Ein Friedenszentrum also, und was macht man da so?

Ein Problem, mit dem ich mich während meines gesamten Aufenthalts in Indien über konstant konfrontiert sah, war es, meine Einsatzstelle zu beschreiben. Ob mich jemand in Nagpur fragte, der das India Peace Centre nicht kannte, auf Reisen, oder auch meine Familie Zuhause. Ich wusste nicht so ganz, was ich antworten sollte.

Ein Friedenszentrum also, und was macht man da so?
Das ist Nagpur, die Stadt in der sich das India Peace Centre befindet.

Da der Zahn der Zeit das schnelle Entwickeln nachhaltiger Lösungsstrategien erfordert, entschloss ich mich lösungsorientiert dazu, jedes Mal etwas anderes zu erzählen. 

Mal erzählte ich über ein Zentrum, das sich für den Umweltschutz einsetzt, mal war der Hauptaspekt religiöser Dialog und Gleichberechtigung. Oft erzählte ich von der nationalen Auslegung unserer Workshops und von unseren internationalen Partner*innen, genauso oft hielt ich das in diesem partikularen Moment für lapidar. An Montagen berichtete ich, dass wir hauptsächlich im Büro arbeiteten würden und an Freitagen legte ich den Fokus auf unsere Aufgaben wie dem Anleiten von Workshops oder dem Halten von Reden.  

Ein Friedenszentrum also, und was macht man da so?
Leona und ich verteilen Zertifikate bei dem, von uns organisierten, Malwettbewerb zum Thema “Climate Action for Peace”

Das einzige was immer gleich blieb war die Aussage, dass ich in einem Friedenszentrum arbeiten würde.

Leider war die Beschreibung meiner Einsatzstelle vor meiner tatsächlichen Tätigkeit dort konstanter, als die danach. Ich wurde im Laufe meines Aufenthalts nicht erleuchtet, wider vieler Erwartungen, die dem Land des Yogas und der Spiritualität eine magische Heil- und Selbstfindungswirkung implizieren.

Mein Text führt Euch in die Irre, denn der Titel lockt mit einer Stellenbeschreibung, einem konkreten Ergebnis, etwas handfestem, aber, wenn ich eins gelernt hab, dann, dass handfestes eher selten unseren Arbeitstag bestimmte. Also gibt es heute auch keinen handfesten Text für Euch.

Das IPC ist sowieso kein Text, es ist ein Gefühl und es ändert sich jeden Tag, weil sich das Gebäude und seine Mitarbeitenden sich jeden Tag wie magisch eine neue Funktion zuschreiben. Mal ist meine Einsatzstelle ein Kampf für Gerechtigkeit, ein Asyl für Hilfesuchende, eine Bildungsstätte, ein Spielplatz, eine Ideenwerkstatt und ganz oft, vor allem für Leona und mich: eine Herausforderung.

Wenig an meiner Arbeit ist konstant gewesen und das habe ich geliebt. Erst jetzt, wo ich wieder Zuhause bin merke ich, wie viel ich im Rahmen meiner Arbeit gelernt habe, was durch den schnellen Wechsel von Themenschwerpunkten kam. Eine Woche waren wir Leiterinnen eines Malwettbewerbs, mal Filmregisseurinnen, Reporterinnen, Lehrerinnen. Jedes Mal brauchte es eine neue Kompetenz. Mal las ich mich in das Verhältnis von Frauen und Männern in Indien ein, oft über Politisches: die Unabhängigkeit vom Vereinten Königreich, das regionale und auch das nationale Müllmanagement, die verschiedenen Religionen, Gandhi, Ambedkar ihre Vor- und Nachteile und natürlich, in diverse Computerprogramme: geteilte Dokumente auf Google, geteilte Kalender, Designprogramme, Schneideprogramme, mailmerge. Einerseits, um dem bürokratischen Aufwand gerecht zu werden, anderseits um die Bildungsangebote zu bewerben. Oft ging es auch um konkrete Inhalte und um die Frage, wie wir wieder eine jüngere Zielgruppe in Kontakt mit politischen und soziologischen Themen bringen könnten. Neben den Aufgaben haben sich auch die Orte geändert. 

Die meiste Zeit verbrachten wir definitiv in unserem Büro in Nagpur.

Ein Friedenszentrum also, und was macht man da so?
Leona, unser Hund Tommy und ich frieren in unserem Büro im Winter.

Dazu konnten Leona und ich aber auch fast alle Teile Indiens erkunden, als in Indien arbeitende sowie als Reisende, da uns unser Chef immer ein oder zwei Urlaubstage schenkte, um einen neuen Ort zu erkunden. Unsere erste Reise ging nach Bhubaneshwar, wo wir im Rahmen unseres “Peace Education Programs” einen Vortrag über internationale Friedensbewegungen hielten und so Beispiele gaben, die den Jugendlichen Vorschläge geben sollten, wie sie ihr Gefühl einer delegitimierten Regierung nach außen tragen konnten. Andere Personen sprachen Themen, wie Ehe, Kaste und Gleichberechtigung an, was mich sehr nachdenklich machte. 

Ein Friedenszentrum also, und was macht man da so?
Ein Bild von unserem Programm in Bhubaneswar.

Wir sahen Bangalore, wo wir unsere Englischschülerinnen auf ein leadership Programm mit einer Partnerorganisation begleiten durften und das erste Mal Lebensrealitäten der Dalits, den Unberührbaren, und der Adivasi, der indigenen Bevölkerung in Indiens kennenlernen konnten. Wir waren stolze Lehrerinnen, die sahen, wie ihre engagierten Schülerinnen alles gegeben hatten, um Englisch zu lernen und sich nun mit Freunden aus ganz Indien auf einer gemeinsamen Sprache unterhalte konnten- Englisch. 

Ein Friedenszentrum also, und was macht man da so?
Ein Bild vom Leadership- program in Bangalore

Außerdem sahen wir Goa, das uns zum Thema des nachhaltigen Tourismus und vor allem zum Thema Müllmanagement brachte. Ich lerne beeindruckende Menschen kennen, die ihre gesamten Hotels nachhaltig gestaltet hatten. Nichts gabe es, das nicht wiederverwendet, recycelt oder verwertet wurde. So etwas habe ich selbst in Deutschland noch nie gesehen. Unglaublich fortschrittlich und innovativ. 

Ein Friedenszentrum also, und was macht man da so?
Gab zeigt uns stolz seine Mülltrennung. 

Das sind vielleicht nicht die ersten Worte, die Dir bei “Indien” einfallen, aber ich persönlich kam in den Genuss, in den Kontakt mit inspirierenden und engagierten Menschen zu kommen, denn das IPC verbindet  – mit unseren Teilnehmer*innen, mit unsere core- group und  mit unseren Partnerorganisationen. Mal handelte es sich dabei um eine Gruppe, die für die Rechte der LGBTQI+ community eintritt, mal war es ein Psycholog*innen Verband, der sich für die Anerkennung psychischer Krankheiten einsetzte oder eine Frau, die Binden verkauft und sich für eine öffentliche Diskussion von Themen wie Sex, Ehe und Menstruation engagiert. 

Ein Friedenszentrum also, und was macht man da so?
Girlpower- diesmal durfte ich in die Mitte. 

Für mich gab es oft konkrete Aufgaben, bei denen ich aber immer frei entscheiden konnte, wie sehr ich mich dahinterklemme, wie viel Arbeit ich hineinstecke, wie tiefgehend ich mich informiere. Denn kritisiert wurden wir eher selten. Umso mehr wurden unsere Kritik an den veralteten Methoden offen empfangen und aufgenommen, integriert und umgesetzt. Mit der Zeit wuchsen auch unsere Verantwortlichkeiten und unser Netzwerk und dann begann die Arbeit, so richtig viel Spaß zu machen. Denn es gab Platz für mich, mich einzusetzen, Themenschwerpunkte zu setzen, an einem Veränderungsprozess teilzunehmen und auch, das kleine Büro langsam zu digitalisieren. Leona und ich arbeiteten zunächst als Kolleginnen und bildeten am Ende eine Einheit.

Ein Friedenszentrum also, und was macht man da so?

Dann ging es plötzlich nach Hause. 

Bber naja was soll’s, denn man soll ja schließlich gehen, wenn es am schönsten ist. 

Nun meine Einsatzstelle, was ist sie nun? 

Ein Friedenszentrum also, und was macht man da so?
unser IPC- Team, leider ohne Kasta

Frieden ist ein Gefühl. Frieden ist vielseitig und jeden Tag anders. Frieden zeigt Dir neue Orte, Partner und Gesichter. Frieden wandelt sich und bietet dir Raum. Und vielleicht gerade deswegen, kann ich Frieden nicht immer gleich beschreiben.

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