwas davon nach Hause mitnehmen, und manchmal bleibt auch etwas für meine KollegInnen und mich übrig ;).


Ein weiteres Angebot für die Jugendlichen ist der Taller de cine= Kino- bzw. Filmworkshop, bei dem die TeilnehmerInnen an den verschiedensten Themen arbeiten und anschließend selbstständig Kurzfilme produzieren. Aktuell arbeitet die Gruppe beispielsweise an einem Kurzfilm über die Militärdiktatur zw. 1976 u. 1983. Bis heute spielt diese Zeit für die Gesellschaft hier eine große Rolle, eine Zeit, in der viele Menschen, auch Kinder, verschwunden und teils nie wieder aufgetaucht sind, bis heute geht die Suche weiter, und die 1977 während der Diktatur entstandene Bewegung „Madres de Plaza de Mayo“, übersetzt „Mütter der Plaza de Mayo“ existiert bis heute und jeden Donnerstag versammelten und versammeln sich Mütter bzw. die abuelas = Omas auf der Plaza de Mayo.


Die Casona ist zudem eine Institution der IERP = Iglesia Evangélica del Río de La Plata und besitzt auch eine „Multifunktionskirche“, diese wird für die verschiedensten Dinge wie zum Beispiel auch für die Workshops genutzt und es gibt auch eine sehr herzliche und supercoole Pastorin, die einige Aktivitäten begleitet und so kommen die Kinder auf eine spielerische Art und Weise in Berührung mit dem christlichen Glauben.

Der taller de huerta = Beet-/Gartenworkshop ist das neuste Projekt der Einrichtung und mein persönliches Highlight im Projekt ;). Hier lernen die Kinder und Jugendlichen nicht nur, ähnlich wie beim Bäckereiworkshop, dass sie mit ihren Händen selber etwas schaffen können, sondern auch, wie wichtig die Erde, die Natur für uns alle ist, dass wir mit ihr im ständigen Einklang stehen und auch eine neue Wahrnehmung dieser, einen aufmerksameren Umgang. Wir haben gemeinsam einen Kompost gebaut und diesen bemalt, es wird fleißig geschaufelt, gemeinsam geplanzt und stetig begossen. Es ist richtig schön immer wieder zu sehen, wie sehr es den Kindern Spaß macht und wie sehr sie, vor allem bei den kleinen Aufgaben aufgehen! Ich persönlich finde genau dieses Angebot super, gerade, weil für mich die Natur um mich herum immer sehr wichtig war und ist, dieser Workshop gibt mir die Möglichkeit, trotz dem anfangs fordernden Großstadtleben etwas heraus zu kommen und wieder innere Ruhe zu finden – die Casona ist wirklich ein besonderer Ort.

Mein Arbeitstag

Jeden Tag kommen verschiedene Gruppen zu verschiedenen Zeiten, von 10-12 Uhr morgens die erste Gruppe mit Kindern im Alter von sechs bis elf Jahren, das nennt sich turno manana, das sind die Kinder, die nachmittags die Schule besuchen. In dieser Zeit bereiten meine KollegInnen beziehungsweise ich ein kleines Frühstück für die Kinder vor, das sind dann meistens Kekse, Brotstücke oder das, was die TeilnehmerInnen vorher in der Bäckerei gebacken haben und was gerade so da ist. Dazu gibt es dann zum Trinken eine Auswahl zwischen einer Tasse Tee, chocolatada = Kakao oder mate cocido = Mate im Teebeutel – hierzu möchte ich sagen, dass es mich am Anfang wirklich sehr schockiert hat, wie viel Zucker jeweils in die Getränke reinkommen und generell wie viel Zucker die Kinder im Projekt konsumieren. Für sie ist es hier normal, mehrere Löffel Zucker in die Tasse Tee und sogar in die Chocolatada zu fügen, und mittlerweile habe ich mich auch daran gewöhnt, aber zu Beginn war für mich alles schon ziemlich süß. Aber zurück zum Ablauf: Vor dem Essen wird immer gesungen, entweder „Badabadam“ oder der „rap de la bendición“, um das gemeinsame Essen zu segnen und dafür zu danken – das finde ich immer besonders schön. Jetzt fassen wir uns alle an die Hände und sagen “¡Buen pro-ve-cho!“ = Guten Apetit!
Nach dem gemeinsamen Fühstück kommen entweder talleristas, die mit den Kindern verschiedene Aktivitäten durchführen wie zum Beispiel Malen, Tanzen, Basteln und noch viel mehr, oder die BetreuerInnen und ich denken uns spontan etwas aus und im Anschluss bleibt immer genug Zeit zum Spielen, drinnen und draußen.
Nun folgen zwei Stunden Pause, in dieser Zeit gehe ich meistens einkaufen oder esse etwas gemeinsam mit meinen KollegInnen. Pause vorbei, jetzt beginnt für mich der turno tarde von 14-17 Uhr, da kommen dann die Kinder, die morgens in der Schule sind, das kann man hier in Argentinien nämlich frei entscheiden. Im Prinzip sind der turno manana und turno tarde relativ gleich aufgebaut, nur, dass letzteres eine Stunde länger geht und andere KollegInnen und Talleristas vorbeikommen. Parallel zur Kindergruppe kommen an manchen Tagen in dieser Zeit auch Jugendliche im Alter von 12 bis 16 bzw. 16 bis aufwärts, diese nehmen dann auch an Workshops teil.
Nach diesen beiden Gruppen endet für mich der Arbeitstag. Meine Mitfreiwillige, die in Adolescentes, also bei den Jugendlichen, eingeteilt ist, bleibt an wenigen Tagen länger und begleitet noch einen letzten Workshop mit entweder älteren Jugendlichen, oder jeden Dienstag Abend mit einer bunt gemischten Gruppe mit jüngeren Erwachsenen.
Am wichtigsten ist es allerdings, nochmal zu erwähnen, was für tolle und liebe Menschen es hier im Projekt gibt!! Von Anfang an geben sich wirklich alle MitarbeiterInnen mit meiner Mitfreiwilligen und mir sehr viel Mühe und versuchen, uns an allem teilhaben zu lassen und ich fühle mich richtig wohl und gut aufgehoben. Es gibt immer ein offenes Ohr und das Umfeld ist sehr familiär und der Umgang miteinander super herzlich – ich weiß jetzt schon, wie sehr mir die Herzlichkeit zurück in Deutschland fehlen wird. Die Casona ist, einfach durch die Menschen, ein so besonderer Ort, es ist eine kleine Familie, und ich bin dankbar, ein Teil davon sein zu dürfen. Dankeschön.

😉

Der Anfang einer schönen Reise

Am 11.08 war es endlich soweit, nach fast 2 Jahren warten und einem 17 Stunden Flug, hieß es „Bienvenidos en Argentina“ (Herzlich willkommen in Argentinien). Meine Mitfrewilligen und ich wurden von Rosi, eine der Leiterinnen unserer Partnerorganisation in Argentnien, abgeholt. Als wir den Flughafen verließen wurde ich gleich positiv überrascht, so viel Sonne und das im Winter. Die große Truppe von Freiwilligen aus verschiedenen Organisationen, wurde erstmal mit einem Bus, in verschiedene WG’s aufgeteilt. Dabei hatte ich das Glück in die Esmeralda WG zu kommen, meiner Meinung nach zwar die größte, aber auch die beste WG. Während der Fahrt habe ich auch den ersten Eindruck von Buenos Aires bekommen, ich habe mich gefühlt, als wäre ich in Newyork angekommen. Zumindest würde ich mir so Newyork vorstellen, eine Megametropole wie keine Zweite.

Der Innenhof der Esmeralda WG

Die Capacitation

Die Sachen abgelegt und wirklich in Buenos Aires angekommen, hieß es für mich erstmal schlafen. Denn nun lagen 2 Wochen Seminar ,mit 58 anderen vor mir und wie ich mich darauf gefreut habe, ist unvorstellbar! Das Seminar wurde von der IERP geleitet, IERP steht für die “ Evangelische Kirche des Rio de la Plata“ und ist eine Gemeinschaft von verschiedenen Kirchen, wie Kirchenkreisen aus Argentnien, Uruguay und Paraguay. Die IERP unterstützt nicht nur die verschiedenen Projekte der Kirchen im generellen, sondern bietet auch die Freiwilligenprogramme an und koordiniert diese.

In den 2 Wochen Seminar konnte ich nicht nur meine ersten Eindrücken über Agrentinien gewinnen, sondern auch viel lernen. Wir hatten neben dem täglichen Spracheinführungskurs auch verschiedenste Seminarblöcke zu Themen wie Kultur, Historie, Sicherheit, Essen und wie wir uns auf die Arbeit mit den verschiedenen Zeilgruppen (Kindergarten, Schule, Altersheim oder Kirche) verhalten können/sollten. Außerdem habe ich diese sehr intensive Zeit genutzt, um neue Freundschaften zu schließen. Da sehr viele Menschen mit dem gleichen Mindset aufeinandertreffen, ist es daher einfacher ist mit diesen schneller auf eine Smypathieebene zu gelangen. Zusätzlich gab es auch wirklich schöne Wochenendsasuflüge, als Beispiel sind wir nach Tigre gefahren, um uns den Markt anzugucken. Dort habe ich auch meine ersten Sachen für Mate gekauft. Außerdem habe ich im Seminar nicht nur deutsche Freunde, sondern auch meine ersten argentinischen Freunde kennengelernt. Wir wurden nämlich das ganze Seminar über von den „Permanentes“ unterstützt, das sind ehemalige Freiwillige aus Argentnien die in Deutschalnd waren. Auch nachdem ich aus Buenos Aires, in meine Einsatzstelle gefahren bin ,stehe ich noch im sehr guten Kontakt zu ihnen.

Meine Einsatzstelle

Am 24.08 fuhr ich dann in meine Einsastzstelle, nach 7 Stunden im Reisebus bin ich Mittwoch Nachts, in Parana angekommen. Ich wurde von Mirta ,Meiner Chefin Vorort und Juan, meinem Ansprechpartner für alles vom Busbahnhof abgeholt und in meine Wohnung gefahren. Praktischer Weise lebe ich direkt über meiner Einsatzsetlle, wodurch sich mein Arbeitsweg auf nur 2 Minuten die Treppe runter beschränkt. Als ich dann in meinem Zimmer angekommen war konnte ich es kaum glauben. Wie ein Schlag ins Gesicht, aber mit einer lieblichen Note, traf mich die Realität. „Endlich bin ich angekommen“, „Nach so langem Warten“ all solche Gedanken schossen durch meinen Kopf und ich konnte auch meine Freudentränen nicht mehr zurückhalten.

Mein Zimmer

Am nächsten Tag begann dann auch mein erster Arbeistag. Ich konnte mir alles in Ruhe anschauen, meine Kolleginnen und den Tagesablauf kennenlernen. Der Kindergarten fängt um 7 Uhr morgens an und hat eine Bringzeit, Frühstück, Lernzeit, Mittagessen und un 13 Uhr schließt der Kindergarten. Es sind insgesamt 33 Kinder, 4 Erzieherinnen und 2 Hauswitschaftskräft (mich eingeschlossen). Meine Aufgaben waren vorallem zum Anfang erstmal beobachten, Fegen oder beim servieren der Mahlzeiten helfen. Durch die Sprachbarriere ist die Kommunikation sehr wortkarg gewesen, aber man konnte sich verständigenund und alles hat funktioniert.

Der holprige Start

Leider war das nicht so bei meinem ersten Versuch alleine einzukaufen. Vor lauter Aufregung habe ich wirklich jedes einzelne Wort spanisch, was ich bis dahin konnte, vergessen und war dadurch noch nervöser. Als ich dann an der Kasse stand, hatte ich leider verloren, da ich etwas gefragt wurde obwohl ich gebetet habe ,ohne Konversation aus dem Laden gehen zu können. Als die Kassiererin realisiert hatte das ich nichts verstand, fragte sie eine Kollegin um Hilfe. Diese sprach mich dann 5 Minuten auf spanisch an, bis sie auch realisierte, dass ich nichts verstehe und rief eine andere Kollegin. Dieses Spiel zog sich fort bis am Ende 5 Mitarbeiter*innen vor mir standen und auf mich einreden. Dieses Erlebnis hat mein Selbstbewusstsein soweit angekratzt, dass ich die ersten 2 Wochen mich kaum getraut habe zu sprechen. Was rückblickend ein Fehler war, da ich mir nur selber Zeit gestohlen hatte.

Jedoch konnte das alles durch viele schöne Momente wieder ausgeglichen werden. Ich wurde an meinem ersten Wochende von einer Permanentes nach Crespo eingeladen, eine kleine Stadt in der Nähe von Parana. Sie hat mir mit ihrem Freund zusammen die Stadt gezeigt und wir haben im Park Mate getrunken. Am nächsten Tag haben wir uns eine Oldtimer Austellung angeguckt und anschließend im Park Asado gegessen. Asado ist ein Typisch argentinisches Grillfest in dem unmengen an Fleisch vertiglt wird, dazu kann ich jetzt bestätigen, dass das argentinische Kuhfleisch unglaublich lecker ist.

Über den Dächern von Parana

Während ich meinen Platz in meiner Arbeit und meine dazugehörigen Aufgaben immer mehr gefunden und kennengelernt habe. Habe ich auch angefangen hier meine ersten Freundschaften in Parana zu schließen. Als mich eine Freiwillige aus Buenos Aires am Wochenende besuchen kam, haben wir uns mit einer Cousine, ihrer Kollegin getroffen. Durch die Cousine konnte ich viele verschiedene Menschen kennenlernen, vorallem Studenten in meinem Alter (20-25). Ich stehe im guten Kontakt mit allen und wir treffen uns Regelmäßig zum Mate trinken und entspannen. Außerdem habe ich jetzt schon meinen Lieblingsort gefunden, da eine Frundin von mir eine Dachtarasse mit einem atemberaubenden Ausblick hat. Es ist egal ob zum Sonnenaufgang, Mittags oder Sonnenuntergang, es bleibt einfach nur ein faszinierender Anblick.

Zum Ende habe ich noch eine neue Nachricht bekommen. Ich sollte eigentlich alleine in meiner Einsatzsetlle sein, jedoch bekomme ich zum 25.11 einen neuen Mitfreiwilligen. Matthis ein freund vom ZMÖ, mit dem ich schon auf dem Seminar in deutschlad ein Zimmer geteilt habe. Ich bin schon in den Vorbereitungen ihm voller Vorfreude willkommen zu heißen. Ich bin weiterhin gespannt was dieses Land, meine Arbeit und meine Freunde für mich bereithalten und kann es kaum erwarten noch mehr zu erleben!

Ausblick der Dachtarasse
Sonnenuntergang:)

6.Monate

Hola!

Es ist wieder Zeit ein Quartalsbericht zu schreiben. Klar wollte ich euch alle erzählen und berichten, was in den vergangenen Monaten so passiert ist. Doch ich habe mir in letzter Zeit auch über andere Themen Gedanken gemacht. Doch ich erzähl euch mal, was so auf der anderen Seite der Welt so passiert ist.

Textfeld: Purmamarca
El Chalten
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Purmamarca

Im letzten Bericht, habe ich glaube ich bei Dezember aufgehört zu zuschreiben. Auf jeden Fall habe ich Weihnachten mit meinen Quilmes-Mitfreiwilligen verbracht. Das erste warme Weihnachten war sehr süß und wurde klein und besinnlich gehalten, was für mich anders war, als andere Weihnachten die ich erlebt habe. Direkt nach Weihnachten hatte ich noch paar Arbeitstage und dann stand schon der Urlaub vor der Tür. 1 Monat Reisen durch ganz Argentinien, das war auch mal ein Erlebnis und viel rumgekommen bin ich auch. Vom Norden bis zum Süden habe ich ein paar Städte abgeklappert. Um euch ein paar Städte mal zu nennen, damit ihr mal so hört, wo ich so war; Purmamarca, Jujuy, Salta, Mar del Plata, Tandil, Calafate und El Chalten. Nach dem Urlaub und einem kurzen Zwischenhalt Zuhause ging es auch schon auf das Zwischenseminar. Dort habe ich realisiert, dass 6 Monate schon rum sind und das bedeutet, dass die Zeit so schnell an mir vorbei gerast ist, dass ich nicht mal gemerkt habe, dass mir nur noch ein halbes Jahr bleibt. Auf dem Zwischenseminar war es schön die Leute wiederzusehen und auch mit Leuten Kontakt zu knüpfen, mit denen man in den vergangenen Monaten nicht so viel gemacht hat. Auf dem Seminar haben wir verschiedene Thematiken besprochen und uns auch über die vergangenen und die kommenden 6 Monate unterhalten. Das hat geholfen, um sich zum Beispiel neue Ziele zu setzten und über die Sachen nachzudenken, die nicht so gelaufen sind, wie sie sollten. Ich habe zum Beispiel angefangen Ukulele zu spielen und habe mir ein Tanzstudio gesucht, außerdem habe ich angefangen mehr zu lesen und zu malen, was meinem ,,inneren ich´´ sehr geholfen hat. Ich habe realisiert das dieses Freiwillige Jahr mir so viel gibt, an dem ich wachsen kann und an das ich mich mein Leben lang erinnern werde.             

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Perito-Moreno-Gletscher

In den letzten 6 Monaten, habe ich mich über Themen Gedanken gemacht, die mich in meinem alltäglichem Leben hier in Argentinien begleiten; wie Inflation, Frauenrechte, Machismos und Müll. In Deutschland habe ich mir nie über sowas Gedanken gemacht, wie hier. Ich will zu einem anderen Thema mal meine Gedanken äußern. Es ist einfach das was gerade so in meinem Kopf ist.

Ich bin Frau

Ich bin hübsch

Ich bin frei

Kann ich selbst entscheiden?

Bin ich hübsch genug?

Erwartet man was von mir?

Diese Aussagen und Fragen haben mich beschäftigt. Nicht nur das, sondern auch wie ich als FRAU wahrgenommen werde, denn das hat sich glaube ich am meisten hier verändert, die Wahrnehmung.

Ich weiß manchmal nicht ob uns bewusst ist, wie viel wir in Europa haben.  Frau zu sein ist nicht einfach und ich will nicht behaupten das es in Europa anders ist, doch in manchen Teilen der Welt ist es einfach was anderes, Frau zu sein. Ich musste erst aus Deutschland  raus, um zu sehen, wie viele Rechte wir haben, die uns schützen oder wie gut unser Gesundheitssystem ist, dass ist hier in Argentinien nicht so und daran muss man sich gewöhnen. Gleichberechtigung, Meinungs- und Entscheidungsfreiheit, sind hier nicht eine Selbstverständlichkeit und das ist schon hart, wenn man mit anderen Prinzipien aufgewachsen ist und es anders kennt. Man begegnet hier am häufigsten den Machismos, mit dem ich auch Bekanntschaft gemacht habe. Auf Arbeitsstellen, in der Regierung und auch auf der Straße, hatte ich Begegnungen mit dem Machismus. Meine erste davon war auf der Straße. Ich war auf dem Weg zu einer Freundin, auf einmal höre ich Wörter wie , ,,Que guapa´´ (Wie hübsch), ,,Vamos a mi Casa´´ (Gehen wir zu mir nach Hause) oder ,,Besame´´ (Küss mich), von Typen, die an einer Ecke standen. Ich wusste nicht, was ich genau tun sollte, aber eins wusste ich und zwar das ich darauf nicht antworten sollte. Nicht aus Angst sie könnten dann nochmal was erwidern, sondern erstens, weil sie mir vielleicht näher kommen oder mich verfolgen könnten, zweitens, weil man es einfach nicht tut, weil wir als Frau sowieso als das schwächere Geschlecht darstellen und der Mann die ,,Hosen anhat´´. Dieses Ereignis ist am heiligten Tag passiert und ich bin und war nicht das letzte Mädchen, das so auf der offenen Straße angemacht wurde. Männer fühlen sich schon seit ich in den Geschichtsbüchern lesen kann mächtiger als die Frau. Ich glaube das liegt so in der Natur, doch warum ist das so ? Rechtfertigt das das Handeln der Männer ?

Ich habe manchmal an das Ereignis gedacht und ich habe mich gefragt, ist es meine schuld ? Bin ich daran Schuld, dass ich solche ,,Kommentare´´ bekommen habe?

Ich habe lange darüber nachgedacht. Meine Antwort die ich mir gebe ist NEIN. Ich bin nicht schuld. Eigentlich sollte ich nicht angesprochen werden, weil ich auffällig bin, weil ich gelb trage, weil meine Haare braun sind oder meine Lippen rot. Ich bin doch frei das zu tragen, was ich will und wie ich will, ohne das mich jemand dafür belästigt oder mir unangenehme Kommentare macht. Ich bin doch frei, oder ?

Ist es denn nicht gefährlich, wenn ich ein Rock trage oder ein T-Shirt mit zu großem Ausschnitt? Männer könnten das zum Anlass nehmen und mir Kommentare machen oder man wird anzüglich angeschaut, deswegen sagen viele ,,Lass es lieber, dich so anzuziehen´´.

Solche Aussagen werden gesagt, ohne die richtige Auswirkung davon zu kennen. Mir wird indirekt gesagt, dass ich aufpassen soll das ich nicht zu reizvolle Kleidung trage, dass ich aufpassen soll, wie ich mich kleide und somit wird mir der freie Wille genommen, zu entscheiden wie ich mich anziehe. Ich habe mich ertappt und ich glaube ich bin nicht die einzige, die zweimal darüber nachgedacht hat, ob ich mich lieber nicht doch umziehen soll, weil das Top schon ein bisschen Ausschnitt hat. Dabei dachte ich, -nicht nur auf Argentinien bezogen-, leben wir in einer sicheren Gesellschaft. Doch ich glaube ich fange an zu verstehen, dass es vielleicht Lücken gibt. Hier könnte man vieles aufführen, was gerade nicht so läuft, doch Schuld haben nicht die Frauen und auch nicht die Männer. Es ist die Gesellschaft. Es sind alle, damit meine ich Medien, Regierung und jeder Einzelne, der es zulässt.

Die Medien haben eine gewaltige Macht über uns, wie das Ideal von einer ,,schönen Frau´´ oder von einem ,,gut Aussehenden Mann´´ aussehen soll oder muss. Sowohl auf Männer als auch auf Frauen gibt es diesen gesellschaftlichen Druck, doch ich glaube, dass es um einiges stärker bei der Frau ist, als beim Mann. Ich glaube ein guter Beleg dafür ist die Geschichte selbst. Frauen machen sich schon seit geraumer Zeit hübsch, schön und makellos. Das machen Frauen alles für das andere Geschlecht. Ich habe mich intensiv mit einer argentinischen Freundin über Leben und Tod, was danach ist, und viele weitere Themen unterhalten. Doch aus unserem Gespräch habe ich mitgenommen, dass wir kleine Marionetten sind in einem großen Theaterstück sind. Ich muss sagen ich selbst fühle mich in meinem alltäglichen Leben nicht so, aber sie hatte mit dieser Aussage schon irgendwie Recht. Wenn etwas in Mode ist, bricht manchmal ein regelrechter Wahn aus. Ich glaube hier für gibt es genug Beispiele, Fidget Spinner, Polaroid Camaras, Schlaghose, Creolen, das neuste Handy. Das passiert unbewusst, dass wir diese Sachen mögen oder auch nicht. Doch ohne das wir es merkt, werden wir in den Strudel langsam hineingezogen, damit wird jeder durch Freunde oder Amazon Anzeigen mitgenommen.

Doch worauf ich eigentlich hinauswollte ist, dass die Frau perfekt sein sollte, aber sie nie perfekt ist. Ich habe es selbst erlebt und ich glaube es ist so ein Wiederspruch in sich, man kann schon paradox dazu sagen. Ich erläutere dies ganz einfach. Ich habe Aussagen getroffen, die glaube ich ganz für sich sprechen.

Sei perfekt

Du bist zu perfekt

Du bist zu dünn

Du bist ein Skelett

Du bist zu dick

Du hast Bulimie

Sei schön

Aber nicht zu schön!

Sei gesund

Mach Sport

Aber nicht zu viel!

Iss Salat

Iss kein Burger

Nimm ab

Nimm zu

Meckere nicht

Nörgel nicht

Lache

Sei laut

Aber nicht zu laut!

Wein nicht

Zeig Gefühle

Aber nicht zu viele

Du bist eine Puppe!

Sei du selbst

Nein doch nicht…!

Ich glaube all diese Aussagen haben wir schon einmal selbst gehört, sie zu einem anderen gesagt, oder in den Medien erlebt. Ich finde sie zeigen sehr gut auf, dass es Kontrovers ist, eine  Frau zu sein. Durch die Medien erhalten wir ein gewisses Bild, wie die Frau aussehen soll. Ich muss sagen, dass ist sehr traurig. Wir sind im 21.Jahrhuntert, sind weit gekommen mit Forschung und haben vergessen ein Moment zu atmen und um uns zu schauen. Die Menschheit hat Sachen geschafft, die echt beeindruckend sind und man muss sich ein Moment Zeit nehmen, um das zu verdauen. Wir waren auf dem Mond, dass muss man auch erstmal schaffen. Viele haben davon geträumt und es ist war geworden und es ist einfach nur unglaublich. Doch so weit der Fortschritt auch sein mag, ich glaube wir vergessen manchmal das wir Menschen sind. Ich habe auch einen Traum, okay ich habe viele, aber einer davon ist, dass ich nicht perfekt sein muss und ich alles sein kann. Ich kann dick sein und hübsch. Ich kann ein roten Lippenstift tragen, ohne auf der Straße angesprochen zu werden. Ich kann perfekt sein, aber auf meine Art und Weise, mit meinen Makeln und Macken und ich hoffe, dass das viele Menschen machen können. Ich hoffe die Menschen fangen an über ihr Handeln nachzudenken und sich zu verändern. Denn das brauchen wir.

Ich hoffe, dass wir frei werden.

Es liegt bei uns das zu entscheiden.

Mit vielen Denkanstößen auf der anderen Seite der Welt

Un abrazo y un beso

Julia