War ich nicht schonmal hier? Meine Ankunft in Südamerika

Ein leichtes schaukeln, das etwas lautere Summen der Klimaanlage. Ich erfriere! Das denke ich gerade, während ich schon zum vierten Mal innerhalb von 2 Wochen eine fünf stündige Busfahrt von der Hauptstadt zu meiner Heimatstadt antrete. Warum das ganze? Ich fang von vorne an. Also ich meine von ganz vorne.

Haupei! Ich bin Felix, 19 Jahre alt und wohne in Berlin. Nachdem ich 2022 mein Abi endlich in der Tasche hatte, war mir ziemlich klar das ich jetzt erstmal für eine Zeit nichts mehr mit Schule oder Uni zu tun haben will. In erster Linie war mein Ziel mal von zu Hause wegzukommen und neue Leute kennenzulernen. Einmal habe ich mich verguckt, schon stand ich Anfang Februar am Flughafen in Rio de Janeiro. Drei Monate alleine durch Südamerika reisen waren das Ziel. Aber darum soll es in diesem Blog nicht gehen, deswegen fasse ich die drei Monate alleine reisen in einem Satz zusammen: Südamerika hat mir so enorm gut gefallen, dass ich mich mit Mühe und Not noch auf einen Nachrückplatz beim ZMÖ beworben konnte. Wie durch ein Wunder, wurde spontan noch eine Stelle in meinem Länder- und Städtefavorit frei. Ciudad Del Este, Paraguay. Um ehrlich zu sein, wusste ich anfangs, so wie ihr wahrscheinlich auch, nichts über Paraguay. Ich meine warum auch? Das Land hat keine weltbekannten Touristenattraktionen wie zum Beispiel eine riesige Christstatue oder einen Eifelturm. Dieser scheinbar unauffällige und nicht besondere Charme, machte für mich das Land noch viel interessanter. Was mich erwartet wusste ich aber trotzdem nicht. Nach einigen Seminaren und Komplikationen mit meinem Endgegner „Deutsche Bürokratie“ bei der Visa Vorbereitung (dazu später mehr) ging es also am 14. August endlich los.

Kurz vor Abflug am Frankfurter Flughafen

Nervös war ich überraschender weise kaum, was wahrscheinlich daran lag, dass ich zum einen erst vor kurzem für drei Monate weg war aber vor allem zum anderen daran, dass ich schon einige Leute von den Seminaren kannte und mein Kumpel Andreu auch nach Paraguay ging. Gegen 21 Uhr abends hob unser Flugzeug, gefüllt mit 60 Freiwilligen) Richtung Buenos Aires ab. Angekommen, durchatmen und sich fragen, was sich seit dem letzten Mal im April, als ich in der argentinischen Hauptstadt war, geändert hat. Nicht viel. Das Sonnenlicht wirkte eher kalt. Naja, Winter halt. Temperaturen auch nicht mehr so schön warm wie im noch spätsommerlichen Deutschland. Jetzt also zwei Wochen Vorbereitungsseminar in Buenos Aires. Die 60 Freiwilligen wurden in 4 verschiedene Unterkünfte aufgeteilt, die in der 12 Millionen Einwohner Stadt verteilt waren. Meine Unterkunft war direkt am Wahrzeichen von Argentinien, dem „Obelisto“. Jeden Morgen ging es für uns vom Zentrum aus zum Seminarhaus der IERP. Das Seminar bestand aus Workshops, einem Sprachkurs für alle Sprachlevel und Ausflügen in und außerhalb von Buenos Aires. Mir hat das Seminar deshalb so gut gefallen, weil man viele neue Freiwillige kennengelernt hat. Wir waren feiern, essen oder haben gemeinsam gekocht. Ich habe einige Orte wieder besucht, an denen ich schon 4 Monate vorher war.

Die zwei Wochen vergingen schneller als ich gedacht hätte und schon saßen wir am Dienstag den 29. August am Busbahnhof „Retiro“. Der Abschied von den neuen Bekanntschaften fiel nicht leicht. Zwanzig Stunden Busfahrt, bis ich in Ciudad Del Este ankam. Der Grenzübergang verlief problemlos und um 13 Uhr mittags kamen wir endlich verschlafen in Ciudad Del Este an. Mein Chef Jose und zwei Leute von der Arbeitsstelle von meiner Mitfreiwilligen Malena holten uns vom Busbahnhof ab und bringen uns zu unserem zu Hause für das kommende Jahr. Mein Zimmer hatte ein Bett und einen Schrank, weshalb es ziemlich leer und trostlos wirkte. Auf den ersten Blick hatte unser Haus einige Mängel. Trotzdem gefiel mir mein neues zu Hause echt gut. Unsere Vermieterin Julie ist super nett und nachdem ich von der Busfahrt ein wenig erkältet war, begann vier Tage nach der Ankunft mein erster Arbeitstag.

Ich arbeite in der „Hogar de Niños“, was man ein bisschen mit einem Hort vergleichen kann. Es geht darum, dass Kinder nach oder vor der „richtigen“ Schule einen Ort haben, an dem sie Unterstützung bei Hausaufgaben bekommen oder Sport machen können. Das Gelände von meinem Projekt ist richtig groß. Es gibt einen Sportplatz, eine Turnhalle, einen Computerraum und einige Klassenräume für die fünf Gruppen, in denen die 6 bis 18 jährigen Kinder eingeteilt werden. Am Anfang habe ich mich sehr unnötig bei meiner Arbeit gefühlt und stand oft nur daneben rum. Auch wenn man schon von den Vorfreiwilligen gehört hat, dass das am Anfang normal sei, hat es sich komisch angefühlt. Mittlerweile liebe ich aber meine Arbeitsstelle. Die Leute sind alle super nett und entspannt und man kann selber schauen, in welcher Altersgruppe man sich am wohlsten fühlt. Ich arbeite jetzt mit Jugendlichen zusammen und bringe ihnen die Basics von Computerprogrammen wie „Word“ bei oder unterstütze sie, ihre Arbeitshefte von der Schule zu bearbeiten. Manchmal machen wir Ausflüge an einen See zum Baden oder arbeiten im Garten.

Ich wohne ja in Ciudad Del Este, ganz im Osten von dem Land. Direkt am Drei Länder Eck von Brasilien Argentinien und Paraguay. Die Stadt Ciudad Del Este ist glaube ich vom Stadtbild einzigartig. Das Zentrum besteht aus Einkaufszentren, die sich bis zur brasilianischen Grenze ziehen und einem riesigen Markt auf dem vor allem Elektrogeräte verkauft werden. Jeden Tag kommen tausende Menschen aus Brasilien und Argentinien um in Paraguay günstige Elektronikgeräte zu kaufen. Wenn man ein bisschen aus dem Zentrum rausgeht, gibt es einen großen Stadtsee mit einem noch größeren Park an dem sich die Clubs und Bars anreihen. Wir wohnen eher am Rand von der Stadt aber mit Uber oder Bolt, was im Gegensatz zu Deutschland hier extrem günstig ist, kommt man schnell in die Stadt.  Was ich am liebsten mache, ist mit einem Motortaxi (also ein Taxi nur mit einem Motorrad) zu fahren, da es nochmal günstiger und man bei dem teilweise schlimmen Verkehr deutlich schneller ist. Wenn ich ganz ehrlich bin, habe ich momentan, zweieinhalb Monate nach Ankunft, erst einen Bruchteil der Stadt gesehen. Trotzdem liebe ich es, jeden Tag neue Sachen zu entdecken und bin mittlerweile mit einem Fahrrad auch ein bisschen flexibler.

Eine Sache muss ich noch erzählen: Die Sache mit dem Visum. Paraguay macht es einem echt nicht leicht mit der Beantragung von einer „Residencia Temporal“ also einer vorübergehenden Aufenthaltsgenehmigung. Das wundert mich auch nicht wirklich, da schon seit Jahrzehnten und besonders seit 2020 viele Deutsche nach Paraguay auswandern. Nachdem wir nun die letzten zwei Wochen zwei mal in der Hauptstadt „Asunción“ waren, nochmal neue Dokumente beantragt und kopiert haben, konnten wir nach einem großen hin und her endlich unsere „Residencia Temporal“ beantragen. Das war ziemlich knapp, denn einen Monat später hätten wir schon mit unserem Touristenvisum das Land verlassen müssen.

Ob ich jetzt angekommen bin? Keine Ahnung. Ehrlich gesagt, dachte ich schon nach den ersten zwei Wochen, dass ich mich eingelebt hatte. Aber einen richtigen Alltag mit neuen Hobbys habe ich mir erst jetzt, nach zweieinhalb Monaten aufgebaut. Ich kann aber sagen, dass ich es hier liebe und ich viele Sachen, die ich schon auf meiner Backpacking Reise kennengelernt habe, wiederkenne.

Ich werde wahrscheinlich bald wieder was zum schreiben haben, da es auch hier langsam weihnachtlich wird. Ich sehr gespannt bin, ob ich bei 30 Grad in Weihnachtsstimmung kommen kann.

Wo liegt eigentlich Paraguay?

Hallo, Hola und Mba’éichapa (Guaraní)

Ich bin Lea und ich mache meinen Freiwilligendienst in Asunción, Paraguay

Paraguay ist ein Land, in dem es nur wenig Tourismus gibt und welches für viele Menschen noch unbekannt ist. Für mich war das nicht anders. Als ich meinen Platz bekommen habe, waren alle natürlich neugierig und haben angefangen mir alle möglichen Fragen zu stellen. Die Tatsache, dass ich nur sagen konnte, dass Asunción die Hauptstadt ist, es zwischen Argentinien und Brasilien liegt und ich nirgends einen Reiseführer dafür finden kann, war da leider nicht ausreichend genug. 

Also musste erstmal gegoogelt werden…Ahh okay, fast 7 Millionen EinwohnerInnen, wenig Tourismus, überraschend viele deutsche und zwei Amtssprachen; Spanisch und die indigene Sprache Guaraní, welche genau so heißt wie auch die Währung vor Ort (1€ sind ungefähr 8.000 Guaraní). Stück für Stück konnte ich immer mehr über Paraguay herausfinden und die ganzen Fragen mehr oder weniger beantworten. Inzwischen weiß ich schon deutlich mehr über das Land, die Menschen und ihre Kultur und ich lerne jeden Tag dazu. 

Aber jetzt ist natürlich auch die Frage was ich hier eigentlich so mache; 

Ich arbeite in der Callescuela, diese ist eine Organisation, die sich für die Förderung der Rechte von Kindern und Jugendlichen einsetzt. Besonders für arbeitende Kinder und Jugendliche. Neben dem Büro gibt es in Asunción 4 Einsatzstellen, von denen dieses Jahr 3 besetzt sind. Ich arbeite in der Einsatzstelle “Villa Elisa”, welche eine von den Stellen ist, die sich direkt in einer der “Comunidades” (Gemeinschaft/Siedlung) befindet.

Dann gibt es noch “9 de Marzo” oder „Nueve de Marzo“, wo eine Freiwillige arbeitet und der “Mercado Abasto”, auf dem noch zwei weitere Freiwillige arbeiten.

Mein „Zuhause“ ist hier in einer Art Studentenheim, in dem ich gemeinsam mit 4 weiteren Freiwilligen lebe. Ich habe meine eigenen vier Wände (+ gelegentliche Besuche von Ameisen) und sogar ein eigenes kleines Bad. Auf dem Gelände leben ungefähr 30 StudentenInnen, die Vermieterin mit ihrer Familie, die deutsche Kirche mit dem deutschen Pastor und seiner Frau und 4 Hunde. Es gibt mehrere Gebäude auf dem Gelände verteilt, ein Fußballplatz, sehr viel grüne Fläche und Papaya Bäume.

Einen typischen Tag bzw. Woche könnt ihr euch so vorstellen: 

Um ca. 6:30 Uhr stehe ich auf, Frühstücke etwas und mache mich fertig. Zwischen 7:00-7:15 gehe ich los zu meiner Busstation und dann heißt es erstmal warten, bis der richtige Bus kommt, das kann manchmal sehr lange dauern und für eine Person, die aus einer Großstadt wie Hamburg kommt, fühlt es sich wie eine Ewigkeit an. Wenn der Bus dann da ist, muss ich ungefähr 30-45 Minuten fahren, je nach dem wie viel Verkehr es gibt. Manchmal nutze ich die Zeit zum Vokabeln lernen, meistens schlafe ich aber einfach ein.

Angekommen in Villa Elisa:

Dort gibt es drei verschiedene Altersgruppen. „CEPI“ (2-4), „Abeja‘s“(6-13) und „Goats“(Jugendliche). Dienstags und Donnerstags gibt es eine sogenannte „Refuerzo“ (Hausaufgabenhilfe), bei der auch eine Professorin/Lehrerin da ist und mit den Kindern schreiben, lesen und Guaraní lernt oder ihnen beim Hausaufgaben machen hilft. Am Mittwoch und Freitag Nachmittag ist immer die „CEPI“ Gruppe da. Es wird gespielt, gesungen, gebastelt und gegessen. Samstag Vormittags sind dann noch die Jugendlichen da. Dort gibt es meistens eine „Reunión“ (Eine Besprechung/Sitzung), bei der viele verschiedene Themen besprochen werden.

Mittwochs und Freitags habe ich nach der Arbeit von 18-20:00 noch Training. Ich habe das Glück hier, das Ringen weiter fortzuführen und habe mich sehr früh bereits über Vereine und Trainingsmöglichkeiten informiert. Das hat mir sehr geholfen eine gewisse Routine und etwas vertrautes, aber trotzdem auch neues/anderes in diesem ganzen Chaos zu haben. Auch wenn mir manchmal die Motivation fehlt, schaffe ich es meistens trotzdem mich zum Training zu motivieren und im Nachhinein bin ich auch immer sehr froh, da gewesen zu sein. 

Nach dem Training geht es wieder nachhause und meistens machen wir Freiwilligen noch etwas zusammen, wie reden, kochen oder spielen „Wizzard“. Das Wochenende fängt für mich am Samstag Nachmittag an und geht bis Montag. Wenn wir nicht gerade etwas gemeinsam unternehmen, ist das auch die Zeit, wo ich meine Wäsche waschen kann, einkaufen gehe oder ein bisschen mein Zimmer und Bad putzen kann.

Inzwischen lebe ich mich so langsam ein, auch wenn es mir manchmal noch etwas schwer fällt und ich noch viel an mein Zuhause denken muss. Ich bin aber sehr froh, hier in Asunción gelandet zu sein! Auch in meiner Einsatzstelle fühle ich mich immer wohler. Der Arbeitsweg wird zur Routine, der Bus ein guter Ort für Power-naps und jedes mal wenn ich meine Communidad betrete, überkommt mich ein wohliges Gefühl. 

Ich bin sehr dankbar für die ganzen Menschen, die mir diese Zeit hier ermöglichen und vor allem bin ich gerade sehr dankbar für die Personen, die mir das ankommen hier erleichtern, unabhängig davon, ob sie dabei tausende von Kilometern entfernt sind, nur durch eine regelmäßig abrechende WLAN Verbindung für mich da sind oder ob sie ganz nah sind und mit der Hilfe von Google Übersetzer mir hier vor Ort helfen, Ich bin sehr dankbar dafür! 

Was noch ein bisschen ein Stein im Schuh ist, ist das Thema Visum. Anders als die meisten, müssen wir erst hier vor Ort den größten Teil dafür machen. Was vor einem halben Jahr noch sehr toll war, ist jetzt leider sehr nervig. Für uns heißt das nämlich, regelmäßige Besuche bei verschiedenen Behörden und ständig von A nach B rennen. Aktuell haben wir aber alle Dokumente und müssen jetzt nur noch das finale Visum beantragen. Zum Glück werden wir viel dabei unterstützt, was die ganze Sache deutlich leichter macht. Ich werde aber trotzdem sehr froh sein, wenn das kein Thema mehr ist.

Dafür gibt es aber viele andere schöne Dinge und Momente hier, über die ich mich immer freuen kann. Zum Beispiel, wenn ich weniger als 15 Minuten auf meinen Bus warten muss, die Papaya Bäume im Studentenheim, der Beginn der Mango-Saison, Dienstags und Donnerstags „Cocido con leche“ trinken (Eine Art schwarzer Tee mit Milch und einem Jahresvorrat an Zucker), etwas anderes gekocht zu haben als Nudeln mit Soße, ein neues Wort auf Guaraní lernen, wenn es nach ein paar heißen Tagen wieder auf 25 Grad abkühlt oder wenn man sich endlich dazu aufbringen kann einen neuen 25L Wasserkanister die Treppe hoch zu schleppen. 

Wie ihr seht gibt es hier viele Dinge und noch mehr über die ich mich regelmäßig freuen kann, auch wenn ich anfangs einige davon als große Qual gesehen habe. Aber sin problema (ohne/kein Problem), wenn ich wieder zuhause bin, wird mir nie wieder zu heiß sein, ich kann 1A Nudeln kochen und habe Muskeln wie Arnold Schwarzenegger.

Willkommen in Südamerika!

Was vor 3 Monaten noch unvorstellbar war, ist nun Wirklichkeit. Inzwischen bin ich schon seit zweieinhalb Monaten auf südamerikanischen Boden und die einst so weit entfernte Vorstellung von dem Leben hier ist plötzlich mein Alltag geworden.

Am 14. August ging es los und ich stand mit meinen Eltern und meiner Schwester und so vielen anderen Lateinamerika-Freiwilligen vom ZMÖ und anderen Organisationen am Flughafen. Ich hatte mich in den letzten Wochen vor meinem Abflug von so vielen Menschen verabschiedet und war das Abschiednehmen gewöhnt und trotzdem war es komisch, dass es auf einmal so weit war. Ich war auf dem Weg in das Abenteuer, auf das ich mich Monate gefreut hatte.

Wir hatten das Glück, mit einem Direktflug von Frankfurt direkt nach Buenos Aires zu fliegen, wo wir mit insgesamt 51 Freiwilligen zwei Wochen lang ein Einführungsseminar besuchten. Die meisten Freiwilligen lernte ich bereits am Flughafen kennen, unter anderem meine Mitbewohnerinnen Freia und Klara. Aufregung, Vorfreude und gleichzeitig ein bisschen Angst lagen in der Luft und dann hieß es BOARDING. 

Die 14 Stunden Flug vergingen deutlich schneller als ich mir vorgestellt hatte und plötzlich trafen wir schon auf argentinischen Boden. Am Flughafen wurden wir direkt von Anna und Peter von der IERP, der Partnerorganisation, die Ansprechpartner für uns alle ist, in Empfang genommen und zu unseren Unterkünften gebracht.

Nachdem wir unsere WGs für die 2 Wochen kennengelernt hatten, ging es dann los die Stadt erkunden. Ich war unfassbar aufgeregt, das erste Mal außerhalb von Europa zu sein und unfassbar neugierig alles kennenzulernen.

Am nächsten Tag ging dann das Seminar los und nach und nach lernten wir uns alle kennen und verstanden uns auf Anhieb ziemlich gut. Durch das Zusammenleben in WGs wurden wir schon auf unseren späteren Alltag vorbereitet, was mir tatsächlich sehr geholfen hat und ich habe nach einem Tag bereits sehr zu schätzen gewusst, diese WG zu haben. 

Während des Seminars wurde uns nochmal super viel mit auf den Weg gegeben. Von organisatorischen Fragen, über länderspezifische Einheiten bis hin zu Sprachkursen und Workshops wurde alles abgeklappert. Besonders spannend fand ich die Einheit zur Geschichte Lateinamerikas und den Folklore-Workshop, das war einfach sehr berührend und inspirierend. Auch der Sprachkurs war ein perfekter Einstieg und hat uns alle langsam an den Alltag hier herangeführt. Die zwei Wochen in Argentinien waren einfach eine ganz besondere und vielfältige Zeit, für die ich sehr dankbar bin. 

Und so schnell, wie wir in Argentinien angekommen waren, ging es dann auch schon weiter nach Paraguay. Wir haben am letzten Tag des Seminars noch ein großes Abschiedsgrillen veranstaltet und die letzten Stunden alle zusammen genossen. Am nächsten Morgen ging es dann los.

Wir sind mit dem Bus, der wirklich sehr gemütlich war, von Buenos Aires direkt nach Ciudad del Este gefahren. Jede*r hatte einen breiten Sessel mit Fußablage und alles war sehr geräumig. An der Grenze verlief auch alles problemlos und bald waren wir auch schon in Hohenau, wo zwei Freiwillige ausgestiegen sind. Es blieben also nur noch wir vier auf dem Weg nach Ciudad del Este. Das war der Punkt, an dem ich das erste Mal so richtig realisiert habe, dass es jetzt wirklich losgeht zu dem Ort, der für ein Jahr mein Zuhause wird.

Angekommen! (Felix, ich, Klara, Yulie, Julia, Freia und José von links nach rechts)

Nach 24 Stunden im Bus kamen wir dann an und wurden von der Leitung unserer Projekte (Julia und José) abgeholt und mit einem landestypischen Essen begrüßt. Es gab „sopa paraguaya“, einen herzhaften Kuchen aus Maismehl und Käse, und Fleisch mit einer Gemüsepfanne. Danach ging es zu unserem Haus und uns wurde alles gezeigt und erklärt. Dort hat uns auch unsere Vermieterin Yulie in Empfang genommen, mit der wir uns ein Grundstück teilen. Die ersten Tage hatten wir erstmal Zeit, um uns einzuleben und zu organisieren, was Einkäufe und erste Anschaffungen anging. Durch Kollegen von der Arbeit oder unsere sehr hilfsbereiten Nachbarn haben wir z.B. herausgefunden, dass wir am besten auf dem Mercado einkaufen, wo es so gut wie alles gibt, oder wo wir unser Trinkwasser auffüllen können. Außerdem wurden Zimmer eingerichtet, Schränke eingeräumt, Fotos aufgehängt und Musik gehört.

Am Montag haben wir dann das erste Mal gearbeitet und wurden dem Team und nach und nach den Kindern vorgestellt. Das war total schön und überwältigend gleichzeitig. Freia und ich arbeiten beide bei der Callescuela und haben uns zusammen zwei Wochen zwei verschiedene Standorte der Callescuela angeschaut. In beiden Standorten gibt es mehrere Bereiche, wie den Kindergarten „CEPI“, die Nachhilfe „Refuerzo Escolar“ und Gruppen, die sich politisch engagieren. Wir haben uns nach diesen Einführungswochen dann auf die Standorte aufgeteilt und nun arbeite ich in „Kilometro 9“ und es macht mir wirklich Spaß. Durch die verschiedenen Altersgruppen und Aktivitäten ist es abwechslungsreich und ich arbeite mit verschiedenen Kollegen zusammen. Die Kinder haben mich alle direkt aufgenommen und sind super offen, was mir den Einstieg sehr erleichtert hat. Das Projekt ist außerdem relativ ländlich und langsam weiß ich schon, wer wo wohnt und erkenne Familien, die mich auch schon freundlich begrüßen, wenn ich zur Arbeit komme. Allgemein sind alle Menschen, die ich bisher getroffen habe, total nett und hilfsbereit und helfen mir sehr, mich hier einzufinden und mich zu verständigen. Dafür bin ich sehr dankbar!

Inzwischen haben wir uns alle noch mehr eingelebt und ich fühle mich wirklich wohl hier und bin richtig im Alltag angekommen. 

Ciudad del Este ist insgesamt eine sehr lebendige und vielfältige Stadt. Wir leben eher ländlich und nicht im Stadtzentrum, aber man merkt, dass wir am Dreiländereck mit Argentinien und Brasilien leben, weil immer viel Verkehr ist und ich z.B. anfangs oft gefragt wurde, ob ich aus Brasilien komme, wenn ich etwas nicht verstanden habe, weil es hier üblich ist, Brasilianer*innen zu begegnen. Durch unsere Vorfreiwilligen haben wir als WG außerdem schnell Kontakt zu einigen Freunden bekommen. Es tut total gut, mit Leuten in Kontakt zu sein und die Menschen und Kultur besser kennenzulernen und die Sprache natürlich auch.

Insgesamt also sehr viele neue Eindrücke, die mich alle auf irgendeine Art inspirieren. Dadurch tut es aber manchmal auch gut, einfach ein bisschen Ruhe zu genießen und Tagebuch zu schreiben oder mit meinen Mitbewohner*innen zu quatschen. Dadurch merke ich auch, wie viel sich schon in meiner Wahrnehmung verändert hat.

Feststeht, ich bin sehr gespannt auf alles, was ich noch erleben werde und bin sehr dankbar, hier zu sein und all diese Erfahrungen machen zu können.

Bis bald:)
Malena

Auf geht’s zum Campamento!

Gegen Ende November ging es für mich auf ein Campamento. Hier handelt es sich um ein Lager, welches wir gemeinsam mit allen Kindern und Jugendlichen von der Callescuela aus Asuncion besucht haben.Das Campamento ging von dem ersten auf den zweiten Dezember, da in dieser Zeit die Ferien für alle begonnen haben. Meine Mitfreiwillige Anna sowie andere KollegInnen der Callescuela und ich sind schon einen Tag vorher vorgefahren, um alles für die Kinder vorzubereiten. Wir sind ca. 2 Stunden hingefahren. Da es ein wenig abgelegen war, war unser Weg komplett mit grünen Landschaften bedeckt. Angekommen, guckten wir uns einmal das Gelände an. Es war eine große Campinganlage mitten im Grünen. Es war unbeschreiblich schön und voller Natur, was ich so noch nie gesehen hatte. Diese schöne Umgebung hatte natürlich seinen Preis, denn es gab leider kein Internet!
Wir haben alle später realisiert, dass das Internet gar nicht nötig war, da wir genug Beschäftigung hatten für die zwei Tage. Natürlich war es auch eine angenehme Abwechslung mal ohne das Handy. Die Räumlichkeiten waren gestaltet, wie es bei einem Campingplatz zu erwarten ist. Es gab zwei getrennte Räume. Einmal für die Frauen und einmal für die Männer. Um genau zu sagen, waren es ca. um die 58 Frauen und Kinder in einem Raum. Somit war es für mich eine einmalige Erfahrung, mit so vielen Menschen in einem Raum zu schlafen.

Ganz entspannt haben wir das Gelände für ca. 115 Personen geschmückt und vorbereitet. Ja, auch ich war erstmals erschlagen, als ich die Zahl gehört habe. Nach den Vorbereitungen ging es schon zu Bett, denn am nächsten Tag fing erstmals der richtige Spaß an. Morgens kamen drei Busse an, mit allen, die daran teilhaben wollten. Es sind viele Mütter mitgekommen, die über die beiden Tage verschiedene Speisen zubereitet und anderweitig mitgeholfen haben. Bei der Ankunft wurden alle erstmals herzlich begrüßt. Die Kinder und Jugendliche sind nach ihrem Alter in Gruppen aufgeteilt worden – diesen Gruppen wurde daraufhin eine Farbe zugeteilt. Mit den eigenen Gruppenmitgliedern saß man an den Essenstischen zusammen, um Chaos zu vermeiden. 
Nach dem ersten Mittagssnack ging es sofort in den Fluss schwimmen. Auch wir haben uns über die Abkühlung gefreut, da es zu Anfang sehr warm war. Natürlich spielten wir ebenfalls eine Aufsichtsrolle, falls etwas passieren sollte im Wasser. Wir hatten alle viel Spaß. Es wurden Spiele gespielt und jeder durfte sich frei bewegen. Von Fußball, Volleyball bis hin zu Brettspielen gab es alles im Angebot. Leider fing es später plötzlich an zu regnen. Doch das stellte glücklicherweise kein Problem dar, da man sowieso nass war vom Schwimmen und die meisten Kinder den Regen genossen haben nach den ganzen heißen Tagen. Abends gab es leckeres Essen von den fleißigen Müttern. Nach dem gemeinsamen Essen machten sich viele Mädels fertig für den Abend, da es noch eine kleine Vorführung gab. Eine Gruppe von Mädels haben einen typisch paraguayischen Tanz vorgeführt. Auch andere haben getanzt und uhren Talenten freien Lauf gelassen. Mit diesem schönen Abschluss ging es für alle ins Bett. Da wir doch mehr Leute waren als Betten, mussten sich einige mit Matratzen auf den Boden legen. Meine zwei Mitfreiwilligen und ich haben uns daher auch zu dritt zwei Matratzen geteilt. Das hat tatsächlich sehr gut geklappt. Da ich sehr kaputt war von diesem erfüllten Tag, bin ich schnell eingeschlafen.

Am nächsten Tag nach dem Frühstück ging es mit dem Spaß weiter. Wir haben für die Kinder Spiele vorbereitet und organisiert. Anna und ich haben ein Balance-Spiel angeleitet, welches „raquetas con aqua“ hieß. Der Name erklärt eigentlich schon im Groben, worum es geht: Die Kinder mussten sich in Gruppen aufstellen und je Gruppe gab es einen Schläger, auf dem ein Becher mit Wasser steht. Damit mussten die Kinder und Jugendlichen einmal um bestimmte Ziele laufen. Die Gruppe, welche schneller war und den Becher nicht verlor, hatte gewonnen. Das war eins von sieben Spielen insgesamt. Nach dem ganzen Spaß wurde noch ein letztes Mal der erfrischende Fluss ausgenutzt, bevor es nach ein paar Stunden wieder nach Hause ging. Zurück ging es für mich mit den anderen in den Bussen. Aufgrund von Platzmangel verbrachte ich die Rückreise auf der Treppe im Bus.
Zuhause angekommen musste viel Schlaf nachgeholt werden.
Ich hab diese Zeit auf jeden Fall mit allen sehr genossen, und konnte mit den Kindern eine engere Bindung aufbauen. Am Ende war ich aber dennoch froh darüber, in meinem Bett zu liegen.

 

Bienvenido a Paraguay!

„Endlich angekommen!“

Das war mein allererster Gedanke, als ich die 18-stündige Busfahrt von Buenos Aires nach Asuncion hinter mir hatte. Nach dem zweiwöchigen Seminar in Buenos Aires mit der Partnerorganisation „IERP“, ging es für mich nach Paraguay. Als ich am Busbahnhof angekommen bin, war ich erst sehr aufgeregt. Begrüßt wurde ich in Asuncion mit einem heißen Wetter von 35 Grad. Schon die erste kleine Herausforderung, denn in Argentinien waren es zu der Zeit gerade erst 10 – 17 Grad. Im Auto, mit den ganzen Gepäck im Schoß, bewunderte ich mein neues Zuhause aus dem Fenster. So erreichten wir den Ort, an dem wir die restliche Zeit leben werden – die „Congregacion Evangelica Alemana“. Dies ist ein Internat, genauer gesagt ein Studentenwohnheim. Angekommen war ich ein wenig überrascht, wie grün die Umgebung ist. Ich musste erstmal den Gedanken sacken lassen, dass hier mein neues Zuhause sein wird für das nächste Jahr. Es traten zu Anfang ein paar Schwierigkeiten auf, an die ich mich gewöhnen musste, z. B. dass 30 Personen eine Waschmaschine teilen müssen und eine gemeinsame Küche, die mit der Hälfte der Bewohner geteilt wird. Aber das ist nichts, was nicht zu überstehen ist. Man lernt, mit allem zu leben zu können. An dem Anreisetag sind meine Mitreisenden und ich noch zusammen einkaufen gegangen, denn zu mehr waren wir zu erschöpft. Am Abend wurden wir noch herzlich begrüßt mit einem „Bienvenido“-Schild von ein paar Leuten des Internats. Den Abend haben wir mit dem landestypischen Getränk Terere und Empanadas ausklingen lassen. 

Die ,,Congregacion Evangelica Alemana“

Meine Einsatzstelle:

Die nächsten Tage waren darauf fokussiert, uns mit dem Callescuela-Team bekannt zu machen und unsere Einsatzstellen kennenzulernen. Nebenbei wurden noch die Visa-Dokumente erklärt, da das Beantragen in Paraguay doch um einiges komplizierter ist als gedacht. Nach langem Nachdenken lag es in unserer Hand, in welchem der drei Einsatzorten wir gerne arbeiten möchten. Ich entschied mich beim Standort „Villa Elisa“ zu arbeiten. An meinem neuen Arbeitsplatz wurde ich herzlich mit einem Lied begrüßt, welches alle zusammen gesungen haben, und ein Willkommens-Poster wurde für mich gestaltet. Eine bessere Begrüßung konnte ich mir nicht vorstellen, da ich doch anfangs viele Bedenken und Ängste über meinen ersten Arbeitstag hatte.

Mein Arbeitsplatz ,,Villa Elisa“
Mein Arbeitsweg durch die Gassen

Ich bin ca. eine Stunde mit dem Bus unterwegs, um an meinen Arbeitsplatz zu kommen. Dazu kommt, dass wir uns auf gut Glück an die Haltestelle stellen und darauf hoffen müssen, dass der Bus früh genug kommt. Man kann mit der Zeit aber gut einschätzen, um wie viel Uhr der Bus ungefähr kommt. Anfangs war bei mir die große Sorge da, dass ich mir den Weg nicht merken kann, da ich leider keinen so ein guten Orientierungssinn habe. Aber zum Glück habe ich auch diese Befürchtung bewältigt. Ich habe doch gute Anhaltspunkte, wie die Apotheke, wo ich weiß, dass ich dort aussteigen muss. Nach einem kleinen Marsch durch einen steinigen Weg und kleinen Gassen, erreiche ich endlich meinen Arbeitsplatz. 

Die Busfahrt zum Arbeitsplatz

Meine Arbeitsstelle, die Callescuela, setzt sich für die Rechte der Kinder, Jugendlichen und der arbeitenden Kinder ein. Sie bieten Workshops an, Nachhilfe und Bildung jeglicher Art. Die Altersgruppen sind zwischen 2 – 18, also sehr unterschiedlich. Auch die verschiedenen Einsatzorte unterscheiden sich ein wenig voneinander. Bei meiner Einsatzstelle geht es hauptsächlich um die Unterstützung der Kinder bei Hausaufgaben und Workshops. Bei dem Standort beim Mercado liegt der Fokus ebenfalls auf Unterstützung der Bildung sowie der Malhzeitausgabe. Aber vor allem kommt es auf die Gemeinschaft an, die die Callescuela den Kindern bietet.

Mit den Kindern auf dem Weg zum Fußballfeld

Die politische Arbeit:

Wir gehen gemeinsam mit der Arbeit auf Demonstrationen. Vor kurzem bin ich mit meinen neuen Kollegen auf eine Demonstration für die Rechte der indigenen Bevölkerung in Paraguay gegangen. Dies war für mich ein einmaliges Erlebnis und ein interessanter Einblick, um den Umgang und die Rechte der Indigenen in Paraguay kennen zu lernen. Außerdem war ich innerhalb der Arbeit auf einem zweitägigem Seminar. Vor Ort waren alle Organisationen präsent, die sich für die Menschenrechte einsetzen. Auch dort repräsentierte die Callescuela die Rechte der Kinder und Jugendlichen. Diese Erfahrung hat mir ein Einblick in die Welt der Menschenrechte in Paraguay erlaubt. 

Die Fäuste fliegen (bzw. fallen)

Eigentlich hatte ich noch nicht geplant wieder einen Blogeintrag publik zu machen, jedoch habe ich gerade Schreibbedarf.
Weißt du was Todesangst ist? Vielleicht hattest du schon mal Angst vor einer mickrigen Spinne oder dass dein riesen Transportvogel auf dem Flug in den Urlaub abstürzt – viele haben Ängste, aber selten sind diese gerechtfertigt.
Warum schreibe ich das jetzt? Du kannst es dir schon denken, nicht wahr?! Aber mal auf Anfang. Es war Freitag, der vierte Oktober, so 15:30 Uhr, als wir in unserer Hütte mit den Kindern geometrische Formen lernten. Die Hitze, die heute mal wieder meine Stirn alleine im Schatten zum Ebenbild der Cataratas del Iguazú (lokale Wasserfälle an der Triple Front) verwandelte, hatte zwar bei vielen den Wunsch nach einer Abkühlung geweckt, doch das was folgte war eine Hausnummer zu viel. Plötzlich zogen Wolken auf und ein sehr frischer Wind wehte umher. Nach kurzer Freude über die erhoffte Abkühlung musste diese schnell wieder erlischen. Wie inszeniert kamen vier Mütter gleichzeitig in unsere Einrichtung um ihr Kind nach Hause zu rufen. Ich merkte direkt, diese Leute wissen das Wetter besser zu deuten als Christian Häckl. Schnell waren alle Kinder aus dem Projekt geschafft und die Profe, ihr 7-jähriger Sohn und ich blieben alleine um schonmal klar Schiff zu machen. Aber kaum waren die ‚Kreaturen‘ weg, wie sie im spanischen gerne genannt werden, hatten die Wolken abwartend umgeschlagen. Bis hier hin war noch alles normal. Es fing wie erwartet an zu regnen. Dabei sollte es aber nicht bleiben. Dann kam der Hagel. Aber nicht wie du ihn kennst. Ball mal deine Hand zu einer Faust, jetzt. Mach! Und jetzt stell dir vor deine Faust ist ein Hagel-„korn“.
[Kurze Info: Ich als Doku-Junkie weiß, dass es sowas in Deutschland nicht gibt, da in Deutschland frühzeitig gegen solche Hagelwolken gehandelt wird. Kurz nach Entdeckung und Vorhersage einer Hagelwolke, gibt es Tornadoflieger, die jede Ecke des deutschen Luftraums in wenigen Minuten erreichen können und mit chemischen Mitteln solche Gefahrenwolken impfen und somit schweren Hagelfall auf deutschem Boden verhindern.]
Der Wind hatte ein Windstärke von mindestens 99 und drinnen mussten wir eine Akustik erleiden, die schlimmer war als neun Rolls Royce Turbinen auf einem Heavy Metal Festival. Der Sohn war in den Armen seiner Mutter eingeklammert und die beiden hockten unter einem Holztisch, der Schutz vor eventuellem Hageleinfall versprechen sollte, denn unser Wellblechdach ist nicht sehr stabil und hatte mit dem Lärm schon genug Angst eingejagt. Im Blechdach des Raumes neben an sind jetzt größere Löcher, da der weniger qualitative Wellblechdach einfach keine Chance gegen den angeschossen kommenden Hagel hatte. Ich stand erst eingeschüchtert in der Mitte des Raumes und hatte mir die Ohren wie ein Kleinkind zu gehalten. Dann sah ich aber meine Arbeitskollegin, die Profe, mir etwas zu schreien, was aufgrund des unertragbaren Lärms einfach nicht zu mir durchdrang. Ihre Handzeichen und die aufreißende Tür, die den starken Wind mit dem Hagelregen ins innere der „Straßenschule“ reinstürmen lassen hat, ließ mich aber direkt verstehen, dass ich die Tür schließen soll, was leichter gesagt als getan war. Ich hab mich gegen die Tür gelehnt und hab gegen gehalten, wie ich nur konnte. [Zu deiner Info: Das Häuschen ist aus Holzplatten errichtet, ist dementsprechend nicht sehr stabil, was das Wackeln des Häuschens unterschreibt.] Zwischen den Holzplatten kam genug Regen durch, um mich nass zu machen. Gleichzeitig boten die Schlitze aber guten Blick nach draußen. Der Weg vor dem Projekt, der sich in Richtung süd-osten senkt, wurde zu einem Bach, sodass an eine Flucht auch kein Gedanke verschwendet werden musste. In dem Moment hab ich an Gott gedacht, die Natur, die Ohnmacht der Menschen und daran, was alles passieren könnte. Was ist, wenn unser Wellblechdach nachgibt und der Hagel auf unsere Körper einschlägt? Was ist, wenn das Haus das nicht übersteht? Was ist mit dem kleinen Jungen? Was ist, wenn es mal nicht gut ausgeht? […]
Das Wetter beruhigte sich wieder, wir drei haben wieder für Ebbe im Häuschen gesorgt und schon kehrte ein Kind zu uns zurück. Margarita ca elf Jahre alt wollte uns helfen beim aufräumen. Sie erzählte uns nebenbei was ihr ihre Mutter kurz bevor noch sagte „Meine Tochter du darfst keine Angst haben! In solchen Situationen musst du nur zu Gott sprechen.“ So mutig und gelassen waren aber leider nicht alle. Man hat noch viele Kinder aus der Nachbarschaft bis ins Projekt weinen hören. Das alles bis hier hin würde ich als ersten Teil abhaken. Der zweite Teil dieses Erlebnisses wurde nämlich erst danach deutlich. Und zwar die Ausmaße des Unwetters. Vom Stromausfall muss ich gar nicht erst reden. Auf dem Rückweg ins gemütliche Zuhause sah ich was der ca. 15-minütige Hagelsturm in so kurzer Zeit angerichtet hatte. Zäune lagen quer, Mäste lagen quer, Äste lagen, Bäume lagen, Dächer lagen neben ihren Häusern, Häuser waren entstellt, Familien weinten vor ihrem Haus, Nachbarn helfen sich gegenseitig beim Wiederaufbau ihrer Unterkünfte, tote Hühner, tote Katzen, tote Hunde…
Meine Angst war gerechtfertigt. Ich brauche keine Fremdaussage, um zu sagen, dass hier eine Ausnahmesituation vorlag. Die Profe hatte auf meinen lauten Gedanken, dass ich sowas zum ersten Mal sehe, geantwortet, dass sie dies in dieser Form auch noch nie erlebt hätte. Mit dem Bus auf dem Weg ins eigene Heim kam ich dann noch an einer eingestürtzten Tankstelle vorbei, was von der Größe einfach nur nochmal sehr überwältigend war.
Während ich das hier verfasse, werde ich mir des Ganzen erst richtig bewusst. Ich würde zwar nicht behaupten, dass ich um mein Leben Angst hatte, aber ich bin schon ziemlich froh, euch dieses ‚Abenteuer‘ unversehrt zu Wort bringen zu können.
Also mal wieder relativ ernst heute, aber nächstes Mal schreibe ich euch dann wirklich, ob der Käse hier so teuer ist, weil er so gut schmeckt?!
PS: Am dritten Oktober wird gefälligst gearbeitet, zu mindest hier zu Lande!

„Ins kalte Wasser geschmissen“

Primer informe intermediario (Erster Zwischenbericht)

Ich schreibe den 11ten September. Vor genau einem Monat hob der riesige Vogel in Frankfurt Richtung Buenos Aires ab und damit hatte das lange Warten sowie die ganzen Seminare ihr Ziel gefunden. Nach der Zeit in Othmarschen, Rahlstedt und Ammersbek zusammen mit dem ZMÖ sind wir jetzt auch ein Teil der IERP hier in Lateinamerika. Die IERP, unsere lokale Partnerorganisation mit Sitz in Argentinien, hatte uns erst sehr herzlich am Flughafen empfangen und uns im Anschluss zu unseren Unterkünften begleitet. Mein Zuhause für die 14-tägige Capacitación (Weiterbildung) war „Esmeralda“. Die Unterkunft selbst war mit seiner Dachterrasse und dem Klaviersaal definitiv die coolste, was der häufige Besuch befreundeter Freiwillige bestätigt. Bis auf die Baustelle neben an, welche morgens um sechs Uhr die Arbeiten fortzusetzen begann, verdient Esmeralda von mir 4 von 5 Sternen. Von dort aus kam man außerdem relativ entspannt mit der Subte (U-bahn) von „9 de Julio“ bis „Juramento“, wo die Seminare stattfanden. Ebendort würde ich die ersten Tage so zusammenfassen: Hände desinfiziert, Kekse gegessen, Tee getrunken, auf unkomfortablen Stühlen gesessen, während wir nett Willkommen geheißen wurden und den persönlichen Sprachtest (Vorsprechen) erfolgreich hinter mich gebracht. Die nächsten zehn Tage waren dann ein Wimpernschlag. Neben Salatbars, Donuts, McDonald´s´, nächtlichen Spaziergängen ans Wasser oder zum „Obelisco“ sowie zum „Plaza de Mayo [Mascho!]“, haben spannende Ausflüge mit Rosanna, Ricardo und ehemaligen Süd-Nord-Freiwilligen Abwechslung in den Seminar-Alltag gebracht. Ob „la Boca“, „Tigre“, „Mercado Belgrano“ oder einfach ein Folklore-Tanzkurs, um nur mal thematisch einen Exkurs zu machen, alle waren super. Bevor dann am letzten Freitag in Buenos Aires die Spanischkurse ihre intensiv vorbereiteten Präsentationen vorstellten – bei dem mich die ca. 62 anderen Freiwilligen neu als „Chef Gustavo Gonzales“ kennen lernen durften – fand ein paraguayspezifisches Vorbereitungsseminar statt, welches für mich mit Abstand zu den interessanteren Fortbildungen zählte. Mein Mentor Carlos kam extra aus Ciudad del Este zu uns in die argentinische Hauptstadt, um uns unser Einsatzland und dessen Kultur, zum Beispiel mit „Chipas“ (Teigringe), etwas näher vorzustellen. Schwups di wubs hieß es dann auch schon sich von allen zu verabschieden. Obwohl man die meisten erst seit dem Flug kannte, fiel mir das Tschüs sagen trotzdem nicht immer leicht. Viel Zeit blieb uns dann im Endeffekt aber auch gar nicht, da die Reisebusse am Nachmittag pünktlich abfahren mussten, und zwar mit uns.

Die Fahrt ging dann gefühlt sogar schneller als der Flug und somit waren wir 19 Stunden später in unserer Stadt, CIUDAD DEL ESTE. Aufgrund unserer vorzeitigen Ankunft, die unsere Mentoren nicht erwarteten, mussten wir also einige Minuten am „terminal de Ómnibus“ warten, was mir die perfekte Gelegenheit bot, die neue Umgebung auf mich wirken zu lassen. Anschließend hat uns Julia, die „Partnerin in meinem Projekt und meinem Leben“ wie Carlos uns beibrachte, eingesackt und uns zu unserem Häuschen gefahren. Der süße, rosane Bungalow hat mich direkt für sich gewonnen. Es steht auf unserem ummauerten Gelände mit Garten und bietet mir eine optimale Wohlfühlatmosphäre mitten in Santa Ana. Mein Häuschen verdient von mir 5 von 5 Sternen. Kaum genossen und im Wifi eingeloggt wurden wir daraufhin zu einem köstlichen „almuerzo“ (Mittagessen) bei unseren Mentoren eingeladen. Und genau so fing das genauere Kennenlernen unseres „compañero“ (Kollege), unserer „compañera“ (Kollegin), aber auch unseres Projektes an. Die Einzelheiten und die genaue Struktur der „Callescuela“ (~Straßenschule) wurden uns hinterher im Büro näher erläutert. Wir haben uns nicht nur leicht ins kalte Wasser geschmissen gefühlt als die Leute rücksichtslos anfingen uns voll zu reden, was uns etwas spanisch vorkam 😉 [weil es tatsächlich nicht spanisch, sondern teils guaraní war], sondern auch als wir plötzlich am ersten Tag mit den Kindern ´was machen sollten´. Am nächsten Tag waren wir dann aber an einem anderen Standort unseres Projektes, genauso wie die darauf folgenden zwei Tage. Am Montag dem zweiten September wurden dann die Stellen auf uns zwei Callescuela-Freiwillige aufgeteilt und der richtige Spaß begann. Ich arbeite jetzt in den Standorten „Añua Roga“ in Santa Ana – was so viel wie „Haus der Umarmungen“ auf der indigenen zweiten Amtssprache Guaraní heißt – und in San Roque, einem noch ärmeren Stadtteil einige Kilometer von meinem Stadtteil entfernt. Diese Armut möchte/kann ich zwar mit keiner Vokabel konkretisieren – diese Realität muss man mit seinen eigenen zwei Augen kennen lernen – was ich aber sagen kann: Du, LeserIn, sei dankbar(er)!

Trotz allem scheinen die Kinder hier glücklicher als die unsere. Wenn ihr euch fragt „Warum?“ sage ich „Es zählen [wirklich] die kleinen Dinge im Leben!“ Da hatte meine Mutter mal wieder Recht. Bis heute sahen die Tage strukturell sehr ähnlich aus, weshalb wir bis dato nicht einmal im Zentrum waren. Naja, wie ich hier gelernt habe kann Spontanleben auch schön sein.

Jetzt sitze ich hier, mit der einen Hand meinen Zimt-Tee schlürfend, und wollte eigentlich nur paar kurze Zeilen aneinanderreihen. Wenn ihr es trotzdem bis hier hin geschafft habt, Danke! und bis zum segundo informe intermediario. ¡Nos vemos!

Von Regen, Reisen und Ostertraditionen

Hier folgt nun mein 3. Rundbrief, den ich über die Monate März, April und Mai geschrieben habe.

Liebes ZMÖ, liebe Freunde, Verwandte, Unterstützer und Interessenten,

ein herzliches „mba´eichapa“ (guarani.; wie geht es) aus dem fernen Paraguay! Mir geht es eigentlich ziemlich gut. Mal abgesehen davon, dass mein Abschied immer mehr in die Nähe rückt und ich mich in einer total zerrissenen Gefühlslage befinde, in der ich einerseits für immer hier bleiben, jeden Moment bis zum letzten Tropfen ausschöpfen und zu jeder möglichen Erfahrung „ja“ sagen will, jedoch aber auch natürlich in Vorfreude auf mein Zu Hause in Deutschland blicke und in diversen Visionen und möglichen Plänen für die Zukunft „danach“ versinke….aber gut, deswegen sind wir ja nicht hier. Dieser, mittlerweile schon dritte Quartalsbericht, wird wieder ein kleiner Rückblick auf meine letzten drei Monate und all die Erfahrungen und Eindrücke, die ich in dieser Zeit so gesammelt habe!

Mein drittes Quartal hier in Lateinamerika war mal wieder total aufregend, vielseitig und geprägt von Umschwüngen, sowohl in meinem Arbeitsalltag als auch im Wetter. Die unerträgliche Hitze, von der ich in meinem letzten Rundbrief berichtet hatte, wurde nun von einer herbstlich angenehmen Kälte ersetzt. Mit diesem „tiempo fresquito“, so wie man hier sagen würde, kamen aber leider auch ziemlich heftige Regenfälle. Das müsste mir ja als stolze, geborene Norddeutsche eigentlich nichts ausmachen, denken jetzt vielleicht einige. Jedoch ist Regen hier in Paraguay nicht einfach nur Regen. Wenn es dann erstmal losgeht, hört er erstmal länger nicht auf und sorgt oft für schwerwiegende Überschwemmungen, da im Land noch bessere Ablaufsysteme und vielen Familien wasserdichte Häuser fehlen. Dazu kommt noch, dass der Müll, welcher hier oft achtlos auf die Straße geworfen wird, im Falle des Regens die Straßen hinunterschwimmt und die Gullis verstopft, so dass es schon einmal vorkommen kann, dass die Hauptverkehrsstraßen gesperrt werden müssen, da sie nicht ohne Boot überquert werden können. Obgleich der Staat leider wenig dazu beisteuert, den Paraguayern, die unter den Überschwemmungen leiden, zu helfen, herrscht dafür viel Solidarität unter der Bevölkerung. Gemeinsam haben wir in den Comunidades der „Callescuela“, Spenden in Form von warmer Kleidung, Lebensmitteln, Decken etc. gesammelt und zu einer der betroffenen indigenen Siedlungen auf dem Land gebracht. Echt eindrücklich, dass gerade, diejenigen Menschen, die selber aus schwierigen sozialen Situationen stammen, mit so viel Einsatz kollaboriert haben.
Natürlich wäre Paraguay aber nicht Paraguay, wenn die gelegentlichen 30° Hitze-Tage nicht ab und zu einen überraschenden Besuch abstatten würden. Diese Zeit nutze ich dann meistens gerne um Ausflüge mit Freunden zu unternehmen, neue Orte zu erkunden oder auch einfach gerne ein bisschen in meiner Hängematte im Garten zu lesen und dabei dem lauten Vogelgezwitscher lauschen. Einige Ausflüge die ich in letzter Zeit gemacht habe und auch jedem interessierten, abenteuerlustigen Reisebegeisterten der sich das Herz Südamerikas vornehmen möchte, empfehlen kann, sind zum Beispiel; die Wasserfälle Salto Inglés und Cristal, der Berg Cerro Arco in der Region Tobatí sowie für alle die gerne eine Herausforderung und Oberschenkelmuskelkater haben wollen, den höchsten Berg Paraguays; den Cerro 3 Kandu mit seinen satten 842m Höhe. Dort habe ich mit meinen Mitfreiwilligen und einer großen Reisegruppe eine Nacht gezeltet, um dann leider am nächsten Morgen nichts als weit und breit Nebel sehen zu können. Aber na gut, mal drauf gewesen zu sein ist ja schließlich das Wichtigste, ne? 😉

Meine Mitfreiwillige und ich am Wasserfall „Salto Cristal“

Zudem hatte ich Anfang März das große Glück für eine Woche Besuch von meinem Freund aus Deutschland zu bekommen. Das war nochmal eine ganz andere Erfahrung, da ich die Dinge, an die ich mich schon so gewöhnt hatte, so noch einmal von einer ganz anderen Perspektive betrachten konnte. Wer hätte zum Beispiel gedacht, dass Kakerlaken eigentlich nicht in ein Küchenregal gehören?
-Nein, Scherz (Keine Sorge Mama hier ist es super ordentlich, das versichere ich dir!)
Insgesamt war es auf jeden Fall wunderschön die neue Welt die mir hier so ans Herz gewachsen ist, mit jemandem von zu Hause zu teilen und ihm somit diesen dazugewonnenen Teil von mir anzuvertrauen. Fehlende Spanisch Kenntnisse hin oder her, hat sich mein Freund auch richtig gut in meinem Projekt zurechtgefunden und sich super mit den Kindern verstanden. Denn UNO spielt man dann doch überall auf der Welt gleich, aka unter Kindern mit ständig wechselnden Regeln und daher einer Erwachsenen-Gewinnchance von ca. 0,00001 %.
Einen weiteren Besuch habe ich noch Mitte März von meiner lieben Länderreferentin vom ZMÖ (hier ein kurzer Gruß), Kathrin Fiedler erhalten. Da habe ich mich natürlich sehr drüber gefreut und vorher auch noch einmal extra ordentlich aufgeräumt.


Nun aber endlich weg von meinen Freizeitaktivitäten und hin zu dem was eigentlich die meiste meiner Zeit hier in Asunción einnimmt und sie auch so besonders macht; meine Arbeit als Freiwillige bei der Callescuela. In diesem zweiten Halbjahr habe ich mittlerweile sehr viel mehr Aufgaben und damit auch mehr Verantwortungen anvertraut bekommen. Darüber freue ich mich natürlich sehr, obwohl ich auch immer versuche die Nachhaltigkeit in meiner Arbeit stetig im Blick zu behalten. So sehr es auch insgeheim der Traum jedes Freiwilligen ist, unentbehrlich zu sein, geht es letztendlich bei einem Freiwilligendienst nicht darum einen Arbeitsplatz zu besetzen, sondern besonders um das gemeinsame und das voneinander-Lernen. Im Februar haben wir uns also mehrmals mit allen Mitarbeitern der Callescuela zusammengesetzt um alle Projekte nochmal komplett umzustrukturieren, so dass mein Arbeitsalltag nun mittlerweile so aussieht:
Meine 5 Arbeitstage in der Woche kann ich nun, auch wenn es mir in der anderen Comunidad namens „Villa Elisa“ auch immer sehr gut gefallen hat, nun komplett in der Comunidad „9 de Marzo“ verbringen. Mein Mitarbeiter, der ein ausgebildeter Lehrer und erfahrener Sozialarbeiter ist, kann nun nämlich öfters als 3 Tage im Projekt arbeiten, anders als im letzten Jahr. Nun gibt es dreimal die Woche den ganzen Tag Nachhilfe und zusätzlich jetzt an zwei Tagen vormittags meinen kleinen Englischkurs, in dem ich auf Spielende Weise, mit einer Gruppe von Kindern im Alter von 6-15 Jahren, Basisgrundkenntnisse in Englisch erarbeite. Meistens bringe ich dann meine Ukulele mit und wir singen lauthals Lieder wie „i like to eat apples and bananas“, so oft, dass der Ohrwurm noch bis zum nächsten Kurstag anhält. Die Durchführung kleiner Spiele und Aktivitäten, sowie die Planung des Ganzen, macht mir so viel Spaß, dass ich mir gut vorstellen könnte etwas in der Art später als Beruf auszuüben. Zudem gibt es dieses Jahr natürlich auch wieder zweimal wöchentlich unsere Kindergarten CEPI- Gruppe, diesmal aber unter einer neuen Leitung. Dieses Halbjahr haben meine Mitfreiwillige Laura, und ich, da wir nun ja schon ein paar Monate zum Einarbeiten hatten, viel mehr Mitspracherecht und sind für die Planung und Durchführung der Einheiten mit hauptverantwortlich. Mit den Kleinen sind wir momentan zum Beispiel dabei, unterschiedliche Farben und Formen kennenzulernen. Ganz neu im Angebot, gibt es jetzt aber auch ein Samstags- Freizeitprogramm für alle Kinder und Jugendlichen der Siedlung, bei dem ich vormittags für ein paar Stunden mit einem jungen Studenten, der früher auch mal ein Teil der Organisation war, unterschiedliche Aktivitäten anbiete. Meistens endet es darin, dass wir auf dem anliegenden Platz Fußball oder andere Spiele spielen. Abgesehen davon, werden von den Gruppen auch ab und zu am Wochenende noch Pizza oder Hamburger Verkäufe veranstaltet, um Geld für bevorstehende Veranstaltungen oder Anschaffungen, wie zum Beispiel einen Drucker, zu sammeln. Da bleibe ich dann natürlich auch noch ein gerne eine Weile, so dass 9 de Marzo schon echt zu meinem zweiten Zu Hause hier in Asunción geworden ist. Ein besonderes Highlight in den letzten Monaten war auch das gemeinsame Osterfest mit der ganzen Comunidad. Traditionell bereitet man hier in der Osterwoche, der Semana Santa, das typisch-paraguayische Gebäck „Chipa“ zu und teilt dieses dann gemeinsam mit Familie und Freunden, während man dazu einen leckeren warmen „Cocido“ trinkt (ein zuckeriger Matetee mit Milch). Die Zubereitung des Teiges, sowie das Formen in die klassische runde Donut/Bagel Form der Chipa, habe ich von den Müttern aus meinem Projekt gelernt, um mich dann erfolgreich an der Bäckereiproduktion der Kinder und Jugendlichen beteiligen zu können. Die fertig geformten Ringe wurden dann auf mit Palmenblättern ausgelegte Backbleche gepackt und in einem traditionellen Steinofen, dem „Tatakua“, gebacken. Das Endergebnis war auch selbst leicht angebrannt noch unglaublich lecker!

Die berühmt-berüchtigte-paraguayische CHIPA

Ein weiterer Feiertag, den wir hier ausgiebig gefeiert haben, war der Muttertag am 15. Mai. Dafür wurde in der „oficina“, dem Hauptbüro der Callescuela im Rahmen des „Tereré Yere“ Wochenendes (was das ist, erkläre ich gleich) von den Kindern und Jugendlichen aus ein Fest für ihre Mütter organisiert und mit einem bunten Programm aus Beiträgen geschmückt. So wurden Gedichte, Tänze und Lieder präsentiert und auch wir vier Freiwilligen haben uns, in Form eines selbstgedichteten Liedchens, passend zum Thema, eingebracht. Danach wurde noch das Tanzbein geschwungen und Torte und Panchos (übersetzt: Hotdogs) gegessen. Diese Feier war Teil des „Tereré Yere“ Wochenendes, an welchem sich alle Repräsentanten der einzelnen Gruppen von arbeitenden Kindern und Jugendlichen der Callescuela, ein Wochenende lang treffen und sich über wichtige Themen austauschen und fortbilden. Das Ganze hatte den Charakter einer großen Pyjamaparty, mit dem gewissen Hauch von Tiefe und Ernsthaftigkeit. Obgleich viele Spiele gespielt wurden, hatten diese immer eine gewisse Objektive z.B. der Integration der unterschiedlichen Gruppen oder der Entwicklung von Teamstrategien und Selbstreflektion. Das Hauptthema dieses Wochenendes war neben der Planung des Muttertags, die Militanz, in diesem Fall der politische Aktivismus in einer Gruppe und wie man sich als Mitglied solch einer Gruppe verhalten sollte. Nach einer abendlichen Karaokesession haben wir dann alle mit insgesamt ca. 30 Kindern der unterschiedlichen Einsatzstellen in den gerade neu errichteten Schlafräumen, des Büros der Callescuela geschlafen.
Weitere eindrückliche Erfahrungen die ich bei der Arbeit in den letzten Monaten machen durfte, war die Begleitung der Kinder und Jugendlichen auf mehrere Demonstrationen. Da die Callescuela eine sehr politische NGO ist, hat die
Partizipation einen besonders hohen Stellenwert für sie. Die Kinder nicht nur über ihre Rechte zu informieren, sondern ihnen gleich dazu noch Wege aufzuzeigen und näherzubringen, durch welche sie jene Rechte verteidigen können, ist eine Strategie von großer Nachhaltigkeit. Es begeistert mich immer wieder aufs Neue den Einsatz zu sehen, mit dem die Kinder sich zusammentun, Plakate vorbereiten und dann auf der marcha (demo) laut die Parolen mitrufen wie zum Beispiel am 31. Mai „mi cuerpo es mío, no abusen de él, mi territorio, lo voy a protejer“ (übersetzt; mein Körper gehört mir, missbraucht ihn nicht, er ist mein Territorium das ich beschützen werde). An diesem Tag wurde zum Anlass des nationalen Tages gegen den sexuellen Missbrauch an Kindern und Jugendlichen, demonstriert. Jedes Jahr wird an diesem Tag an die tragische Geschichte des Mädchens Felicita erinnert; eine damals 10-jährige Mandarinenverkäuferin, die 2004 auf dem Berg „Cerro Yaguaron“ in der Nähe Asuncións auf schreckliche Weise misshandelt und dann umgebracht wurde. Leider sind Fälle wie dieser in Paraguay noch immer keine Seltenheit und alleine im letzten Jahr wurden im Land 2.608 Fälle des sexuellen Missbrauches an Kindern registriert (Quelle: 26/04/2019; https://www.ultimahora.com/senales-que-despiertan-sospechas-abuso-sexual-menores-n2815781.html, Ultima Hora). Besonders erschreckend, im Angesicht der Tatsache, dass Paraguay nur ca. 7 Millionen Einwohner hat und davon über 50% Minderjährige sind. Zudem muss man auch im Hinterkopf behalten, dass nur die wenigsten der Betroffenen sich trauen solche Vorfälle zu melden. In den wöchentlichen Gruppentreffen haben wir das Thema auch noch mehrmals ausführlich mit den Kindern und Jugendlichen der Comunidad behandelt und über eigene Erfahrungen sowie Schutzmaßnahmen gesprochen. Hoffentlich können wir in der Zukunft Schritt für Schritt dafür sorgen diese Zahlen radikal zu verringern und den Schutz aller Kinder und Jugendlichen dauerhaft zu sichern!

„Du bist nicht alleine, hab keine Angst, brich die Stille!“

Insgesamt möchte ich diesen Rundbrief aber noch einmal im positiven Sinne mit einem Dank enden, für all die Unterstützung bei meinem Freiwilligenjahr hier in Paraguay! Ich kann mich echt ziemlich glücklich schätzen, so tolle Leute hinter meinem Rücken stehen zu haben 🙂
Ich bin gerade dabei, diese Zeit so viel wie es nur geht zu genießen und versuche mir all diese Bilder und Erfahrungen so gut wie es nur geht einzuprägen, so dass ich das Paraguay wie ich es hier gerade kennen und lieben lerne, immer in meinem Herzen bewahren kann.


Muchos saludos y abrazos,


Merle

Von Arbeitsalltag, Hitze und Weihnachtsfeuerwerken

Hier folgt nun, nach dem Motto; „lieber zu spät als nie, mein 2. Quartalsbericht den ich im Februar über die Monate November, Dezember und Januar geschrieben habe.

Liebes ZMÖ, liebe Freunde, Verwandte, Unterstützer und Interessenten,

als ich diesen Bericht geschrieben habe, war bereits die Hälfte meines Freiwilligendienstes vorbei. Sechs Monate in denen ich ziemlich viel gelernt und erlebt habe und die so verdammt schnell vergingen, dass ich ganz froh bin nun einen kurzen Moment innezuhalten und ein bisschen zu reflektieren was mich in letzter Zeit so beschäftigt hat. 

Wenn die letzten drei Sommermonate eins waren, dann waren sie heiß. 45 Grad im Dezember und Januar; keine Seltenheit. Ich habe mich schon daran gewöhnt, dass mein Gesicht irgendwie die meiste Zeit nass ist und selbst ein dünnes Bettlaken zum Zudecken beim Schlafen zu viel sein kann. Auch dass unser warmes Wasser oft nicht funktioniert, könnte mir nicht egaler sein. So anstrengend diese Hitze nun sein konnte, würde ich sie niemals für einen kalten deutschen Winter eintauschen. Weihnachtsstimmung kam bei mir im letzten Jahr zwar eher nicht auf, jedoch habe ich dafür eine ganz andere Feiertagserfahrung erleben dürfen. Am Abend des 24. war ich bei einer Familie aus meinem Projekt in der Comunidad „9 de Marzo“ eingeladen. Vorher bin ich mit meiner Mitfreiwilligen zum Weihnachtsgottesdienst in der deutsch-paraguayischen Kirche auf unserem Gelände, gegangen. Dort wurden die Strophen von „Stille Nacht, heilige Nacht“ abwechselnd auf Deutsch und auf Spanisch gesungen und bei genauerem Hinschauen konnte man erkennen, dass der große Tannenbaum neben dem Altar komplett aus recycelten und bemalten Plastikflaschen bestand. Danach ging es dann also zu meinem ersten paraguayischen Weihnachtsfest. Ich brachte einen Apfelkuchen und selbstgebackene Kekse mit und freute mich so viele Kinder und Jugendliche aus meinem Projekt dort zu treffen, die schon vor Mitternacht mit Böllern auf den Straßen umherliefen. Denn hier in Paraguay ist das „richtige“ Weihnachten am 25. Dezember, in welches wie an Silvester reingefeiert wird. Als ich also bei meiner Ankunft meine Gastgeber mit einem „Feliz Navidad“ (Frohe Weihnachten) begrüßen wollte, wurde ich schnell verbessert; „Das darf man erst ab Mitternacht sagen!“. Bis dahin wurde also viel Leckeres gegessen, Rollbraten, Sopa Paraguaya (ein Kuchenartiges salziges Maisgebäck), Mandioca (eine Art Wurzel die nach Kartoffel schmeckt, deutsch: Maniok) und eine Vielzahl an anderen traditionellen Köstlichkeiten. Zudem wurde ein typisches extrem süßes Getränk namens „Clerico“ getrunken. Das besteht hauptsächlich aus Obstsalat, welcher mit Sprite und ein bisschen Wein gemischt wird. Falls ihr euch fragt wann dann überhaupt die Bescherung stattgefunden hat, muss ich euch enttäuschen. Geschenke werden hier an Weihnachten eigentlich nicht gegeben, wenn dann nur in den reichen Haushalten, die sich an westlichen Standards orientieren. Dafür lag der Fokus viel mehr darauf eine schöne Feier gemeinsam mit der ganzen Familie und allen Nachbarn zu verbringen, um 12.00 Uhr gemeinsam anzustoßen, sich zu umarmen und die bunten Feuerwerke zu bestaunen. Bis spät in die Nacht wurde dann noch weiter gefeiert. Am nächsten Morgen habe ich mit meinen Mitfreiwilligen Geschenke ausgetauscht und dann noch einen etwas „deutscheren“ 1. Weihnachtstag bei einer ehemaligen deutschen Freiwilligen verbracht, die nun schon seit vielen Jahren mit ihrer Familie in Paraguay lebt. Dort kam dann auch der Weihnachtsmann mit seinen Gaben und trag sogar bei den hohen Temperaturen seine rote Bommelmütze. Silvester habe ich dann einfach mit meinen Freunden in Asuncion verbracht und um 00:00 von der Costanera (aka dem Strand am Rio Paraguay) aus die Feuerwerke bewundert. Da ich in diesem Monat auch Geburtstag hatte, war er leider auch sehr von Heimweh geprägt. Jedoch konnten mich all die wunderschönen Erlebnisse und neuen Erfahrungen immer wieder schnell aus nostalgischen Gedanken, rein in ein blühendes, warmes, buntes „Hier und Jetzt“ ziehen. Im letzten Monat haben wir zum Beispiel herausgefunden, dass wir auf unserem Gelände nicht nur einen Mango-, sondern auch einen Avocado- sowie einen Guayababaum haben! Guayabas sind innen rosa und super lecker. Und das Beste; man kann sie einfach so mit Schale essen. 

Am prägendsten war für mich aber in den letzten Monaten aber natürlich meine Arbeit mit der Callescuela. In der Comunidad „9 de Marzo“ in der ich arbeite und von der ich in meinem ersten Rundbrief schon ein wenig berichtet hatte, habe ich weiterhin mit niños, niñas y adolescentes trabajadores zusammengearbeitet, das heißt Kindern und Jugendlichen die arbeiten. Ich konnte in dieser Zeit nicht nur ihren Bildungsweg mitbegleiten, sondern intensiv ihre Wohn und Familien-situationen sowie ihr soziales Umfeld kennenlernen-, ein toller Vorteil wenn man direkt am Wohnort der Projektteilnehmer arbeitet. So habe ich das Gefühl mehr und mehr in die Gemeinschaft einzutauchen und alle Dynamiken und Probleme die es dort gibt, werden mir immer genauer offenbart, je mehr ich von den Bewohnern aufgenommen werde. Es ist ein wunderschöner, sowie auch oft trauriger Prozess die Hintergründe der Kinder und Jugendlichen so gut kennenzulernen. Einerseits freue ich mich unendlich wenn mir eines der Kinder von seinem/ihrem Tag erzählt oder mich zum Beispiel zu sich nach Hause einlädt. Andererseits ist es oft sehr schockierend zu hören, dass die Eltern einiger Kinder Alkoholiker sind, ihre 17-jährige Schwester sich alleine um ihr Baby kümmern muss oder dass manche von ihren Eltern daran verhindert werden zur Schule zu gehen, da sie im Haushalt aushelfen müssen. Und da ist sie dann wieder. Die allgegenwärtige Ungerechtigkeit. Sie ist jeden Tag in meinem Leben hier präsent; wenn ich zur Arbeit fahre, vorbei an Straßenverkäufern und Fast Food Ketten. Wenn ich auf der einen Seite die dekadenten Luxus-Einkaufszentren Asuncions, sowie auf der anderen Seite die provisorischen Zelte aus Plastiktüten sehe, in denen sich viele Menschen im Zentrum niedergelassen haben. Sie wurden aufgrund von zum Beispiel Bauprojekten von ihren ursprünglichen Wohnorten vertrieben und haben nun aufgrund der fehlenden Unterstützung des Staates, keinen anderen Ort an den sie gehen können. Am Anfang habe ich mich noch sehr mit einem alltäglichen Schuldgefühl herumgetrieben, ausgelöst durch das Unverständnis über mein eigenes Wohlbefinden und dessen Willkürlichkeit. Wieso durfte ich eigentlich so sorglos aufwachsen und andere nicht? Wieso habe ich als weiße Europäerin all diese Privilegien ohne jemals etwas dafür getan zu haben?  Jedoch wie die Ärzte schon sagten; „Es ist nicht deine Schuld, dass die Welt ist wie sie ist. Es wär’ nur deine Schuld wenn sie so bleibt“. Also habe ich aus all diesen täglichen Beobachtungen und Gedanken mittlerweile eher Motivation für meine Arbeit und meinen zukünftigen Lebensweg geschöpft. 

Meine Aufgaben und täglichen Aktivitäten auf der Arbeit waren auch in den letzten drei Monaten wieder konstant vielseitig. Ende November lag mein Fokus zum Beispiel wieder sehr bei der Unterstützung der Nachhilfe, da Ende November die Sommerferien begonnen haben und daher die letzten Prüfungsphasen, viele Kinder und Jugendliche zum Lernen anregte. Die Nachhilfe bei der Vorbereitung auf die letzten Prüfungen war auch gerade deshalb so wichtig, da die Endergebnisse über die Versetzung der Kinder ins nächste Schuljahr entscheidend sind. Und da einige unserer Kinder aus dem „9 de Marzo“ schon ein oder zweimal das Jahr wiederholt hatten, gab es zusätzlich das Risiko, dass sie die Schule wechseln müssten. Und Schulwechsel hieße dann in manchen Fällen auch gleich Schulabbruch, da leider wenige staatliche Schulen diese Kinder, die schon mehrmals wiederholt haben, aufnehmen wollen. Und Privatschulen, welche dafür eher bereit wären, für die Familien schlichtweg zu teuer sind. Mit diesem Ansporn im Hinterkopf habe ich also zum Beispiel dreimal die Woche mit einigen Jugendlichen Englisch gelernt, mit einer Grundschülerin lesen geübt und einfach so gut es geht meine Mitarbeiter unterstützt. Doch nicht nur die Schulzeit neigte sich in den letzten Novemberwochen dem Ende zu, sondern auch das Jahr mit unserer „CEPI“ Kleinkindergruppe, die auch eine Sommerpause einlegen würde. Um die Erfolge der Kleinen in dem vergangenen Jahr zu feiern, haben wir in den beiden Comunidades bei denen die Callescuela aktiv ist eine sogenannte „Clausura“ veranstaltet. Das kann man eigentlich ganz gut mit einer kleinen Art Zeugnisverleihung vergleichen, mit Präsentationen des Erlernten sowie einem gemeinsamen Essen. Da wir unsere 2-5 jährigen Teilnehmer aber natürlich noch nicht benoten, gab es keine Zeugnisse, sondern für jeden eine individuell gestaltete Mappe mit all den Werken, die im Jahr 2018 im Rahmen der CEPI Gruppe so erarbeitet wurden. Zudem gab es noch für jeden zur Belohnung ein Paar Süßigkeiten, ein „CEPI“ T-Shirt mit Namen und ein Foto mit den Eltern. In der Comunidad „9 de Marzo“ habe ich sogar noch mit einer Mutter zusammen kleine „Graduation“ Hüte gebastelt, wie jene, die in den amerikanischen Filmen immer hochgeworfen werden. Nach all diesen schönen, sowie aber auch anstrengenden Abschlüssen im Projekt ging es danach auch schon los mit Planungstreffen aller Mitarbeiter, in denen wir auf das Jahr zurückgeblickt haben um Verbesserungen für das Nächste zu sammeln. Zudem begann eine Phase des Umbaus, da durch die Unterstützung einer luxemburgischen Organisation, namens PNP, die Renovierung der beiden Lokale in den Comunidades sowie die des Hauptbüros ermöglicht wurde. Wir haben jetzt in „9 de Marzo“ zum Beispiel einen neuen Boden und ein neues Dach und in „Villa Elisa“ eine Klimaanlage, die bei den hohen Temperatur hier im Sommer, von allen sehr willkommen geheißen wurde. Zudem wurde in Ciudad del Este, Paraguays zweitgrößter Stadt, ein neues großes Gebäude für die CONNATs, die Organisation der arbeitenden Kinder und Jugendlichen, welche die Callescuela unterstützt, eingeweiht. Für die Einweihung sind wir extra mit allen Repräsentanten der unterschiedlichen Einsatzstellen 6 Stunden mit dem Bus hingefahren um auf der Feier dann ausgelassen zu tanzen. In diesem Gebäude werden in Zukunft noch viele Treffen und Freizeiten stattfinden, da genug Seminar- und Schlafräume für eine Menge Kinder vorhanden sind. Wenn wir nicht gerade damit beschäftigt waren Listen und Reports für den Jahresrückblick fertigzustellen, stand die Ferienfreizeitgestaltung der Kinder und Jugendlichen im Dezember an erster Stelle. Da wir das Lokal den ganzen Monat ja leider nicht nutzen konnten, bestand diese hauptsächlich aus Fußball/Volleyball spielen auf dem anliegenden Plätzen. An einem Tag haben wir aber auch mit allen teilnehmenden arbeitenden Kindern und Jugendlichen der Callescuela einen großen Ausflug zu einem Freibad gemacht. Dort wurde geplanscht, gespielt und gegessen während meine Mitfreiwilligen und ich die Poolaufsicht machten. Dabei hatten wir so viel Spaß, dass ich erst zu Hause meinen Sonnenbrand bemerkte….

Tanzen mit den Kindern der CEPI Gruppe

Als ich dann im Januar im Urlaub war, habe ich meine wilde Truppe an Kindern vom „9 de Marzo“ richtig vermisst. Auch nach meinem Zwischenseminar in Buenos Aires, habe ich neue Motivation und Ideen für die nächsten sechs Monate, beim Austausch mit meinen Ansprechpartnern und Mitfreiwilligen, gesammelt. Ich bin schon sehr gespannt wie nun das zweite Halbjahr im Projekt für mich aussehen wird! 

Insgesamt bin ich jeden Tag aus Neue dankbar für die tollen Erfahrungen die ich hier machen darf. Das paraguayische Lebensgefühl hat mich gepackt. Ein Leben ohne Tereré (kalter Mate), Chipa (Käse-Mais Gebäck) aber dafür wieder mit Geschirrspülmaschine und Busfahrplänen, kann ich mir schon gar nicht mehr vorstellen. Wenn ich in den letzten Monaten etwas gelernt habe, dann ist es; „otro mundo es posible“, dass eine andere Welt möglich ist, eine andere Welt in welcher andere Gesetze und Standards gelten als unsere Bekannten. Und dass man diese mit offenen Armen empfangen sollte.

Mit diesen Worten wünsche ich euch erstmal alles Gute und sende euch eine Menge besos und abrazos (Küsse und Umarmungen) aus dem schönen Paraguay!

Chao meine amigos,

Eure Merle

Cambia todo cambia

Cambia el modo de pensar                        Es ändert sich die Art zu denken
Cambia todo en este mundo.                     Alles in dieser Welt verändert sich.
Cambia el clima con los años                    Es wandelt sich mit den Jahren das Klima
Cambia el pastor su rebaño                       Der Hirte wechselt seine Herde
Y así como todo cambia                              Und so, wie sich alles verändert,
Que yo cambie no es extraño                     ist es nicht verwunderlich,
                                                                          dass auch ich mich verändere.
Fast 4 Wochen wohne ich nun in meinem neuen Zuhause in Asunción, der Hauptstadt Paraguays. 4 Wochen voller herzlicher Begegnungen, schwieriger Herausforderungen, fremder Gerüche und Geschmäcke, neuer Angewohnheiten, unbekannter Wege, Orte und Worte. 4 Wochen in denen ich mich überaus verändert und verliebt habe. Nicht verwunderlich, bei all diesen Eindrücken, dieses wunderschönen Landes mit all seinen Facetten. Noch nie zuvor hatte ich in einem Fernbus ein warmes Mittagessen zusammen mit einem kalten Bier bekommen, benutztes Klopapier in den Mülleimer geworfen, bei 35°C im Winter barfuß Fußball gespielt oder Mangos vom Himmel fallen sehen. Doch Paraguay macht’s möglich! Ein Land voller Überraschungen, ein Land der Gegensätze, ein Land, über das es nur einen einzigen Reiseführer gibt. Und hier werde ich nun das folgende Jahr verbringen!

Die Suche nach dem Kräuterfrischkäse

Als ich mit meinen Mitfreiwilligen nach ca. 20 Stunden Fahrt am Busterminal von Asunción angekommen bin, wurden wir zunächst von einer unerwarteten Hitzewelle erfasst. Die Fleecejacken, die wir in Buenos Aires noch dringend gebraucht hatten, wurden sofort im Rucksack verstaut. Nach einem herzlichen Empfang zweier unserer zukünftigen Mitarbeiter der „Callescuela“, wurden wir mit dem Auto zu dem Studentenheim, hier orfa, gefahren, in dem wir nun für ein Jahr wohnen werden. Dieser Ort ist mir so schnell ans Herz gewachsen! Das riesige Gelände auf dem sich auch eine deutsch-paraguayarische Kirche befindet, ist voller Leben. Hier wachsen Palmen und Mangobäume, laufen Hunde, Kaninchen und Katzen in Frieden über die vielen Grünflächen oder spielen Studenten im Gemeinschaftsraum Tischtennis sowie draußen Volleyball und Fußball. Wenn man Lust hat zu reden, muss man sich einfach auf eine beliebige Bank setzten und darauf warten, dass sich einer dazusetzt und Terere anbietet (den typisch-paraguayischen kalt aufgegossenen Matetee). Die Sprache ist dabei jedes mal wieder anders, da hier Studenten aus aller Welt zusammenfinden. So konnten wir gleich am Anfang ganz viele Kontakte knüpfen und bei Problemen schnell eine Antwort finden. Doch nicht nur Wissen über nette Cafés, billige Supermärkte und umliegende Fitnessstudios wird hier geteilt. Alle ca. 30 Bewohner teilen  sich eine Waschmaschine und eine Küche und momentan teile ich mir auch noch mit einer meiner Mitfreiwilligen ein Zimmer, was für mich aber kein Problem ist. Ich kann mich noch gut an unseren ersten Abend in der orfa erinnern an dem wir uns, noch total erschöpft von der Busfahrt, dafür entschieden zu einem benachbarten einheimischen Lokal namens „Pizza Hut“ zu gehen um das aufwendige Kochen zu vermeiden. Nach all den neuen Eindrücken des Tages, gab uns das Alte und Bekannte einen gewissen Halt. Denn auch unseren heimischen Kräuterfrischkäse hatten wir in dem großen Supermarkt Superseis nicht finden können. Mittlerweile kennen wir uns hier in der Gegend echt gut aus und wissen welche Aufstriche hier tausendmal besser schmecken als alle deutschen Kräuterfrischkäse zusammen. Auch die Altstadt haben wir schon ein wenig erkundet, sowie einige Parks, Bars und Einkaufszentren. Als vor einigen Tagen eine neue deutsche Freiwillige zu uns ins Wohnheim gezogen ist, haben wir uns schon fast wie Einheimische gefühlt, als wir ihr den Weg zum Supermarkt beschrieben.

Hier gibt es sowohl Avocados der Größe eines Tischtennisballes, als auch welche die mein ganzes Gesicht abdecken könnten. Aber egal welche man nimmt, leckerer als in Deutschland sind sie hier immer. 

Der Regierungspalast von Asunción hinter einem Schild, über das sich jeder Tourist freut. 

Die Straßenschule

In meinen ersten Wochen in Asunción habe ich natürlich nicht nur die Stadt und meine Umgebung kennengelernt, sondern auch die „Callescuela“, bei der ich das Jahr über arbeiten werde. Die Callescuela ist ein Verein der sich seit 1983 für Kinder und Jugendliche einsetzt, welche arbeiten müssen um ihre Familien finanziell zu unterstützen. Mit dem Prinzip „educando por la calle“(etw. lernen auf der Straße) versucht die Callescuela die Kinder und Jugendlichen bei ihrem Bildungsweg durch Nachhilfe zu unterstützen, sie über ihre Rechte zu informieren und ihnen die Möglichkeit zu geben sich zu organisieren und politisch für die eigenen Rechte und eine bessere Zukunft einzusetzen.  Zudem bietet sie ihnen Zugang zu Materialien, Essen und Freizeitangeboten, wie Fußballspielen oder Bastelaktionen, welche sie oft zu Hause nicht erhalten könnten. Die Callescuela hat in Asunción insgesamt 4 unterschiedliche Einsatzstellen, die wir uns in den ersten Wochen alle ansehen durften. Davon sind zwei an den Orten, an denen die meisten Kinder und Jugendlichen in der Stadt arbeiten: dem Mercado Abasto und dem Busterminal. Diese beiden Projekte sind öffentlich und können daher von allen Kindern und Jugendlichen genutzt werden. Im Mercado gibt es auch nachmittags umsonst ein warmes Essen für alle die es brauchen. Die anderen beiden Projekte befinden sich in zwei ärmeren Viertel eher am Rande der Stadt, also dort wo einige der arbeitenden Kinder und Jugendlichen wohnen. Diese Projekte kann man eher mit einer sehr lockeren Kindertagesstätte vergleichen, da dort auch sehr junge Kinder betreut werden und Ältere Nachhilfe erhalten und unterschiedliche Aktivitäten angeboten bekommen. In einer dieser beiden Einsatzstellen werde ich nun das kommende Jahr arbeiten. Genauer gesagt in der comunidad 9 de Marzo. Einem sehr schönen, überschaubaren Viertel gefüllt von Straßenhunden und sehr herzlichen Menschen, die mich sehr schnell als Teil der großen Familie aufgenommen haben. So kompliziert mein Name für spanisch-Sprecher auch sein mag, immer wenn ich in die kleine Lehmstraße zu meinem Projekt einbiege, höre ich aus irgendeinem Garten ein herzliches „Hola Merle“ (das klingt hier eher wie Marle oder Marie aber das ist mir egal). Nach meinen ersten Tagen alleine im Projekt bin ich oft ziemlich erschöpft von den vielen Herausforderungen. Mal abgesehen von den Sprachmissverständnissen ist es gar nicht so einfach allen Kindern gleichzeitig Aufmerksamkeit zu schenken, autoritär und trotzdem kumpelhaft rüberzukommen und die vielen Fragen über Deutschland zu beantworten. Immer wenn ich nach einem deutschen Schimpfwort gefragt werde, antworte ich „Eichhörnchen“. Jedoch bin ich auch nach jedem neuen Arbeitstag total erfüllt, von all den neuen Eindrücken und der unglaublichen Energie und Lebensfreude, die die Kinder mitbringen. Nicht nur die Energie bei extremer Hitze Fußball zu spielen oder auf einen Baum zu klettern um mir danach unbekannte Früchte in den Mund zu stecken, sondern auch die Energie zu lernen. Einmal wöchentlich treffen sich die Kinder und Jugendlichen in Gruppen um sich über ihr Leben als Arbeiter und Schüler zu unterhalten aber auch um zusammen mehr über wichtige Themen wie Gesundheit, Ernährung, gewaltfreien Umgang oder Kinderrechte zu lernen. Immer wieder bin ich beeindruckt, wie selbständig die Kinder und Jugendlichen hier schon sind.
 

Hier wurden meine Mitfreiwillige Laura und ich herzlich von der Gruppe „Abeja“ der comunidad Villa Elisa empfangen, in der ich auch zwei Tage der Woche arbeite. 
 

Hier hatten wir die Ehre an einem Treffen einiger indigener Völker Paraguays teilzunehmen, welche sich für den Schutz ihrer heiligen  „Tierra Madre“ (Mutter Erde) einsetzten. 
Ich bin schon sehr gespannt und voller Vorfreude darauf, was sich noch alles in den nächsten 4 Wochen ereignen und verändern wird. Einfach ein bisschen Terere trinken und abwarten bis die Mangos vom Himmel fallen (die sind nämlich bald reif). Denn dass sich alles verändert, ist ja nicht verwunderlich.
Die allerbesten Grüße meine Amigos!
Merle