Felix Navidad!

Hallo ihr Lieben,

Es ist mal wieder Zeit ein paar von den vielen Ereignissen der letzten Monate aufzugreifen und hier in meinem Blog zu erzählen. In den letzten Monaten ist so viel passiert, dass ich echt lange nachdenken musste bevor ich mich dazu entschieden habe euch von meiner Weihnachtszeit zu berichten. 

Es gibt ja ganz viele Unterschiede zwischen Deutschland und Paraguay und ich hatte mich schon von Anfang an darauf eingestellt, dass Weihnachten dieses Jahr anders wird. Aber eine Gemeinsamkeit gab es trotzdem: die Vorweihnachtszeit begann mal wieder viel zu früh. Ich weiß nicht warum man Ende Oktober schon im Supermarkt Christbaumkugeln oder Schokoladenweihnachtsmänner kaufen kann. Auch in Deutschland komme ich also normalerweise erst so Anfang Dezember langsam in Weihnachtsstimmung. Ich dachte erstmal, dass die Zeit vor Weihnachten hier nicht so ein großes Ding ist. Aber wow habe ich gestaunt, als Anfang Dezember von ein auf den anderen Tag die komplette Stadt mit Weihnachtsdekoration und Lichterketten verziert war.

Weihnachtsdeko in der Stadt

Vor allem aber fand ich den europäischen Einfluss von der Deko sehr komisch. An jeder zweiten Ecke standen Schneemänner oder Geschenkeboxen mit „Schnee“ überdeckt. Dabei hat man in Paraguay wahrscheinlich noch nie echten Schnee gesehen. Trotzdem fand ich die Dekoration sehr schön und was mich vorallem gewundert hat, ist das die meiste Deko aus recyceltem Material selber gebaut wurde. Zum Beispiel befand ein großer Tannenbaum aus ganz vielen grün angemalten Plastikflaschen. Auch wir im Projekt haben unsere Weihnachtsbäume aus recyceltem Material gebastelt. Obwohl die Stadt durch den Weihnachtszauber deutlich schöner aussah, kam ich einfach nicht so richtig in Weihnachtsstimmung. Selbst die Tage vor Weihnachten oder sogar an Weihnachten, hatte ich einfach nicht dieses Weihnachtsgefühl. Besonders gewundert hat mich das aber nicht. Ich glaube der Hauptgrund ist einfach das Wetter. Ich meine fast jeder von uns verbindet Weihnachten mit Kälte, Schnee und einer gemütlichen Zeit zu Hause mit den liebsten. Und das war alles komplett anders. Bei 40 grad hab ich mir ein schattigen Platz gesucht und statt heißer Schokolade einen eiskalten Terere getrunken.

Plätzchen backen in unserer Wohnung

Dann stand Heiligabend vor der Tür. Mich haben drei andere Freiwillige aus Paraguay und Bolivien besucht. Geplant hatten wir nicht sonderlich viel. Wir wollten ein Asado (also ein typisches Grillen) machen und anschließend in der Stadt was trinken und feiern gehen. Während des Tages an Heiligabend, war ich noch in der Stadt, um die letzten Geschenke zu kaufen. Anschließend kauften wir noch die letzen Sachen für das Asado ein und bereiteten zu Hause alles vor. Das Wetter war, abgesehen von der Temperatur, tatsächlich ein wenig weihnachtlich. Der Himmel war grau und es hat geregnet. Zum Abend hin begannen wir mit dem Grillen, was sich aber als ziemlich schwierig gestaltete, da der Grill durch den Regen nicht so richtig heiß wurde. So richtig gut ist unser Asado also nicht gelaufen.

Den Rest vom Abend waren wir dann noch in der Stadt unterwegs. Am ersten Weihnachtstag hat sich das Wetter nicht wirklich gebessert. Das hieß für uns einen gemütlichen zu Hause Tag. Mit meinen Mitfreiwilligen haben wir eine kleine Bescherung gemacht. Ich habe unteranderem einen Guampa (einen Becher aus dem man Terere trinkt) von meinem Lieblingsfußballteam hier in Paraguay bekommen. Am Abend haben wir nochmal einen neuen Versuch gestartet, ein Asado zu machen, was auch diesmal deutlich besser funktioniert hat. Zum Glück klarte der Himmel ein wenig auf und wir haben den ganzen Abend gequatscht und Spiele gespielt.

Das war also mein Weihnachten. Es war auf jeden Fall eine Erfahrung und die Zeit auch sehr schön, aber ich wünsche mir dann doch nächstes mal wieder ein Weihnachten so wie ich es aus Deutschland kenne. 

Ganz anders hingegen war mein Silvester. Ich bin mit fast allen Freiwilligen aus Paraguay über Silvester nach Encarnacion gefahren. Das ist eine Stadt ganz im Süden von Paraguay an der argentinischen Grenze. Das besondere an Encarnacion ist, dass es direkt an dem Rio Parana liegt, welcher Paraguay und Argentinien trennt. Bei Encarnacion  breitet der Fluss sich aber so weit aus, dass es mehr wie ein sehr großer See oder fast schon wie ein Meer wirkt. Vor allem bekommt man aber ein Urlaubsgefühl, wenn man an der sehr modernen „Costañera“ also dem Strand von Encarnacion ist. Strandbars, viel Sand und Unmengen an Leuten, die ihre Stühle und Sonnenschirme aufbauen, geben einem ein richtiges Meerurlaubsgefühl. Vor allem wegen Silvester, war der Strand sehr gefüllt und man musste schauen, dass man überhaupt noch einen guten Platz bekam. Wir hatten uns alle ein Airbnb gemietet und verbrachten die Zeit mit spielen, am Strand baden und kochen. Dann rückte 2024 immer näher. Am Abend bereiteten wir ein Asaso zu, badeten im Pool und spielten Karten. Um 23 Uhr gingen wir dann alle zum Strand. Überall saßen Leute an langen Tafeln, aßen und tranken. Die ersten Raketen stiegen schon in den Himmel und dann war es auf einmal soweit. Wir zählten von 10 runter und feierten in das neue Jahr rein. Alle am Strand umarmten sich und wünschten sich ein schönes neues Jahr während man auf die Skyline von der gegenüberliegenden Stadt Posadas blickte. Den Rest der Nacht verbrachten wir noch in einem Club und fielen dann müde im neuen Jahr ins Bett. 

Mir persönlich hat das Silvester besser gefallen als in Deutschland. Zum einen konnte man ohne Jacke die ganze Nacht draußen verbringen, weil es sommerlich warm war und auch tagsüber konnte man mehr unternehmen. Wir waren am Strand und später auch noch bei den „Jesuitenmissionen“ in San Ignacio (Argentinien)  Auch das Feuerwerk und „böllern“ war nicht so extrem wie in Deutschland. Man musste keine Angst haben von irgendwelchen Böllern getroffen zu werden. Ein paar Raketen hatten wir aber auch gekauft was super schön aussah. Das war also mein Weihnachten und Silvester. Ich weiß, dass der Blog ein wenig spät erscheint. Bald hört ihr schon wieder von mir. Bis dahin alles gute und viele Grüße aus Paraguay,

Felix 

2024!!

Wo arbeite ich eigentlich?

Ich glaube es wird Zeit noch meine Einsatzstelle einmal näher vorzustellen, jetzt wo ich schon ein halbes Jahr hier bin und einen Alltag gefunden habe.

Ich arbeite hier in Ciudad del Este im Viertel Santa Ana, das direkt an mein Wohnviertel angrenzt. Ich wohne nämlich offiziell im „Barrio 23 de octubre“, wohne aber eigentlich direkt an der Grenze zum Viertel „Santa Ana“. Aber zurück zum Projekt, in dem ich meinen Freiwilligendienst leiste: meine Einsatzstelle nennt  sich „Callescuela“, was übersetzt so etwas wie „Straßenschule“ heißt. Die Callescuela ist insgesamt ein ziemliches großes Projekt, das nicht nur hier in der Umgebung von Ciudad del Este mehrere Standorte hat, sondern auch in Asunción (Hauptstadt Paraguays). Hier in Alto Paraná (der Region, in der Ciudad del Este liegt) hat die Callescuela insgesamt 3 Standorte. Diese liegen in Ciudad del Este selbst, Presidente Franco und Minga Guazú. Insgesamt sind aber alle Standorte sehr miteinander verbunden und im ständigen Austausch, teils arbeiten auch die gleichen Mitarbeiter in den einzelnen Standorten und wechseln sich ab. 

Logo der Callescuela

Die Callescuela ist ein Projekt, das sich für die Rechte Kinder und Jugendliche einsetzt. Dabei geht es vor allem um Kinder und Jugendliche, die auf der Straße arbeiten und/oder aus finanziell schwächeren Familien stammen. Es gibt deswegen verschiedenste Angebote, die für die verschiedenen Altersgruppen sind. Es gibt somit einerseits einen Kindergartenzweig, der sich „CEPI“ (Centro primera infancia) nennt, Nachhilfeangebote (refuerzo escolar) und politische Gruppen. 

Ich darf als Freiwillige all diese 3 Bereiche begleiten und kennenlernen und das sogar an allen 3 Standorten. Bisher habe ich immer in Presidente Franco gearbeitet und einmal die Woche in Santa Ana. Für das zweite Halbjahr werde ich aber mit meiner Mitfreiwilligen Freia die Einsatzorte tauschen, was bedeutet, dass ich hauptsächlich in Santa Ana sein werde und einmal die Woche in Minga Guazú. So habe ich die Möglichkeit alle Standorte und Kinder kennenzulernen und darauf freue ich mich jetzt schon sehr.

CEPI – der Kindergarten

Im CEPI kommen Kinder im Alter von 2 bis 5 Jahren, welche immer in 2 Gruppen kommen. Vormittags kommen die 2-3 jährigen und nachmittags dann die 4-5 Jahre alten Kinder. Beide Altersgruppen haben den gleichen Ablauf, was die Aktionen angeht, die wir mit ihnen machen. Nach dem Ankommen wird zunächst einmal gespielt. Das Spielen steht im Kindergarten sehr im Vordergrund. Die ersten eineinhalb Stunden haben die Kinder Zeit zu spielen, sich gegenseitig ihre Spielzeuge zu zeigen und sich gemeinsam Geschichten auszudenken. Danach stellen wir uns dann alle gemeinsam auf und singen Lieder und tanzen dazu. Das macht immer besonders Spaß. Das hilft den meisten sehr sich auszupowern und danach anzufangen kreativ zu werden. Nach dem Singen und Tanzen geht es dann nämlich ans Basteln. Dabei gibt es immer ein bestimmtes Thema, das behandelt wird, wie z.B. Farben, Tiere, Verkehrsmittel etc. Dafür zeigen wir den Kindern dann, wie wir einen bestimmten Gegenstand basteln oder ein Bild malen wollen und helfen den Kindern bei der Umsetzung. Zum Abschluss gibt es dann die „merienda“, einen kleinen Snack wie z.B. einen Joghurt, Kekse oder Bananen. Bis die Kinder dann abgeholt werden,  wird wieder gespielt und schon ist der Tag vorbei.

Am Nachmittag geht es dann von vorne los nur eben mit den älteren Kindern und mit anderen Bastelaktionen.
Zudem werden Ausflüge organisiert bei denen wir mit den Kindern auf Spielplätze fahren und dort gemeinsam spielen. Auf diese Ausflüge freuen sich die Kinder immer besonders.

Refuerzo Escolar – Nachhilfe

Bei der Nachhilfe kommen Kinder und Jugendliche im Alter von 6 bis 17 Jahren, die Hilfe und Unterstützung bei Hausaufgaben brauchen. Auch dabei sind die Kinder in Vormittags- und Nachmittagsgruppen eingeteilt, um nach Klassenstufen trennen zu können, wobei auch hier der Ablauf ähnlich ist. Wenn die Kinder und Jugendlichen ankommen, werden allgemeine Themen wiederholt und geübt und anschließend individuell auf die Schwierigkeiten der Kinder eingegangen. Je nach dem ob Hausaufgaben anstehen, bei denen Hilfe benötigt wird, gehen wir anschließend auch diese durch. Zwischendurch machen wir dann eine kleine Pause, in der die Merienda verteilt wird. Danach geht es dann zurück an die Aufgaben. 

Insgesamt behandeln wir vor allem die Fächer Mathe, Spanisch und Guaraní, weil das die Grundfächer sind, die alle Kindern am meisten brauchen und üben. Dabei üben wir besonders mit den Jüngeren die Grundlagen, wie Silben, das Alphabet und Groß- und Kleinbuchstaben und die Zahlenräume etc. Gleichzeitig wiederholen wir aber auch viel Diktate und das Verstehen von Texten oder Addition, Multiplikation und Rechnen mit größeren Zahlen. Es geht vor allem darum, Grundlagen zu vertiefen und zu wiederholen, weil dafür in der Schule oft nicht genug Zeit ist. Bevor dann alle nach Hause gehen, wird meistens noch kurz draußen gespielt oder gemalt.

Die politischen Gruppen

Die politischen Gruppen sind ein weiterer sehr wichtiger Zweig der Callescuela. Die Kinder und Jugendlichen, die an diesen Gruppen teilnehmen, sind Teil der CONNAT‘S (Coordinación nacional de niños, niñas y adolescentes trabajadores). Die CONNAT‘S ist eine Organisation von arbeitenden Kindern und Jugendlichen aus Paraguay, die sich für die Rechte dieser einsetzt. Die Callescuela arbeitet also mit der CONNAT‘S zusammen, wobei die CONNAT‘S auch unabhängig von der Callescuela aktiv ist.

In diesen politischen Gruppen wird dann über das politische System im Land gesprochen und analysiert, was es für Probleme und Verbesserungsmöglichkeiten besonders im Bezug auf die Rechte von Kindern und Jugendlichen gibt. Es geht also beispielsweise um Themen wie Partizipation, Grundrechte, Sicherheit oder soziale Gerechtigkeit. Teil dieser Gruppen zu sein und ihre Aktivitäten mitzuerleben macht total Spaß und ist super interessant.

25.11. internationaler Gedenktag gegen Gewalt an Frauen

Um ein paar Beispiele von Aktivitäten zu nennen: Am 25.11. (internationaler Tag gegen Gewalt jeglicher Art an Frauen) haben wir Infoplakate in der Stadt aufgehängt, um auf den Tag aufmerksam zu machen und mit einem Megafon und Trommeln Aufforderungen gegen die Gewalt an Frauen gerufen. 

Im Dezember und im Februar gab es den „Terere-Jere“, ein Treffen aller Vertreter*innen der verschiedenen politischen Gruppen aus verschiedensten Standorten in Alto Paraná, bei dem sich über Inhalte ausgetauscht wird und weitere Aktivitäten geplant werden. Dabei gibt es außerdem immer auch Workshops zu neuen Themen. Bei dem Treffen im Februar standen die unterschiedlichen Lebensrealitäten in Paraguay im Vordergrund. Es kamen Gäste, die von ihrer eigenen Realität erzählt haben und den Kindern Fragen beantwortet haben. Anhand der Berichte und eigenen Erfahrungen haben die Kinder und Jugendlichen dann Probleme in den Bereichen von Bildung, Gesundheit und Arbeit herausgearbeitet.

Außerdem werden zu vielen anderen Gedenktagen Aktionen vorbereitet, wie am 08.03. (internationaler Frauentag). In Vorbereitung auf diesen Tag haben die Kinder in Gruppen darüber geredet, was Frauen und Mädchen leid sind und was wir tun können, um diese Dinge zu ändern. 

Die politische Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen ist also ziemlich vielseitig und besonders spannend. Ich bewundere jedes Mal aufs Neue, wie aktiv alle mitarbeiten und ihre Energie in all diese Projekte stecken und nie aufhören für ihre Rechte zu kämpfen. 

Die Callescuela soll insgesamt einen sicheren und liebevollen Ort für Kinder und Jugendliche darstellen und Unterstützung für die Kinder und Familien bieten. Die Angebote der Callescuela sind daher komplett kostenfrei und sie wird nur durch Fördergelder und Kooperationen finanziert.

Ich bin extrem glücklich, bei der Callescuela zu arbeiten und ihre Arbeit kennenzulernen und Teil davon sein zu können. Jeder Tag ist anders und die Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen macht total Spaß. Jetzt nach den Sommerferien laufen die Anmeldungen für das nächste Jahr auf Hochtouren und in 2 Wochen startet dann wieder das volle Angebot in den Standorten. Bis dahin steht noch ein wenig Instandhaltung und Büroarbeit an. Ich freue mich auf jeden Fall total auf das zweite Halbjahr und einen anderen Standort nochmal genauer kennenlernen zu können.

5-jähriges Jubiläum von Añua Roga
Spielen im Park

Bis bald!
Eure Malena

P.S.: die Callescuela und die CONNAT’S haben auch ein Profil bei Instagram, auf dem über die Aktivitäten informiert wird. Falls jemand Interesse hat auf dem Laufenden zu bleiben 😉

@callescuela @connats_py

Wie bekomme ich die Situation hier in Argentinien mit?

MILEI ALS NEUER PRÄSIDENT

INFLATION ÜBERSTEIGT DIE 250%

ÜBER 40% DER BEVÖLKERUNG LEBT IN ARMUT

„NO HAY PLATA“ – „ES GIBT KEIN GELD“

PROTESTE UND KRAWALLE

Als ich hier in Argentinien im August ankam, bekam ich in der Wechselstube einen Euro und bekam ungefähr 700 argentinische Pesos dafür. Heute bekomme ich für einen Euro 1380 Pesos. Die wirtschaftliche und soziale Lage hat sich schon in den letzten Jahren immer weiter ins Negative gewandelt, jedoch ist der Wandel in den letzten Monaten so extrem und drastisch wie noch nie. Ich möchte im Folgenden probieren von meinen Eindrücken hier vor Ort zu erzählen und vor allem ein Bild davon geben, wie es den Menschen hier und in meinem Projekt mit der ganzen Situation geht.

WIRTSCHAFTLICHER HINTERGRUND Argentinien war nicht immer verschuldet und in einer tiefen finanziellen Krise. Anfang des 20. Jahrhunderts war Argentinien eines der wohlhabendsten Länder und wichtigsten Wirtschaftsmächte weltweit, vor allem durch die erfolgreiche Agrarwirtschaft, den Reichtum an Feldern,Weiden, Gasvorkommen, Silber und Gold. Doch ab den 1950ern durchlebte Argentinien zahlreiche Krisen und auch politische Probleme trugen dazu bei, dass Argentinien sich immer mehr im Ausland verschuldete, immer mehr Menschen arbeitslos wurden und die Inflation eine immer größere Rolle im Alltag der Bürger spielte. Die große Wirtschaftskrise 2001/02 war dann schließlich der Auslöser, dass die Wirtschaft komplett zusammenbrach und hunderttausende Menschen ihre Arbeit und ihr Vermögen verloren. Heute leben über 40% unterhalb der Armutsgrenze, bei unter 14-jährigen sind es über 50%. Selbst wenn die Menschen eine Arbeit haben, ist es nahezu unmöglich von dem geringen Lohn leben zu können. Es entstand ein riesiger Schwarzmarkt, viele illegale und gefährliche Jobs, niemand traut den Banken und die Menschen versuchen so viele Dollar-Scheine wie möglich zu Hause zu horten. Die Zukunft ist ungewiss und die Menschen leben in ständiger Angst von Tag zu Tag. Ob der neue Präsident Javier Milei, der seit Dezember im Amt ist, nun Fluch oder Segen für Argentiniens Zukunft ist, da spalten sich die Meinungen der Bürger gewaltig

MEIN PROJEKT „NUESTRA SEÑORA DE LUJAN“ Jeden Morgen steige ich um kurz nach 8 in den Bus und fahre ca. 45 Minuten zu meinem Projekt ins Barrio Las Heras. Las Heras liegt ganz am Rande im Westen der Stadt, ich wohne im Zentrum der Stadt. Am Anfang kam mir die Fahrt immer sehr lang vor, doch jetzt bin ich es längst gewohnt und kenne fast alle Querstraßen auswendig, die wir passieren. Von 9-16 Uhr kommen die Kinder in zwei Gruppen, mit dem Mittagessen lösen sich die Gruppen ab. Zurzeit kommen vormittags und nachmittags jeweils um die 20-25 Kinder. Es ist ein sehr schönes Projekt: durch Workshops lernen die Kinder viel und haben die Chance ein Hobby machen zu können. Auch durch das Mittagessen, welches für die Kinder vor Ort gekocht wird, werden die Familien stark entlastet. Zweimal im Monat kommen alle Familien des Barrios (ca. 300) und bekommen eine große Tüte mit Obst, Gemüse, Milch, ein Stück Fleisch und Käse, Nudeln sowie Reis, existenziell für die Bewohner. Geleitet wird das Projekt von Hermana Marta, die ihr ganzes Herz und ihre Energie ins Wohlergehen der Kinder steckt. Ich bewunderte sie von Anfang an sehr, denn sie hat eine wahnsinnig positive Ausstrahlung, freut sich immer einen zu sehen, ist politisch wahnsinnig engagiert und hat für jeden ein offenes Ohr. Und vor ein paar Wochen feierten wir ihren 84. Geburtstag…

Man befindet sich jeden Tag in Situationen, wo einem immer wieder gezeigt wird, wie privilegiert man aufgewachsen ist und was für eine beschützte Kindheit man erleben durfte. Man verspürt dann zum einen eine ungeheure Dankbarkeit, aber es ist auch schwer damit umzugehen. Man schämt sich, dass man sich nie um ein Zuhause sorgen musste, drei leckere Mahlzeiten hatte, zur Schule und zu zahlreichen Hobbys gehen konnte und immer einen Überfluss an Kleidung und heilen Schuhen hatte. Es ist so unfair, dass die Kinder hier teilweise in ein Leben voller Armut und mit ganz schwierigen und traumatischen Familienhintergründen hineingeboren werden. Die sozialen Projekte in Argentinien waren schon immer finanziell sehr stark gefährdet und haben wenig Unterstützung der Regierung bekommen. Schon als ich im August ankam, bekam man sehr viel vom Wahlkampf und den aufeinandertreffenden Fronten mit. Beim Mittagessen mit den Mitarbeiterinnen gab es immer interessante Gespräche, denen ich mit der Zeit immer weiter folgen, mehr verstehen und auch Fragen stellen konnte. Von vielen aus der ärmeren Schicht hörte ich Sätze wie: “UNS wird eh keiner der beiden Kandidaten helfen” oder “Wir müssen uns für den ein bisschen weniger schlimmen Kandidaten entscheiden.” Doch klar war, mit Milei wird es noch schlimmer werden. Die Enttäuschung und Verzweiflung als Milei die Wahl dann tatsächlich gewann, war deutlich spürbar und Hermana Marta sagte seufzend zu mir: “Das kommende Jahr wird sehr, sehr hart werden.” Die Workshops fallen teilweise weg, in den Lebensmitteltüten für die Familien fehlen nun Milch oder Käse und es wird gerätselt was man den Kindern zum Mittagessen kochen kann, was gleichzeitig günstig, aber auch nicht zu ungesund ist.

Doch auch wenn man nicht in einem sozialen Umfeld tätig ist, bekommt man im ganz normalen Alltag auch sehr viel von den neuen Einschränkungen und dem extremen Verlauf der Inflation mit. Beispielsweise wenn man sich mit den Studenten über die Situation unterhält, beim Einkaufen jeden Tag mehr Geld mitnehmen muss oder die zahlreichen Demonstrationen in der Stadt sieht. Wenn ich in meinem Bus zur Arbeit fahre, der nun nur noch halb so oft fährt, sehe ich schon morgens die meterlangen Menschenschlangen, die beim Bankautomaten anstehen. Nirgendwo stehen mehr Preise angeschrieben, weil sie jeden Tag erneuert werden müssen und an der Tankstelle bekommt man meistens auch keinen Treibstoff mehr. Man sieht immer mehr Obdachlose und viele Menschen gehen mit einem Wagen durch die Straßen um Pappe zu sammeln und dafür ein paar Pesos zu bekommen. Die Menschen sind verzweifelt und erschöpft. Umso mehr hoffen viele auf Milei. Sie sagen: “Milei ist mal was anderes, es kann nicht so weitergehen wie bisher. Wir brauchen ein drastische Veränderung.” Die andere Hälfte der Bürger versucht sich mit Demonstrationen und anderen Aktionen seinen Plänen zu widersetzen.

Milei ist von positiven Auswirkungen seiner “Radikalkur” überzeugt und versucht sein Reformpaket, welches 300 Gesetze beinhaltet, durchzusetzen. Unter anderem werden legislative Kompetenzen für zwei Jahre an die Regierung übergeben, Staatsbetriebe privatisiert und soziale Leistungen einkassiert. Und obwohl der Widerstand zwar wächst, die Mehrheit im Parlament hat Milei schon…

198 Schritte

Hallo zusammen, lasst mich euch mitnehmen auf jeden Schritt meines Arbeitsweges von etwa 2 Metern Luftlinie und 198 Schritten (ja, ich habe gezählt). Glaubt mir es ist spannender, als es sich anhört… 

Willkommen zurück in Kimara Korogwe 

Nachdem ich mir jeden Morgen in Eile eine Tasse Kaffee reinkippe, eine Angewohnheit, die ich wohl leider nicht in Deutschland lassen konnte, verlasse ich unser Zimmer. Aufgewacht bin ich durch den Lärm, der aus den Klassenräume kommt, die gegenüber unseres Balkons, in etwa 2 Metern Entfernung liegen. (Die Versuchung eine Brücke rüber zu bauen, um meinen Arbeitsweg noch weiter zu verkürzen, ist durchaus da…)


Ich verlasse also das Zimmer, an dessen Tür „Karibu, Karo&Cora“ steht, damit die Jungs sich endlich mal unsere Namen merken und komme an ihren Zimmern vorbei, während ich über den Flur unseres Stockwerks laufe. Hier leben wir, wie bereits im letzten Blockbeitrag erwähnt, zusammen mit etwa 60 Jungs, welche die Secondary Schule besuchen. Da seit dem Beginn des neuen Schuljahres im Januar viele neue Jungs dazugekommen sind, haben wir ein paar Abende auf dem Sofa vor unserer Tür gebrauch, um sie kennenzulernen (langsam läuft es mit den Namen). So laut und testosterongeladen es auch manchmal mit ihnen ist, wir haben sie in dem einen Monat Ferien dann doch vermisst und ich bin sehr froh sagen zu können, das einige von ihnen zu engen Freunden geworden sind. 

Unsere Zimmertür

Gerade laufe ich also an ihren Zimmern vorbei zu unserem neuen, noch nicht ganz fertig gebauten Treppenhaus. Ich treffe John, einen Bauarbeiter, der hier seit Monaten an den niemals endenden Projekten unseres Pfarrers mitbaut und mit dem ich schon viele spannende Gespräche hatte. Unten nach der Treppe, muss ich eine kleine Brück überqueren und befinde mich dann auf dem Vorplatz der Kirche. Heute an einem Montagmorgen ist er leer. Gestern Abend standen hier etwa 100 Stühle, die Gemeinde hatte einen Filmabend veranstaltet. Zusammen mit ein paar Freunden und vielen anderen Gemeindemitgliedern habe ich „God’s not dead“ geschaut und mich darüber gefreut, dass sich der Film überraschend kritisch mit dem Thema Glaube beschäftigt. Ein paar Stunden davor standen hier mehrere tausend Stühle. So wie jeden Sonntag haben ungefähr 5000 Menschen den Gottesdienst besucht und hier über 5 Stunden gesungen und der Predigt zugehört. Ja… fünfstündige Gottesdienste sind tatsächlich gewöhnungsbedürftig gerade, wenn man wie ich eher wenig von der stundenlangen Predigt auf Swahili versteht. Aber mit Freunden und den ganzen Kindern der Kirche, lässt es sich mittlerweile ganz gut aushalten. 

Ich gehe nun über den leeren Kirchenhof und komme an dem kleinen Supermarkt der Gemeinde vorbei, treffe Gemeindemitglieder, Handwerker oder Busfahrer, von denen einige auch schon zu Freunden geworden sind, weil sie wir wir den ganzen Tag auf dem Gelände unterwegs sind. Dann begegne ich Lehrkräften, die wie ich auf dem Weg zur Schule sind und schon rennen auch die ersten Schulkinder auf mich zu. Da nun mittlerweile fast 1500 Kinder die Jerusalem Pre- and Primaryschool besuchen und fast alle Klassen Deutschunterricht haben, kann ich nicht immer alle Kinder zuordnen aber es ist mit der Zeit auf jeden Fall auch schon einfacher geworden. Zusaummen mit den Kindern, komme ich am Eingang zum Jerusalem home vorbei. Hierher werde ich später zurückkehren, wenn die Schule für die Vorschüler nach dem Mittagessen vorbei ist. 

Dann stehe ich vor der Schule, die in den letzten Wochen so schnell um ein Stockwerk gewachsen ist, dass sie mir immer noch zu hoch vorkommt. Hinter mir, unten auf einer etwas matschigen freien Fläche sind gerade alle Schüler der Secondary Schule versammelt, die vor ihrem Gebäude eine Morgenrunde haben. Ich winke ihnen kurz und drehe mich wieder um. Dienstags bis Donnerstags unterrichte ich vor Schulbeginn in der Halle, die wir nun durchqueren die ca. 50 Newcomer aus allen Klassen, die an ihren alten Schulen kein Deutschunterricht hatten und nun nachholen müssen, was ihre Klassenkameraden bereits gelernt haben. Da heute aber Montag ist, laufe ich durch die Halle zum Lehrerzimmer, setzte mich auf meinen Platz und fange an die Hefte zu korrigieren, die ich letzte Woche nicht geschafft habe. Nun beginnt mein Vormittag, den ich entweder hier mit Korrigieren oder Vorbereiten von Unterricht oder in den Klassen mit Mister Denis, dem Deutschlehrer verbringe. 

So viel also zu meinem Arbeitsweg, den ich heute wahrscheinlich noch 10 mal gehen werde, weil er eben auch Teil meines neuen Zuhause ist. 🙂

Sommer, Sonne, Sonnenschein?

Ich konnte den Vorfreiwilligen immer nur sehr schwer glauben, wenn sie wiedermal meinten, dass wir jeden Tag genießen sollen, da dass Jahr sooo schnell vergeht. Doch jetzt sitze ich hier im lang ersehnten Hochsommer mit meinem Mate und realisiere, dass genau jetzt schon die Hälfte meines Jahres um ist. Wenn ich auf die letzten Monate zurückblicke ist so viel passiert, wo fang ich nur an zu erzählen!?

Wenn ich jetzt zurückblicke kann ich auf jeden Fall behaupten, dass ich eigentlich in allen Bereichen eine ganz deutliche Verbesserung sehe. Sowohl auf der Arbeit, freizeitlich, sprachlich als aber auch ganz besonders bei meinem persönlichen Mindset. So schwer es war, das am Anfang zu glauben: ES BRAUCHT ZEIT! Zwar bei manchen mehr und bei anderen weniger, aber man braucht Geduld beim Einleben, um dann richtig leben zu können und das Jahr in vollen Zügen zu genießen!!

ich liebe diese Stadt 🥹

Mir fallen soo viele tolle Momente ein, wenn ich nochmal überlege, was ich eigentlich alles so unternommen habe in den letzten Monaten. Ich habe Besuch von anderen Freiwilligen bekommen, wir waren surfen und haben das Wetter am Strand genossen. Dann habe ich zum Beispiel noch Nina von meiner Organisation zu ihrem Geburtstag in Buenos Aires überrascht. Wir hatten ein richtig schönes Wochenende, waren am Rio essen, in ner Tango-Bar und ich konnte Buenos Aires auch nochmal ein bisschen besser kennenlernen:) Nach so welchen Wochenenden habe ich aber auch gemerkt, dass ich mich auch wieder richtig auf mein “Zuhause” freuen konnte! Ich liebe meinen Alltag mittlerweile sehr, mache viel Sport und habe auch Klavierunterricht. Zudem habe ich auch endlich durch einen glücklichen Zufall Leute in meinem Alter kennengelernt, was mir meine letzten Wochen sehr erleichtert hat. Wir haben viel zusammen unternommen und ich wurde super herzlich von der Freundesgruppe aufgenommen (Auch wenn ich mich erstmal an die SEHR späte Feierkultur gewöhnen musste und das ausschließlich auf Spanisch unterhalten auch nicht ganz so einfach ist…)

Besuch in Martinez, Buenos Aires

Der Dezember verging dann wie im Flug und plötzlich stand Weihnachten vor der Tür. Ich war überhaupt nicht in Weihnachtsstimmung vorher und habe die Tage lieber bei 30°C am Strand verbracht, war auch nicht allzu schlecht 🙂 Weihnachten habe ich ziemlich spontan mit neun anderen Freiwilligen in einem Airbnb in Buenos Aires verbracht. Wir haben zusammen gekocht und haben den Abend ganz entspannt zusammen verbracht. Natürlich habe ich mich schon ein bisschen nach Zuhause zu meiner Familie gesehnt, die wie immer zusammen am Weihnachtsbaum saß, aber dadurch, dass mein Weihnachten so ganz anders dieses Jahr war, konnte ich es auch hier genießen. Und da mein Cousin auch einen Freiwilligendienst in Argentinien macht, war sogar ein bisschen Familie da!

ch bin dann noch ein paar Tage in Buenos Aires geblieben, denn dann kam auch schon meine Schwester zu Besuch und ich habe sie vom Flughafen abgeholt!! Dieser Tag schien immer noch soo weit weg und dann stand sie plötzlich vor mir, so ein komisches Gefühl! Wir waren dann ein paar Tage über Silvester bei mir in Mar del Plata und haben einfach die Sonne am Strand genossen, waren viel Surfen und mit meinen Freunden von hier feiern. Das war echt ne sehr coole Zeit!! Bis auf den Wasserrohrbruch in meiner Küche…

Und dann ging’s auch schon ab in den Urlaubbbbbb!!

Da hier in Argentinien Sommerferien sind, hat mein Projekt den gesamten Januar geschlossen und ich hatte frei. Wir sind dann zu viert (meine Schwester Alste, mein Cousin Jacob und eine andere Freiwillige Nina) nach Bariloche aufgebrochen. Das liegt weiter im Süden in Patagonien und ist zu dieser Zeit von den Temperaturen ein wenig angenehmer. Wir hatten eine richtig lustige und tolle Zeit und waren auch nach unserer dreitägigen Wandertour (56km!!) noch topfit! Diese Auszeit und Ruhe in den Bergen konnte man echt richtig genießen und ich bin sehr dankbar für diese Zeit. Wir haben eine Nach in einer gemütlichen Hütte in den Bergen übernachtet, den Ausblick genossen und waren im See schwimmen. Nach ca 10 Tagen ging es dann auch schon wieder zurück, die Zeit rennt nochmal schneller, wenn man es am wenigsten will… Nach insgesamt drei Wochen musste ich meine Schwester dann auch schweren Herzens wieder gehen lassen. Ich hatte echt vergessen, wie schön und leicht die Zeit mit den Menschen ist, die einen einfach ganz genau und schon seit immer kennen. Das hat mir richtig viel Energie gegeben!

Nachdem es dann Ende Januar nach ganz viel Strand und Surfen noch für mich aufs Zwischenseminar mit 25 anderen Freiwilligen ging, beginnt jetzt auch wieder die Realität und der normale Alltag. Und auch wenn ich jetzt nur von meinen überragenden und traumhaft schönen Momenten berichtet habe, darf man nicht vergessen, dass man trotzdem ein ständiges Auf und Ab erlebt, und das ist auch völlig normal. Man hat schlechte Tage, schlechte Momente und mir fällt es dann manchmal echt schwer diese nicht in den Mittelpunkt zu stellen, sondern vielleicht sogar etwas positives draus mitzunehmen. Ich habe schon jetzt extrem gemerkt, dass einem ganz kleine Momente oder nur ein Satz, den jemand zu einem sagt, richtig viel Energie und Freude geben. Sei es das Meeresrauschen oder der Sonnenuntergang. Ein Kind, welches einem lachend „Te quiero“ zuruft oder eine Nachricht, in der dich jemand fragt ob du Lust auf einen Treffen hast. All das sind Momente, die die Tage schön machen, einen positiv bleiben lassen und einem das Gefühl geben hier ein Zuhause zu haben.

Doch genauso gibt es dafür auch viele kleine Momente und Situationen, die einen genauso extrem die Tiefs fühlen lassen. Sei es ein schlechter Tag, wo man das Gefühl hat komplett überflüssig und energielos zu sein oder der Bus, der dann mal wieder nicht kommt. Ein Idiot, den man in der Stadt trifft oder eine Nachricht, in der das Treffen, worauf man sich den ganzen Tag gefreut hat, dann doch spontan abgesagt wird. Mir fällt es dann oft sehr schwer, mich von so etwas nicht runterziehen zu lassen und einfach was anderes schönes allein zu unternehmen, da ich eben nicht als Alternative mal eben auf meine WG zurückgreifen kann. Aber das wird auch alles besser und man lernt immer mehr mit diesen Situationen umzugehen. Es ist eben nicht alles Sommer, Sonne, Sonnenschein, wie es so oft scheint…

Auch in meinem Projekt gibt es in der aktuellen Situation sehr viele Probleme, die einen auch persönlich nach der Arbeit nicht loslassen und beschäftigen. Darauf möchte ich in einem weiteren Beitrag nochmal genauer drauf eingehen…

Allgemein kann ich sagen, dass ich diese Zeit hier sehr wertschätze, super dankbar bin trotz den Anfangsschwierigkeiten durchgezogen zu haben und ich mich schon auf weitere tolle Wochen freue, die auf mich zukommen. Argentinien, du hast mein Herz auf jeden Fall schon für dich gewonnen!!

Advent, Advent…

Ich sitze hier gerade mit Spekulatius und süßem Chai. Dazu klingen leise meine Lieblings-Weihnachtslieder aus meiner Box. Bis dahin alles ganz normal für den dritten Advent. Erst wenn ich erwähne, dass ich hier mit kurzer Hose sitze, die Sonne in mein Zimmer strahlt und es draußen knackige 25 Grad sind, wird es verrückt. Und damit herzlich Willkommen zu meinem Blogeintrag über meine ganz besondere Weihnachtszeit hier in Kenia.

Weihnachtszeit bedeutet für mich, wie für wahrscheinlich die allermeisten, das Beisammensein und eine besinnliche Zeit mit seinen Liebsten im engsten Kreise der Familie. Doch lebt man ein Jahr im Ausland, muss man darauf wohl oder übel verzichten. Allerdings ist man durch unsere digitalen Möglichkeiten irgendwie doch immer dabei und kriegt beispielsweise Bilder vom Dekorieren, dem ersten Plätzchen backen oder Ähnlichem zugeschickt. Und natürlich ist man auch telefonisch regelmäßig im Kontakt und wird auch an Heilig Abend quatschen. Auch wenn das sehr schön ist, alle zu sehen, und ich froh bin, dass es heutzutage diese technischen Möglichkeiten gibt, ersetzt das trotzdem nicht das physische Dabeisein: den Geruch von Omas Weihnachtsessen, meine Mama in den Arm zu nehmen, zusammen zu musizieren und so weiter.
Dahingehend blicke ich noch mit Respekt auf die vor uns liegenden Feiertage. Trotzdem versuche ich mir immer wieder in den Sinn zu rufen, dass ich bis jetzt immer Weihnachten mit meiner Familie gefeiert habe und auch in Zukunft wieder bei ihnen sein werde. Während die Erfahrung, ein Jahr im Ausland zu leben und somit auch Weihnachten am anderen Ende der Welt zu verbringen, etwas ganz besonders ist. Von daher möchte ich nicht traurig sein, sondern dankbar. Dankbar für meine Freiheit, dankbar für meine Selbstbestimmung, dankbar für meine Privilegien und auch dankbar, dass ich überhaupt so tolle Menschen zuhause habe, die mir besonders in diesen Tagen einen Grund zum Vermissen geben.

Meine Mitfreiwillige Lena und ich haben uns Gedanken über das Thema Weihnachtstraditionen gemacht und gemerkt, dass viele davon nicht an Deutschland gebunden sind und wir diese hier weiterführen können. So haben wir beispielsweise einen Adventskranz gebastelt und diesen statt mit Tannenzweigen mit getrockneten Orangen und Salz verziert. Wir haben vier Kerzen auf ein Tablett gestellt und rund um die Kerzen Salz platziert. Diese weiße, nicht ganz Ebene Fläche wirkt fast wie Schnee, wodurch wir auch diesen, wenn man ein Auge zudrückt, nach Kenia geholt haben. Auch einen Adventskalender haben wir uns gegenseitig geschenkt.

Insgesamt haben wir es uns bei uns zuhause weihnachtlich gemacht. Jeden Abend, sobald es dunkel wird, machen wir unsere Lichterkette und Kerzen an. Tagsüber ist es sommerlich, hell und warm, was ich als Sommermensch sehr genieße. Doch abends wird es früh dunkel und dann kommt ein Hauch von Weihnachtsstimmung auf. Dann hören wir noch bekannte Weihnachtslieder und gucken Weihnachtsfilme. Im Grunde zelebriere ich hier Weihnachten viel mehr als in Deutschland. Doch trotz allem fühlt es sich weniger nach Weihnachten an als je zuvor. Jeden Tag, sobald man wieder unsere dekorierte Wohnung verlässt und einem die Sonne ins Gesicht strahlt, wird man wieder in den Sommer zurückgeworfen und vergisst, dass in ein paar Tagen Weihnachten ist. Das ist ein total komisches Gefühl und ich glaube, vor allem an den Feiertagen wird es sich nicht real anfühlen. Ich bin gleichzeitig aber auch total gespannt auf die Erfahrung bei 25 Grad an Heiligabend im Krippenspiel zu sitzen.

Weihnachtszeit bedeutet für die Kinder hier in Kenia, wie auch überall sonst auf der Welt, Ferien. Aber die Ferien hier dauern nicht zwei Wochen, sondern zwei Monate. So sind schon seit Anfang November Weihnachtsferien. Da ich vor den Ferien in der Grundschule gearbeitet habe, hatten die Ferien somit auch Konsequenzen auf meine Arbeit. In den Ferien bin ich für die Betreuung der Kinder und das Ferienprogramm zuständig. Dieses beinhaltet viele unterschiedliche Aktivitäten von Malen, Singen und Tanzen über Schauspiel bis hin zu Spaziergängen. Das meiste davon findet in den Häusern der Mädchen hier auf dem Campus statt, welche direkt mit unserem Wohnhaus benachbart sind. Deshalb habe ich wohl, besonders jetzt in den Ferien, den kürzesten Arbeitsweg von, wenn es hochkommt, 30 Sekunden.
Wir hatten in den letzten Wochen starke Regenfälle aufgrund der Regenzeit und ich war teilweise auch nach dieser kurzen Strecke schon pitschnass. Die Regenzeit wurde in diesem Jahr von dem Wetterphänomen El Nino verstärkt. Doch ich möchte mich keinesfalls über das Wetter beschweren. Schließlich wohnen wir hier super sicher und zum Glück hat es unseren Ort nicht so doll getroffen. Doch leider kann man über viele Regionen in Kenia nicht sagen. Die Regenfälle führten zu vielen Überschwemmungen, bei denen leider auch Menschen umgekommen sind. Von daher war ich besonders in dieser Ausnahmesituation umso dankbarer für unsere Sicherheit, unsere Wohnsituation und dass wir keinen weiten Weg zur Arbeit auf uns nehmen müssen.

Doch zum Glück hat sich die Lage wieder entspannt und wir können wieder nach Nairobi reinfahren. Somit konnten wir auch den Weihnachtsmarkt in der Deutschen Kirchengemeinde in Nairobi besuchen. Schon beim Fertigmachen hat sich das super komisch angefühlt, ein luftiges Kleid anzuziehen, Sonnencreme aufzutragen, sowie Cap und Sonnenbrille einzupacken. Und auch vor Ort waren das super viele Sinneseindrücke, die im ersten Moment nicht zusammengepasst haben. Es tönte „Let it snow! Let it snow! Let it snow!“ aus den Lautsprechern, während die Sonne nur so auf die Zelte und Stände runterschien und man so gut es ging versucht hat, sich im Schatten aufzuhalten. Es gab Waffeln und Punsch, aber auch Eis und erfrischende Getränke. Alles in Einem war es ein super schöner Tag und eine einmalige Erfahrung einmal bei 27 Grad auf den Weihnachtsmarkt zu gehen.

Ein weiterer Ort, der in der Weihnachtszeit einen besonderen Glanz bekommen hat, ist die Galleria Shopping Mall in unserer Nähe. Jetzt zur Weihnachtszeit ist dort alles geschmückt und auch dort ertönen Weihnachtslieder, allerdings werden diese oft von Live-Bands performt. Vor allem abends, wenn es dunkel wird und die Weihnachtsbeleuchtung am ganzen Gebäude angemacht wird, ist es sehr magisch.

Was auch sehr magisch war, war die Weihnachtsfeier im Pangani Lutheran Children Centre, also in unserer Einrichtung. Weil viele Mädchen des PLCCs über Weihnachten bei ihren Familien zuhause sind, gab es zum Abschied, bevor die Mädchen gefahren sind, eine große Feier. Schon am Vortag waren alle aufgeregt und es gab viel vorzubereiten, wie zum Beispiel die Hall zu schmücken oder die Auftritte zu proben. Der Tag der Feier begann mit einem Gottesdienst mit Lesung der Weihnachtsgeschichte, Taufen und Konfirmationen. Anschließend gab es ein großes Festmahl, die Mädchen und Mitarbeiter haben Tänze präsentiert und auch wir Volunteers haben uns mit Kuchen für Alle beteiligt und das Lied „Stille Nacht“ vorgesungen. Insgesamt war es einer der schönsten Tage, die ich hier erleben durfte.

Allgemein bin gerade sehr glücklich und genieße die Zeit hier sehr. Ich fühle mich frei und selbst bestimmt. So traue ich mich immer mehr ausprobieren und aus der eigenen Komfort Zone zu treten. Ich probiere immer mehr Essen von Staßenständen aus, Lena und ich haben uns Braids machen lassen und und und. Also kurzgefasst: Ich fühle mich unfassbar wohl hier und bin mittlerweile so richtig angekommen. Ich freue mich auf die nächsten Monate und bin gespannt, was ich dann so zu berichten habe.

Frohe Weihnachten aus Kenia und bis zum nächsten Mal!

War ich nicht schonmal hier? Meine Ankunft in Südamerika

Ein leichtes schaukeln, das etwas lautere Summen der Klimaanlage. Ich erfriere! Das denke ich gerade, während ich schon zum vierten Mal innerhalb von 2 Wochen eine fünf stündige Busfahrt von der Hauptstadt zu meiner Heimatstadt antrete. Warum das ganze? Ich fang von vorne an. Also ich meine von ganz vorne.

Haupei! Ich bin Felix, 19 Jahre alt und wohne in Berlin. Nachdem ich 2022 mein Abi endlich in der Tasche hatte, war mir ziemlich klar das ich jetzt erstmal für eine Zeit nichts mehr mit Schule oder Uni zu tun haben will. In erster Linie war mein Ziel mal von zu Hause wegzukommen und neue Leute kennenzulernen. Einmal habe ich mich verguckt, schon stand ich Anfang Februar am Flughafen in Rio de Janeiro. Drei Monate alleine durch Südamerika reisen waren das Ziel. Aber darum soll es in diesem Blog nicht gehen, deswegen fasse ich die drei Monate alleine reisen in einem Satz zusammen: Südamerika hat mir so enorm gut gefallen, dass ich mich mit Mühe und Not noch auf einen Nachrückplatz beim ZMÖ beworben konnte. Wie durch ein Wunder, wurde spontan noch eine Stelle in meinem Länder- und Städtefavorit frei. Ciudad Del Este, Paraguay. Um ehrlich zu sein, wusste ich anfangs, so wie ihr wahrscheinlich auch, nichts über Paraguay. Ich meine warum auch? Das Land hat keine weltbekannten Touristenattraktionen wie zum Beispiel eine riesige Christstatue oder einen Eifelturm. Dieser scheinbar unauffällige und nicht besondere Charme, machte für mich das Land noch viel interessanter. Was mich erwartet wusste ich aber trotzdem nicht. Nach einigen Seminaren und Komplikationen mit meinem Endgegner „Deutsche Bürokratie“ bei der Visa Vorbereitung (dazu später mehr) ging es also am 14. August endlich los.

Kurz vor Abflug am Frankfurter Flughafen

Nervös war ich überraschender weise kaum, was wahrscheinlich daran lag, dass ich zum einen erst vor kurzem für drei Monate weg war aber vor allem zum anderen daran, dass ich schon einige Leute von den Seminaren kannte und mein Kumpel Andreu auch nach Paraguay ging. Gegen 21 Uhr abends hob unser Flugzeug, gefüllt mit 60 Freiwilligen) Richtung Buenos Aires ab. Angekommen, durchatmen und sich fragen, was sich seit dem letzten Mal im April, als ich in der argentinischen Hauptstadt war, geändert hat. Nicht viel. Das Sonnenlicht wirkte eher kalt. Naja, Winter halt. Temperaturen auch nicht mehr so schön warm wie im noch spätsommerlichen Deutschland. Jetzt also zwei Wochen Vorbereitungsseminar in Buenos Aires. Die 60 Freiwilligen wurden in 4 verschiedene Unterkünfte aufgeteilt, die in der 12 Millionen Einwohner Stadt verteilt waren. Meine Unterkunft war direkt am Wahrzeichen von Argentinien, dem „Obelisto“. Jeden Morgen ging es für uns vom Zentrum aus zum Seminarhaus der IERP. Das Seminar bestand aus Workshops, einem Sprachkurs für alle Sprachlevel und Ausflügen in und außerhalb von Buenos Aires. Mir hat das Seminar deshalb so gut gefallen, weil man viele neue Freiwillige kennengelernt hat. Wir waren feiern, essen oder haben gemeinsam gekocht. Ich habe einige Orte wieder besucht, an denen ich schon 4 Monate vorher war.

Die zwei Wochen vergingen schneller als ich gedacht hätte und schon saßen wir am Dienstag den 29. August am Busbahnhof „Retiro“. Der Abschied von den neuen Bekanntschaften fiel nicht leicht. Zwanzig Stunden Busfahrt, bis ich in Ciudad Del Este ankam. Der Grenzübergang verlief problemlos und um 13 Uhr mittags kamen wir endlich verschlafen in Ciudad Del Este an. Mein Chef Jose und zwei Leute von der Arbeitsstelle von meiner Mitfreiwilligen Malena holten uns vom Busbahnhof ab und bringen uns zu unserem zu Hause für das kommende Jahr. Mein Zimmer hatte ein Bett und einen Schrank, weshalb es ziemlich leer und trostlos wirkte. Auf den ersten Blick hatte unser Haus einige Mängel. Trotzdem gefiel mir mein neues zu Hause echt gut. Unsere Vermieterin Julie ist super nett und nachdem ich von der Busfahrt ein wenig erkältet war, begann vier Tage nach der Ankunft mein erster Arbeitstag.

Ich arbeite in der „Hogar de Niños“, was man ein bisschen mit einem Hort vergleichen kann. Es geht darum, dass Kinder nach oder vor der „richtigen“ Schule einen Ort haben, an dem sie Unterstützung bei Hausaufgaben bekommen oder Sport machen können. Das Gelände von meinem Projekt ist richtig groß. Es gibt einen Sportplatz, eine Turnhalle, einen Computerraum und einige Klassenräume für die fünf Gruppen, in denen die 6 bis 18 jährigen Kinder eingeteilt werden. Am Anfang habe ich mich sehr unnötig bei meiner Arbeit gefühlt und stand oft nur daneben rum. Auch wenn man schon von den Vorfreiwilligen gehört hat, dass das am Anfang normal sei, hat es sich komisch angefühlt. Mittlerweile liebe ich aber meine Arbeitsstelle. Die Leute sind alle super nett und entspannt und man kann selber schauen, in welcher Altersgruppe man sich am wohlsten fühlt. Ich arbeite jetzt mit Jugendlichen zusammen und bringe ihnen die Basics von Computerprogrammen wie „Word“ bei oder unterstütze sie, ihre Arbeitshefte von der Schule zu bearbeiten. Manchmal machen wir Ausflüge an einen See zum Baden oder arbeiten im Garten.

Ich wohne ja in Ciudad Del Este, ganz im Osten von dem Land. Direkt am Drei Länder Eck von Brasilien Argentinien und Paraguay. Die Stadt Ciudad Del Este ist glaube ich vom Stadtbild einzigartig. Das Zentrum besteht aus Einkaufszentren, die sich bis zur brasilianischen Grenze ziehen und einem riesigen Markt auf dem vor allem Elektrogeräte verkauft werden. Jeden Tag kommen tausende Menschen aus Brasilien und Argentinien um in Paraguay günstige Elektronikgeräte zu kaufen. Wenn man ein bisschen aus dem Zentrum rausgeht, gibt es einen großen Stadtsee mit einem noch größeren Park an dem sich die Clubs und Bars anreihen. Wir wohnen eher am Rand von der Stadt aber mit Uber oder Bolt, was im Gegensatz zu Deutschland hier extrem günstig ist, kommt man schnell in die Stadt.  Was ich am liebsten mache, ist mit einem Motortaxi (also ein Taxi nur mit einem Motorrad) zu fahren, da es nochmal günstiger und man bei dem teilweise schlimmen Verkehr deutlich schneller ist. Wenn ich ganz ehrlich bin, habe ich momentan, zweieinhalb Monate nach Ankunft, erst einen Bruchteil der Stadt gesehen. Trotzdem liebe ich es, jeden Tag neue Sachen zu entdecken und bin mittlerweile mit einem Fahrrad auch ein bisschen flexibler.

Eine Sache muss ich noch erzählen: Die Sache mit dem Visum. Paraguay macht es einem echt nicht leicht mit der Beantragung von einer „Residencia Temporal“ also einer vorübergehenden Aufenthaltsgenehmigung. Das wundert mich auch nicht wirklich, da schon seit Jahrzehnten und besonders seit 2020 viele Deutsche nach Paraguay auswandern. Nachdem wir nun die letzten zwei Wochen zwei mal in der Hauptstadt „Asunción“ waren, nochmal neue Dokumente beantragt und kopiert haben, konnten wir nach einem großen hin und her endlich unsere „Residencia Temporal“ beantragen. Das war ziemlich knapp, denn einen Monat später hätten wir schon mit unserem Touristenvisum das Land verlassen müssen.

Ob ich jetzt angekommen bin? Keine Ahnung. Ehrlich gesagt, dachte ich schon nach den ersten zwei Wochen, dass ich mich eingelebt hatte. Aber einen richtigen Alltag mit neuen Hobbys habe ich mir erst jetzt, nach zweieinhalb Monaten aufgebaut. Ich kann aber sagen, dass ich es hier liebe und ich viele Sachen, die ich schon auf meiner Backpacking Reise kennengelernt habe, wiederkenne.

Ich werde wahrscheinlich bald wieder was zum schreiben haben, da es auch hier langsam weihnachtlich wird. Ich sehr gespannt bin, ob ich bei 30 Grad in Weihnachtsstimmung kommen kann.

VOM ABHEBEN UND ANKOMMEN

Hey ich bin Nina, 18 Jahre und mache meinen Freiwilligedienst im Großraum Buenos Aires. Ich hab gar keine Ahnung wie man sowas hier anfängt, merke ich gerade. Ich bin seit zweieinhalb Monaten hier und seitdem ist so viel passiert. Vielleicht fange ich einfach mal von ganz vorne an:

Die letzten Tage zu Hause waren schwierig. Meine Freunde haben mich mit einem Abschiedsfest überrascht, ich war mehr als glücklich und wollte so viel Zeit wie möglich mit ihnen verbringen. Ich war in Gedanken die ganze Zeit über aber schon beim Abschied und hatte richtig Angst davor, meinen Liebsten Tschüss sagen zu müssen. Ich wollte mich nochmal fallen lassen, war aber mit den Gedanken immer schon einen Schritt voraus. Vielleicht bist du ja auch gerade Freiwillige*r und weißt genau was ich meine. In der Woche vor dem Abflug hab ich nochmal super viel mit meiner Familie unternommen. Wir waren am Bodensee, Bogenschießen, Minigolfen, Fahrrad fahren und Essen. Ich habe jede Sekunde so krass genossen und noch immer ist diese Woche sehr präsent in meinem Kopf.

Tja und dann gehst du abends ins Bett und weißt, wenn du morgen aufwachst dann gehts los. Um kurz vor elf am nächsten Tag ziehe ich meine Wanderschuhe an und nehme meinen riesigen Winterpulli unter den Arm. Denn von der Hitze in Deutschland geht es in den argentinischen Winter.
Meine Familie bringt mich zum Bahnhof und ich nehme sie nochmal fest in die Arme.
Die Uhr sagt, in zwei Minuten kommt der Zug. Papa umarmt mich, die Augen meiner Mutter fangen an zu glitzern. Wenn sie jetzt weint, isses eh vorbei. Ich kann es überhaupt nicht fassen, dass dies nun die letzte Berührung mit ihnen ist. Für so lange.
Noch eine Minute. Ich ziehe meine Briefe aus der Tasche und überreiche sie meiner Familie. Ich merke, wie mir jetzt schon wieder fast die Tränen kommen. Ich will nicht mehr weinen, die Verabschiedungen der letzten Wochen waren hart.
In meinem Kopf spielen die Gedanken verrückt. Noch 30 Sekunden. In der Entfernung sehe ich schon den Zug anrollen. Ich packe also meine Sachen zusammen, drehe mich nochmal um und steige ein. Der Zug setzt sich in Bewegung, am Fenster rennt meine Schwester den Bahnsteig entlang, bis ich sie nicht mehr sehe. Was ein Gefühl. Gänsehaut.
Sobald ich alleine bin, kommen mir schließlich die Tränen. Ich bin traurig. Doch gleichzeitig fällt etwas von mir ab. Die Verabschiedung ist nun rum, ich bin irgendwie frei. Fühle mich leicht. Ich checke mich online für den Flug ein und dann bin ich auch schon am Flughafen. Ich treffe am Gate 50 andere Jugendliche, alle auf dem Weg in den gleichen Flieger. Ich frage mich, was sie wohl gerade fühlen und wie die Verabschiedung bei ihnen war.
Für mich war dies der schwerste Abschied bis jetzt. Auch wenn ich es mir ja ausgesucht und mich monatelang damit beschäftigt habe, dass ich gehe, hat es mich im dem Moment krass umgehauen. Und gleichzeitig war da dieses Gefühl der Freiheit, das Gefühl, alles hinter mir lassen zu können – einfach mal auf reset zu drücken. Die ganze Vorbereitung der letzten elf Monate, der Stress ums Abi, Momente die schwierig waren und jetzt ist es alles geschafft. Ich könnte nicht glücklicher sein. Das was ich hier erleben darf ist so besonders, so privilegiert und so aufregend. Was ist das für eine wahnsinnige Chance?

Das ist mein erster Flug und langsam geht in Frankfurt die Sonne unter. Im Flieger sitze ich am Fenster, neben mir Thea. Ich bin super nervös. Wir rollen in der Dunkelheit auf die Startbahn. Ich nehme Theas Hand und mir wird ganz flau im Magen. Wir werden schneller, ich werde in den Sitz gedrückt. Und plötzlich heben wir ab.
Unter mir werden Frankfurts Lichter kleiner und ich drücke mein Gesicht gegen die Scheibe. Ich sehe noch, wie wir die spanische Küste erreichen und auf das Meer hinaus fliegen, dann schlafe ich ein.
Als ich aufwache sind wir schon über Brasilien und es gibt Frühstück. Nur noch zwei Stunden im Flieger. So langsam will ich einfach nur noch ankommen. Als wir Buenos Aires unter uns sehen, verschlägt es mir die Sprache. Diese riesige Stadt glitzert mich nach oben hin mit ihren Millionen Lichtern an und als wir eine Schleife fliegen, wird plötzlich alles rot und orange und ich sehe den Sonnenaufgang. Dieses Gefühl werde ich nie mehr vergessen.

Wir werden immer tiefer und es macht einen Ruck, als wir landen. Ich bin froh, heile angekommen zu sein. Vom Flughafen aus geht es für mich in eine 10er WG. Die ersten zwei Wochen steht die Capacitación an. Das ist eine Einführungszeit, in der wir ganz viele Dinge lernen, die uns während des Jahres helfen werden. Wir waren in dieser Zeit viele Stunden im Seminarraum und haben einen Sprachkurs besucht. Während der Länderkunde wurden mir ein paar Mal die Augen geöffnet und ich habe gelernt, wie wir mit verschiedenen Zielgruppen umgehen können.
An den Wochenenden haben wir einen „Salida Turistica“ gemacht – einen touristischen Spaziergang durch die Stadt. Wir haben das bekannte, bunte Viertel „La Boca“ besucht, sahen auf einer Bootsfahrt in Tigre viele bunte Häuser am Fluss, waren auf Märkten unterwegs und es wurde sich schon der erste Matebecher oder ein Armband gekauft.
Aber auch für die Vergangenheit von Argentinien wurden wir sensibilisiert. Wir besuchten die Gedenkstätte EX-Esma (das größte Haft-und Folterzentrum des Landes) und wurden über die Militärdiktatur aufgeklärt.

IERP Freiwillige 2023

Und dann waren schwupp die wupp die zwei Wochen vorbei und der nächste Abschied stand an. Jede/-r Freiwillige war nun auf dem Weg zu seiner/ihrer Einsatzstelle. Für manche für uns ging es nach Paraguay und Uruguay, die meisten blieben jedoch irgendwo in Argentinien.
Ich wohne nun mit vier anderen Freiwilligen zusammen und die ersten Tage hier wurde sich erstmal eingewöhnt und alles geputzt. Ich bin sehr glücklich, so tolle Leute meine Mitbewohner/-innen nennen zu dürfen und bin mir sicher, dass wir ein tolles Jahr zusammen verbringen werden. Es gibt ein Doppelzimmer und drei Einzelzimmer. Wir hatten zur Zeit des Einzugs einen Wasserschaden und deshalb war in meinem Zimmer noch ein Loch in der Wand zum Bad. Aber seit so ner Woche bin ich stolze Besitzerin eines Zimmers und ich fühle mich so wohl. Endlich konnte ich die ganzen Bilder aufhängen, die ich mitgenommen habe.

Ich will dir auch noch erzählen, wie meine bisherige Arbeitszeit hier war. Am ersten Tag wurden wir noch abgeholt und sind mit einer Mitarbeiterin im Bus zum Projekt gefahren.
Alle Mitarbeitenden sind super herzlich und Emma und ich wurden so lieb aufgenommen.
Zur Begrüßung gibt man sich hier einen Wangenkuss, gepaart mit einem lieben „Hola, ¿qué tal?“ oder „¿Todo bien?“. Ich wusste das vor der Ausreise gar nicht, mittlerweile finde ich es aber voll schön, sich so zu begrüßen. Das ist irgendwie so viel persönlicher und sympathischer als in Deutschland.
Die ersten beiden Arbeitswochen besuchten wir jeden Workshop im Projekt und werden bald den festen Plan erstellen, welche Kurse wir unterstützen wollen. Ich liebe es, dass wir so viel draußen mit den Jugendlichen Sport machen. Am liebsten wird hier Fußball gespielt, aber auch Volleyball ist hoch im Kurs. Das Projekt bietet Nachmittags folgende Kurse an: Sport für Kinder und Jugendliche, Theater, Nähen, Sport, Bewegung und Kochen für Senioren, einen Radiokurs, ein Kunstangebot, Tanzen usw.
Ich bin wirklich begeistert von dieser Vielfalt und habe die Kinder und Erwachsenen vor Ort schon ins Herz geschlossen. Seit ein paar Tagen habe ich sogar ein Fahrrad und kann immer damit zur Arbeit und zurück fahren. Das ist super angenehm und viel schneller als der Bus.

An den Wochenenden fahre ich gerne in die Stadt bzw. das Zentrum und schlendere über einen Markt oder durch die beeindruckenden Straßen von Buenos Aires. Was hat diese Stadt bitte für einen Charme?? Eine Mischung aus Paris, Südfrankreich und Südamerika. Die Gebäude sind ein bisschen runtergekommen, aber mit so viel Detail. Zwischen ihnen ragen riesige Hochhäuser in den Himmel. Schwarz-gelbe Taxis düsen zwischen bunten Bussen über die Straßen.
Während unserer Zeit hier fand schon die Tango-WM und ein Festival  internationaler Kulturen statt – super spannend. Dort haben Länder weltweit auf einer Bühne am Plaza de Mayo den jeweils traditionellen Tanz aufgeführt, das war super schön. Den deutschen Schuhplattler durften wir auch bestaunen…
Das war kurz ein Gefühl von Heimat, aber gleichzeitig auch super komisch in diesem Ambiente. Ich war auf einem öffentlichen Festival, in vielen Parks und auch einem Naturreservat – yay!

Am Samstag fand in meinem Projekt das „Festi Cultural“ statt. Ein Fest der Gemeinschaft und Kultur. Bunte Girlanden schmückten die Bäume, zwischen denen die „Feria“ (der Markt) aufgebaut war. Eine Bühne, mit Kreide bemalter Boden und zwischendrin so viele glückliche Menschen. Herrliche 29 Grad ließen uns gut schwitzen aber das war egal. Es gab Spiele der verschiedenen Sportgruppen, einen Freestyle Rap, eine traditionelle Band und viele ausgestellte Dinge der jeweiligen „Talleres“ (Workshops). Ja und dann gab es noch so viel Tanz. Eine professionelle Gruppe tanzte eine Form des Folklore, der „Taller de movimiento“ tanzte eine Choreographie und der „Taller de Danza“ führte einen Gato auf. Das ist ebenfalls eine Form des Folklore. Und ich Glückspilzen durfte da mittanzen. Seit zwei Wochen übten wir den Tanz ein und tanzten dann mit langen Röcken vor dem Publikum. Ich war richtig aufgeregt davor. Aber alles lief wie gewollt und ich war so glücklich, Teil von dieser Gruppe sein zu dürfen.

Mein Highlight des Abends war der offene Chakarera. Das ist ein Tanz, der im Kreis getanzt wird und alle konnten mit machen. Schon vor dem ersten Ton der Musik sah ich in die Gesichter mir gegenüber und war baff von dem Strahlen, das mir begegnete. Und dann ging’s los. Auch diesen Tanz haben wir mal geübt aber irgendwie war das alles wie ausgeblendet. Ich wurde einfach getragen von der Musik und der Bewegung der Gruppe. Ich weiß gerade gar nicht so richtig, wie ich dir dieses Gefühl beschreiben soll. Wir hielten uns an den Händen, sind im Kreis gehüpft, zusammen und wieder auseinander. Dann Richtungswechsel und durch den Tunnel aus Menschen. Alles um mich herum hab ich nicht mehr wahrgenommen. Ich weiß noch, wie ich kurz da stand, nach oben schaute und es einfach nicht fassen konnte. Ich war so angekommen, fühlte mich so verschmolzen mit allem und wollte, dass es nicht aufhört. Die Atmosphäre, die Liebe fremder Menschen, die sie einfach so nach außen tragen und alle lagen sich irgendwie in den Armen und haben gelacht. Ich hab mich gedreht und gelacht. Mehr nicht. Im Nachhinein wurde mir eins klar: Der Preis für die Schönheit des Moments ist dass er irgendwann halt vorbei geht. Dass er dich kurz mitreißt und sich danach in dein Herz schleicht. Man klingt das kitschig.

Gerade sitze in meinem Bett und entfliehe dem Regen und Wind draußen. Heute ist so ein richtig gemütlicher Tag. Es ist Ende Oktober und der Anfang des Sommers. Wie ist das wohl: Mal im Hochsommer Geburtstag haben? An Weihnachten bei 40 Grad Plätzchen backen? In kurzer Hose Silvester feiern.

Ja okay, so schnell kann gehen und schon fließen die Gedanken in die Tasten und es entsteht ein Text. Danke fürs Lesen:)

Argentinien hat mir schon jetzt gezeigt, das Große darin zu finden, die kleinsten Momente wertzuschätzen.

Nina 

Tschüss Deutschland und Karibu Tansania!

Kimara Korogwe: Die Straße, in der ich wohne

Ankunft in Tansania

Hallo, ich heiße Coralie bin 19 Jahre alt und habe vor fast zwei Monaten meinen kleinen hessischen Heimatort gegen die größte tansanische Stadt, Dar Es Salaam, mit bald 6 Millionen Einwohnenden getauscht. Hier werde ich für 11 Monate einen Freiwilligendienst an einer Grundschule absolvieren.

Nachdem schon auf dem letzten Vorbereitungsseminar in Hamburg viele Abschiedstränen geflossen sind, wurde bei mir die Vorfreude in den Wochen vor dem Abflug größer als die Angst vor den Abschieden. Ich konnte es kaum abwarten endlich selbst zu sehen, ob sich meine Erwartungen erfüllen werden oder wie anders am Ende doch alles ist.

Am 22.08.23 ging es dann auch wirklich für mich los. Ich hatte mich bereits ein paar Tage vorher auf Island von meiner Familie verabschiedet und habe dann in Frankfurt noch meinen Großeltern und ein paar engen Freunden Tschüss gesagt und schon saß ich zusammen mit meinem Mitfreiwilligen Julius im Flieger nach Istanbul. Dort haben wir dann zwei weitere Freiwillige, Frida und Sarah getroffen und sind direkt weiter nach Dar Es Salaam geflogen. Mit der Ankunft um 2:30Uhr in Tansania, hatte ich bereits den Ort meines Freiwilligendienstes erreicht, während die anderen noch weitermussten. Da Julius Weiterflug allerdings gecancelt wurde, haben wir die Zeit in Tansania gemeinsam gestartet. Vom Flughafen wurden wir von dem Deutschlehrer der Schule, an der ich arbeite, abgeholt. Eine Parkkralle und viele holprige Straßen später sind wir gegen 4:30Uhr bei meiner Mentorin zuhause angekommen, bei der wir die ersten zwei Nächte geschlafen haben. 

Den ersten richtigen Eindruck von Daressalaam habe ich dann auch erst ausgeschlafen am nächsten Nachmittag bekommen. Julius und ich haben uns auf die Suche nach dem indischen Ocean gemacht und sind dabei an einem Fischmarkt, einem Fußballplatz, vielen Ziegen und sehr vielen aufgeschlossenen Menschen vorbeigekommen. Ein Unterschied, der direkt auffällt, in Tansania ist das Straßenleben sehr viel aktiver als in Deutschland. Überall gibt es Straßenstände oder kleine Läden, an denen Gemüse, Obst, Kleidung, Fingerfood, Stoffe und vieles mehr verkauft wird und man kann daran eigentlich nicht vorbei gehen ohne, dass einem ein „Karibu!“ (Wikommen!) zugerufen wird.

Nach dem entspannten Start bei meiner Mentorin zuhause, wurden die nächsten drei Tage umso aufregender. Zunächst habe ich meine Mitfreiwillige und Mitbewohnerin Karo kennengelernt. Wir wohnen zusammen auf den Kirchengelände, der KKKT Lutheran Parish in dem Stadtteil Kimara. Auf dem Gelände befindet sich neben dem Gebäude, in dem wir wohnen, eine Kirche, in der jeden Tag ein Gottesdienst stattfindet und jeden Sonntag mehr als 4000 GottesdienstbesucherInnen Platz finden. Außerdem gehört zu der Gemeinde ein Krankenhaus, die Pre- und Primary School, in der ich arbeite, eine Secondary School und ein Waisenhaus, in dem meine Mitfreiwillige arbeitet. In den ersten Tagen konnten wir bereits viele Gemeindemitglieder sowie die beiden Pastoren der Gemeinde kennenlernen, die uns sehr freundlich empfangen haben. Zudem haben wir im Waisenhaus zu Abend gegessen und hatten somit die Möglichkeit bereits Karos Einsatzstelle und die Kinder kennenzulernen. Sonntags konnten wir mit anderen weltwärts Freiwilligen außerdem die deutsche Gemeinde in Daressalaam kennenlernen, die einmal im Monat einen Gottesdienst feiert.


Sprachkurs

Nach vier Tagen in Daressalaam, sind wir dann zu siebt Richtung Morogoro zu unserem zweiwöchigen Sprachkurs aufgebrochen. Dort habe ich mit 18 weiteren Freiwilligen auf den Campus einer Secondary School gewohnt. Wir haben in dieser Zeit nicht nur viel Swahili Grammatik gelernt, sondern auch, wie man typisch tansanisches Essen kocht. Wir waren wandern, haben Morogoro kennengelernt, Sonnenaufgänge angeschaut und viel über Tansania erfahren. Ich fand Besonders den Austausch mit den anderen Freiwilligen schön und dass unsere LehrerInnen so viel Spaß daran hatten, uns einen Einblick in die tansanische Kultur und Sprache zu geben. Insgesamt hat der Sprachkurs in Morogoro für einen sehr angenehmen Start in ein so aufregendes Jahr gesorgt.

Morogoro, kochen von typisch tansanischen Essen

Erste Arbeitswochen

Eigentlich ist meine Einsatzstelle die Jerusalem Pre- und Primaryschool. Diese Schule wird von etwa 1300 SchülerInnen besucht und ist die einzige in Dar Es Salaam, in der Deutsch Unterrichtet wird. Ich arbeite allerdings erst seit zwei Wochen an der Schule, da der Deutschlehrer, den ich hier unterstütze zuvor in Deutschland war, um die Partnerschaft mit einer Hamburger Schule zu stärken.
Meine ersten Arbeitswochen habe ich also zusammen mit meiner Mitfreiwilligen Karo im Waisenhaus „Jerusalem Home“ verbracht. Im Jerusalem Home wohnen aktuell 38 Kinder, die zwischen 2 Monate und 13 Jahre alt sind und aus verschiedenen Gründen nicht mehr bei ihren Familien wohnen. Sie sind auf zwei Stockwerke verteilt, um eine bessere Betreuung zu gewährleisten. Im zweiten Stock des Gebäudes wohnen die sechs jüngsten Kinder und mit ihnen in Tag- und Nachtschichten immer mindestens zwei Betreuerinnen. Im ersten Stock wohnen die älteren Kinder, von denen fast alle schon in die Schule gehen. Vormittags sind dort nur vier Kinder zuhause. Unsere Aufgabe war es entweder oben oder unten mit den Kindern zu spielen, sie zu wickeln, zu baden, ihnen beim Essen zu helfen oder die Betreuerinnen beim Abwasch oder Wäschefalten zu unterstützen. Während es vormittags meisten relativ entspannt ist, mit wenigen Kindern, kann es um so chaotischer werden, wenn Nachmittags alle Kinder da sind. Die Arbeit hat mir trotzdem immer sehr viel Spaß gemacht und ich gehe immer noch jeden Tag, nach der Arbeit in der Schule, rüber ins Waisenhaus, um die Kinder zu sehen, die mir jetzt schon sehr ans Herz gewachsen sind.
In der Schule versuche ich den Deutschunterricht zu unterstützen und korrigiere zudem die Hausaufgaben der SchülerInnen. Auch hier gibt es, wie im Waisenhaus, immer genug zu tun, da alle Stufen Deutschunterricht haben und es nur einen Deutschlehrer gibt.

Freizeit

Da unsere Arbeitsstunden sehr unterschiedlich sind und wir auch oft bis Abends im Waisenhaus bei den Kindern sind, ist auch unsere Freizeit eher ungeregelt. Oft müssen wir uns erstmal um den Haushalt kümmern, wenn wir von der Arbeit nach Hause kommen. Da wir das Waschen mit der Hand nicht gewöhnt sind und sich über den Tag auch immer viel Geschirr ansammelt, was abgewaschen werden muss, dauert der Haushalt oft länger als wir denken und es bleibt daher unter der Woche nur wenig Freizeit. Wir nutzen allerdings oft die Mittagspause um uns auszuruhen und sind auch manchmal schon früher auf unser Zimmer gegangen, wenn es uns zu viel wurde. In dem Gebäude, in dem wir wohnen, leben mit uns ca. 60 Jungs im Alter von 13 bis 20 Jahren, die auf die Secondary School gehen, welche ein Internat ist. In den letzten Wochen haben wir die Jungs von unseren Gang immer besser kennengelernt und lassen den Tag oft gemeinsam mit ein paar Runden UNO ausklingen.
Mehr Freizeit haben wir dann an den Wochenenden, an denen wir häufig in die Innenstadt fahren und dort auf Märkte gehen, Cafés testen oder einen Standspaziergang machen. Von Kimara aus dauert es etwa eine Dreiviertelstunde mit dem Schnellbus in die Innenstadt. Neben dem Schnellbus kann man aber auch verschiedene Daladalas (Kleinbusse) nehmen, bei denen wir aber nie ganz sicher sind wo wir am Ende raus kommen. So haben wir allerdings auch schon einige schöne Ecken der Stadt ungeplant entdeckt. Insgesamt ist es immer aufregend sich in Dar Es Salaam zu bewegen, es ist immer etwas los und wir haben schon an den verschiedensten Orten sehr coole Menschen kennengelernt.

Meine ersten Monate in Kenia – Ankommen irgendwo zwischen Nationalpark und Millionenstadt

Hallo oder auf Swahili Habari zu meinem ersten Blogeintrag,

Es freut mich, dass du auf meinen Blogeintrag gestoßen bist. Erst einmal möchte ich mich vorstellen. Ich heiße Jette Nienburg, bin 19 Jahre alt und komme aus der Nähe von Hamburg. Für mich stand schon lange fest, dass ich mich nach der Schule sowohl gerne sozial engagieren als auch ins Ausland möchte, um viele neue Erfahrungen zu sammeln und neue Leute kennenzulernen. Allerdings bin ich erst im April diesen Jahres über das Nachrückverfahren an meine Stelle im PLCC (Pangani Lutheran Children Centre) in Nairobi gekommen. Doch ich bin unfassbar glücklich, dass es so gekommen ist und ich nun für elf Monate in Kenia leben darf!

Mittlerweile sind schon über zwei Monate vorüber, weshalb ich in diesem Blogeintrag meine ersten Eindrücke aus dieser Zeit schildern möchte.

Lena und ich am Flughafen Hamburg

Es ist es verrückt, wie die Zeit rennt und wie unfassbar viel ich schon in dieser Zeit erleben durfte. Es fühlt sich an, als wäre es schon eine Ewigkeit her, wenn ich an den Abschied in Deutschland von meiner Familie und meinen engsten Freunden denke.
Nach Monaten der intensiven Vorbereitung, bei der mir vor allem die Vorbereitungsseminare extrem geholfen haben, ging es am 08.08.2023 für Lena und mich als erste Freiwillige unseres Freiwilligenjahrgangs los auf die Reise nach Kenia. Mit jeweils drei großen Gepäckstücken waren wir gut bepackt und gerade noch an dem Punkt, dass wir unser Gepäck selber tragen konnten. Aber abgesehen von diesen physischen Gepäck trugen wir jede Menge psychisches „Gepäck“ in Form von Anspannung, Aufregung, langsamer Realisation und vor allem super viel Freude, dass es endlich losgeht, mit uns. Es war ein super komisches Gefühl, aber auch ein einmaliges, was ich nicht hätte missen wollen.

Nach rund 16 Stunden Flug sind wir ohne weitere Zwischenfälle angekommen und wurden am Flughafen auch direkt sehr herzlich von Mitarbeitern unserer Einsatzstelle begrüßt.
Solange hat man sich vorgestellt, wie es wohl in diesem fremden Land sein würde, verspürte Fernweh, hat auf alles hingefiebert und plötzlich war man einfach da. So richtig realisiert habe ich das erst auf der Taxifahrt vom Flughafen zum PLCC. Wir sind am Nationalpark vorbeigekommen, konnten die beeindruckende Landschaft wahrnehmen und haben aufgeregt nach den ersten Tieren Ausschau gehalten. Dann waren da der Linksverkehr, für uns fremd und obendrein super quirlig, und die teilweise sehr verrückten Straßenverhältnisse. Beim Blick aus dem Fenster konnte man erste Eindrücke von Nairobi erhaschen. Es wirkte bunt und laut. Das alles löste in mir Faszination und Freude aus aber gleichzeitig auch ein bisschen Überforderung.

Irgendwie war da ungewollt schon eine gewisse Erwartungshaltung, dass nun alles so wird, wie man sich das vorgestellt hat. Deshalb musste ich mich immer wieder daran erinnern, offen gegenüber allem Neuen und Fremden zu sein und mir Zeit zu geben, anzukommen. Und es hat funktioniert. Mittlerweile löst das Bild der vielen kleine Straßenstände mit Obst und Gemüse und der Motorräder, die sich zwischen den Autos durch schlängeln, kein Gefühl der Fremde mehr in mir aus, sondern eher ein Gefühl des Zuhauseseins. Nun sind es genau diese Aspekte, die ich hier liebe und schätze.

Dieses Beispiel lässt sich auf Vieles übertragen, was mir am Anfang Sorgen bereitet hat und ich mittlerweile entspannt sehe. So huscht mir jetzt zum Beispiel ein Lächeln übers Gesicht, wenn ich daran zurück denke, dass Lena und ich am ersten Abend nur unsere Kopflampen als Beleuchtung benutzt haben, weil wir Angst hatten, dass vom großen Deckenlicht zu viele Mücken ins Haus kommen. Oder auch dass ich am ersten Abend super viel Angst vor Spinnen oder anderen Tieren hatte und mich nur mit Überwindung getraut habe, meine Vorhänge in meinem Zimmer zu schließen. Irgendwie war zu dieser Zeit alles neu und ein bisschen gruselig.

Eines der vielen Matatus Nairobis: Auch in Nairobi gibt es Dortmund Fans:)

Umso glücklicher bin ich, dass uns in unser ersten Woche noch Anna-Lena, eine unserer Vorfreiwilligen, zur Seite stand. Sie hat uns in dieser Zeit Vieles gezeigt und erklärt. Sie hat uns ein bisschen in Nairobi herumgeführt, uns gezeigt wie das digitale Bezahlungssystem, MPesa, über das hier vieles läuft, funktioniert oder auch wie man sich hier am besten mit den öffentlichen Verkehrsmitteln fortbewegt.
Hier ist es üblich, sich in Kleinbussen, den sogenannten Matatus, fortzubewegen. Diese haben allerdings nicht viel mit den öffentlichen Bussen in Deutschland zu tun. Deshalb muss man einiges beachten. Es fängt damit an, dass die Matatus keine feste Abfahrtszeiten haben, sondern immer dann fahren, wenn sie bis auf den letzten Platz voll sind. Aber auch die Fahrt an sich ist sehr abenteuerlich: laute Musik, es ist sehr klein und eng und man muss aufstehen und laut rufen, wenn man aussteigen möchte. Am Anfang war das sehr aufregend. Die Matatus kann man in gewisser Maßen als Metapher für die kenianische Lebensweise sehe. Es ist nicht streng getaktet, es gibt kein wirkliches „zu spät” und es ist oft laut und fröhlich.

Eine weitere Sache, die ich ganz zum Beginn meiner Zeit hier lernen musste, ist, dass es deutlich kälter ist, als ich mir das von Deutschland aus vorgestellt habe. Irgendwie war ich so naiv und dachte, dass es direkt am Äquator immer heiß ist, auch wenn meine Wetterapp etwas anderes gesagt hat. Ich wurde Besserem belehrt. Nairobi liegt auf über 1700 Metern Höhenlage und ist dementsprechend überraschend kühl. Ich habe hier schon öfters gefroren und bereut, dass ich nicht mehr warme Klamotten eingepackt habe. Aber mit viel Tee und dem guten Zwiebellook kommt man gut um die Runden. Irgendwie lernt man doch zu improvisieren, auch wenn es manchmal bedeutet 3 T-Shirts übereinander zu tragen.

Mit der Zeit fällt es mir immer einfacher, Dinge, die ich nicht ändern kann, zu akzeptieren. Auch wenn man bei den Straßenverhältnissen hier teilweise für 20 Minuten durchgeschüttelt wird oder man trotz verabredeter Zeit ein halbe Stunde auf eine Person warten muss. Irgendwie ist es dann so und wird akzeptiert.

Alles in einem bin ich sehr glücklich, hier zu sein und freu mich auf alles, was ich in den nächsten Monaten noch erleben darf.

Kwaheri aus Kenia von Jette:)