Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt.

Sonntag, 15. März

Ich bin gerade mit dem Wäsche waschen fertig geworden und habe alles an die Wäscheleine vor meiner Tür gehängt als ich ein Pling! höre. Eine Nachricht aus dem entfernten Deutschland, ob ich gleich einmal Zeit hätte zu telefonieren. Ich schrieb nur ein kurzes „Ja hab jetzt Zeit“ zurück und dann wurde ich auch schon angerufen. Vor einer ganzen Weile hatte ich schon den ein oder anderen Besuch geplant der im April (zu meinem Geburtstag) und im Juni stattfinden sollte. Auf den ich mich schon so sehr gefreut habe und mir in einigen schweren Momenten auch einen Lichtblick gab.

Nach diesem Telefonat war aber klar: Kein Besuch für mich im April! Der Grund, Covid-19. Danke für Nichts, dachte ich mir und es lief eine Träne. Dies war der Moment, wo ich ganz langsam Begriff, dass dieses Virus vielleicht doch nicht so weit weg ist, wie gedacht.

Montag, 16.März

Um 09:22 Uhr bekam ich eine E-Mail vom ZMÖ. Der Betreff: Corona-Update – bitte lesen! Schon wieder das Virus, dachte ich nur. Ich sollte einmal meine Situation schildern und wie es mir momentan ging. Okay, das war schnell gemacht und ich konnte mich wieder an das Geschirr spülen machen, da das eventuell die letzten Tage ein bisschen vernachlässigt wurde…

Um 12:18 Uhr hörte ich wieder ein Pling! und dann immer mehr… In der WhatsApp Gruppe von uns Freiwilligen überschlugen sich die Nachrichten, zu Beginn verstand ich gar nicht worum es ging und dann öffnete ich einen Screenshot einer E-Mail mit dem Betreff: „Beendigung Freiwilligendienst

Es soll aus gegebenem Anlass also so schnell wie möglich für uns alle zurück nach Deutschland gehen.

An diesem Abend wusste ich nicht wohin mit meinen Gedanken. Das soll es jetzt schon gewesen sein? Wie lange habe ich noch? Wann geht mein Flug? Passt überhaupt alles in meinen Koffer? Diese und noch viele weitere Gedanken kreisten in meinem Kopf. Ich schrieb auch noch der Sister, dass sie Bescheid wusste, sobald ich morgen ins Office kam.

Dienstag, 17.März

Ich ging vermutlich das letzte Mal ins Office, da noch nicht klar war, wann ich fliegen werde. Von einem Tag auf den anderen ändert sich plötzlich alles. Die Nacht habe ich auch nicht wirklich schlafen können…

Der Weg zum Office

Im Office angekommen, erzählte ich der Sister noch einmal genau, was gestern besprochen wurde. Sie verstand es besser als ich und versuchte mir Mut zu machen, dass es das Richtige sei in dieser Situation bei meiner Familie zu sein. An diesem Tag war die Arbeit auch zweitrangig und wir redeten über die ersten Tage an denen ich ins Projekt gekommen war.

Es war seltsam, aber auch schön einiges nochmal Revue passieren zu lassen. Am Ende dieses Tages verabschiedete ich mich von meinen Kolleg*Innen. Alle waren sehr überrascht und fragten immer wieder, ob meine Familie, dass gewollt hatte und ich versuchte mit meinen Kisuaheli Kenntnissen klar zu machen, dass die „Serikali“ (Regierung), diesen Schritt veranlasst hatte. Ich wurde auch mehrmals gefragt, ob ich denn irgendwann, am besten noch dieses Jahr, wiederkommen würde, um meinen Freiwilligendienst zu beenden. Dies musste ich leider verneinen, aber ich machte klar, dass ich auf jeden Fall als Besucherin wiederkommen werde.

Mittwoch, 18. März

Als ich heute Morgen auf mein Handy blickte, sah ich die nächste E-Mail. Mein Rückflugticket. Das heißt, es geht jetzt wirklich für mich zurück nach Deutschland. Am Samstag um 21:50 Uhr werde ich im Flugzeug zurück nach Deutschland sitzen. Aber zum Glück nicht alleine, sondern mit meinen beiden Mitfreiwilligen. In Dar es salaam werden wir uns wiedersehen.

Mit diesem Gedanken ging ich das letzte Mal zur Morgenandacht. Nach der offiziellen Liturgie wurde ich dann nach vorne gerufen und wurde verabschiedet, wo ich eigentlich erst im Juli stehen sollte, stand ich jetzt. Vor den Schüler*Innen mit einem Holzkreuz in der Hand, als Abschiedsgeschenk.

Nach der Andacht kamen noch ein paar Schüler*Innen auf mich zu, mit denen ich in den letzten Monaten zusammen gekocht, gewaschen, einem Fußballspiel geschaut und gelacht hatte. Sie konnten es auch nicht verstehen.

Donnerstag, 19. März

So langsam hieß es packen und sauber machen. Aber wie soll ich Erfahrungen, Erinnerungen und Erlebnisse aus den ganzen letzten Monaten innerhalb von ein paar Stunden einfach einpacken?

Plötzlich hörte ich es klopfen. Eine Fieldworkerin stand vor mir. Mit ihr bin ich in den letzten Monaten von Gemeinde zu Gemeinde und von Waisenkindertreffen zu Waisenkindertreffen gegangen. Sie kam, um sich zu verabschieden. Meine Gedanken wanderten zum Anfang meiner Zeit, wo ich fast kein Kisuaheli konnte und wir uns mehr oder weniger mit Händen und Füßen verständigen mussten. Trotzdem brachte sie mir viel Geduld entgegen und lud mich nach dem ein oder anderen Rundgang zu sich nach Hause ein und wir aßen gemeinsam und ich spielte mit ihrer kleinen Tochter. Heute hieß es dann „Kwa heri.“  (Auf Wiedersehen)

Freitag, 20. März

Plötzlich überschlugen sich die Ereignisse. Gestern wurde in der Morgenandacht noch erklärt, wie man sich aufgrund der aktuellen Situation die Hände wäscht und heute wurde die Bibelschule auch schon geschlossen. Auch wenn bis jetzt nur zwei Covid-19 Fälle bekannt waren.

Nachdem ich heute Morgen noch zu einem Frühstück eingeladen wurde, saß ich draußen unter Bananenpalmen, blauem Himmel und Sonnenschein. Ich dachte an das kalte und graue Deutschland und das gerade einfach alles viel zu schnell ging.

Bananenpalmen und blauer Himmel

Samstag, 21. März (Rückflugtag)

Diese Nacht habe ich wieder nicht gut geschlafen und konnte alles noch gar nicht richtig realisieren. Ich packte meine letzten Sachen ein, nahm die Fotos von den Wänden und verstaute alles. Die Sister schrieb, sie würde mich um 16.00 Uhr abholen und zum Flughafen bringen.

Kurz vorher ging ich noch zum Principal der Bibelschule und verabschiedete mich noch mit Handschlag und bekam ein Gebet mit auf den Weg. Dann hatte ich eine ruhige Minute in meiner Wohnung und versuchte mir bewusst zu machen, dass ich in ein paar Stunden bereits in Deutschland sein werde. Surreal!

Ich hörte Motorengeräusche und ging raus. Nachdem mein ganzes Gepäck im Kofferraum verstaut war, ging ich noch ein letztes Mal zur Wohnung. Dann drehte ich den Schlüssel zwei Mal im Schloss, bevor ich ihn abgeben musste. Das wars jetzt wirklich, dachte ich.

Auf der Fahrt sah ich die Umgebung an mir vorbeiziehen und konnte nicht fassen, dass ich das alles vorerst zum letzten Mal sehen würde.

Am Flughafen wurde das Thema Corona immer präsenter. Ich sollte doch vorher meine Hände desinfizieren mithilfe der Ständer rechts und links am Gebäude. Das Personal trug Handschuhe und Schutzmasken. Wie ferngesteuert, lief ich erst zum Check-In Schalter und anschließend zur Security, ich brauchte zum Glück kein Formular ausfüllen, da ich eine Residence Permit habe und somit kein Tourist bin. An der Sicherheitskontrolle konnte ich das letzte Mal meine Kisuaheli Kenntnisse testen und stieß damit auf überraschte Gesichter. Es tat gut, das Lächeln der Mitarbeiter*Innen zu sehen.

Am Gate traf ich auch ein paar Menschen, die aufgrund der gleichen Situation verfrüht nach Deutschland zurückmussten, der Austausch war schön.

In Dar es salaam stiegen meine Mitfreiwilligen zu, wir erzählten viel und hörten uns gegenseitig zu.

Flughafen Dar es salaam

Sonntag, 22. März (Ankunft Deutschland)

Als wir nach mehreren Stunden und einmal umsteigen in Hamburg landeten, schien zwar die Sonne, aber wir hatten nur 2°C. Kälteschock war vorprogrammiert.

Wir gingen zur Gepäckausgabe und bevor es raus zu unseren Familien ging, gab es noch eine Umarmung, die inzwischen ja auch nicht mehr erlaubt ist, aufgrund des Kontaktverbots und 1,5m Abstand. Und dann gingen wir gemeinsam auf den Ausgang zu.

Heute

Es brauchte ein paar Wochen sich wieder an alles zu gewöhnen. Natürlich waren alle froh, dass ich nun wieder heile zuhause angekommen bin, aber in einigen Momenten wäre ich dann doch wieder gerne in der Wärme und bei den Menschen, die nun zu Freunden geworden sind. Vielleicht bin ich doch noch nicht ganz wieder da…

Asante sana kwa kila kitu. Nitakurudi wakati wengine. Badaaye.

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