Protestantische Kirche in den Niederlanden

Die Protestantische Kirche in den Niederlanden (Protestantse Kerk in Nederland, PKN) wurde nach jahrzehntelangen Beratungen im „Samen op Weg-Prozess“ (Zusammen auf dem Weg-Prozess) am 1. Mai 2004 gegründet. Sie ist eine Union der beiden großen reformierten Kirchen, der Nederlandse Hervormde Kerk und der Gereformeerde Kerken in Nederland , sowie der deutlich kleineren Evangelisch-Lutherischen Kirche im Königreich der Niederlande (Evangelisch-Lutherse Kerk in het Koninkrijk der Nederlanden).

Die Lutherische Kirche wurde ursprünglich von deutschen Kaufleuten und Handelsherren gegründet, die erste Gemeinde vor 450 Jahren in Woerden. Die Hervormde Kerk ist die ursprüngliche Staatskirche und hat eine ähnliche Organisation wie die evangelischen Kirchen in Deutschland, während bei den Gereformeerden Kerken jede einzelne Gemeinde eine Kirche ist, ohne dass es eine größere gemeinsame Organisation gibt. Diese Gemeinden sind die Antwort auf die liberale Theologie und die Lebensformen der Hervormden Kerk im 19. Jahrhundert. Diese verschiedenen Kirchen haben erheblich zur sogenannten “Versäulung“ der Niederlande beigetragen.
Die Lutherische Kirche, klein an Zahl, hat entscheidend dazu beigetragen, dass es zur Verbindung der Kirchen kam, sie spielte gewissermaßen den „Katalysator“. Die Remonstranten, eine freisinnige reformierte Gruppe, die viele Jahre mit auf dem Weg war, zogen sich am Ende aus der Union zurück, halten aber in vielen Bereichen (z.B. Diakonat) eine enge Beziehung zur PKN.
Die Leitungsfunktion in der PKN übt die Synode aus, deren Spitze ist das sog. Moderamen. Die Lutheraner*innen haben eine eigene lutherische Synode, deren Funktion sich auf Fragen der lutherischen Theologie, Liturgie, Kirchenmusik und ihre spezifischen ökumenischen Verbindungen beschränkt. Es gibt noch etwa 20 lutherische Gemeinden innerhalb der PKN.

Geschichte der Beziehungen

Der entscheidende geschichtliche Hintergrund der Beziehung ist die niederländische Erfahrung der deutschen Besatzung ihres Landes im Zweiten Weltkrieg und der Gräueltaten von Mitgliedern der Deutschen Wehrmacht. Daher führte es zunächst zu Ressentiments in der Bevölkerung, als die Thronfolgerin und spätere Königin Beatrix 1966 den Deutschen Claus von Amsberg heiratete.
Schon früh wurden kirchliche Kontakte über internationale ökumenische Organisationen wie den Ökumenischen Rat der Kirchen und seinen ersten Generalsekretär, den Niederländer Willem Adolf Visser’t Hooft, geknüpft. In den vergangenen Jahrzehnten gingen viele Theologen und Theologinnen zum Studium in die Niederlande, viele Impulse, u.a. in der feministischen Theologie, kamen aus den Niederlanden nach Deutschland.
Die Teilung Deutschlands und Europas nach dem Zweiten Weltkrieg war für viele Christinnen und Christen ein schwer zu ertragender Zustand. So besuchten die ersten Niederländerinnen und Niederländer schon bald nach dem Bau der Mauer Ostdeutschland – nur in diese Richtung waren Besuche möglich. Daraus entstanden erste persönliche Beziehungen. Es gab regelmäßige Treffen bei den Berliner Bibelwochen. Die Aufnahme von diplomatischen Beziehungen zwischen den Niederlanden und der DDR 1973 nahm Herman Korteweg, ein Lehrer aus Oud-Beijerland, als Anstoß, aus den einzelnen Freundschaften ökumenische Beziehungen zwischen Gemeinden zu entwickeln. Durch sein großes Organisationstalent, seine Unermüdlichkeit, aber auch durch das Verlangen auf beiden Seiten, den Eisernen Vorhang zu überwinden, entstanden bis 1989 über 450 Gemeindepartnerschaften zwischen den Niederlanden und der DDR. Ihm zur Seite standen Eef Dijk und Rica Manschot. Themen waren am Anfang vor allem Ökumene, Versöhnung, der Abbau von Feindbildern und die Verbundenheit. Am 1. April 1985 gründete sich in den Niederlanden die Landesweite Arbeitsgruppe Gemeindekontakte Niederlande – Deutschland (Landelijke Werkgroep Gemeentecontacten Nederland – Duitsland).

Gewachsene Beziehungen mit Ost und West

Es gibt unterschiedliche Partnerbeziehungen der Nordkirche in die Niederlande: Zum einen gibt es eine Landeskirchliche Partnerschaft aus der Nordelbischen Kirche mit der früheren Lutherischen Kirche im Königreich der Niederlande, die seit 1. Mai 2004 Teil der Protestantischen Kirche in den Niederlanden ist. Außerdem gibt es viele gemeindliche Partnerbeziehungen aus Mecklenburg und Pommern zu Gemeinden der PKN, intensive Kontakte der KZ Gedenk- und Begegnungsstätte Ladelund mit dem niederländischen Dorf Putten und weitere Einzelkontakte.
Die Partnerschaft zur Lutherischen Kirche im Königreich der Niederlande entstand Mitte der 70er Jahre durch persönliche Kontakte zwischen dem Präsidenten der synodalen Kommission der Lutherischen Kirche im Königreich der Niederlande, Pastor Dr. Wonno Bleij, und dem Präsidenten des Nordelbischen Kirchenamtes, Horst Göldner, bei ökumenischen Kontakten und Sitzungen in Europa.
Zwei Mitglieder des Kollegiums des Kirchenamtes in Kiel fuhren regelmäßig zu den Synodentagungen in den Niederlanden, auch gab es Gegenbesuche. OKR Kurt Triebel wurde von der lutherischen Synode zum adviseur, d.h. Berater, ernannt. So konnte der „Samen op Weg–Pro-zess“ aufmerksam verfolgt und begleitet werden. Zweimal besuchte die Nordelbische Kirchenleitung die Niederlande.

Unabhängig davon entwickelten sich schon bald nach Ende des Zweiten Weltkrieges Kontakte zwischen der evangelischen Gemeinde Ladelund mit der KZ Gedenk- und Begegnungsstätte Ladelund in Nordfriesland und dem niederländischen Ort Putten. 110 der 301 im KZ Ladelund Getöteten stammten aus Putten. Mit Hilfe des Pastors der Gemeinde Ladelund wurden die Verstorbenen registriert, christlich bestattet und Kontakte zu der zurückgebliebenen Bevölkerung in Putten aufgenommen. Der Friedhof wurde gestaltet, ein Erinnerungsmal entstand, gegenseitige Besuche wurden organisiert. Die ersten Begegnungen mit Angehörigen aus Putten sind bereits aus den Jahren 1946 und 1947 belegt, im Herbst 1950 kamen 130 Angehörige aus Putten nach Ladelund. Schwerpunktthema ist die Versöhnung.
Auf Initiative aus den Niederlanden entstanden Anfang der 80er Jahre in Mecklenburg und Pommern Kontakte und Gemeindepartnerschaften. Für die Christinnen und Christen in Mecklenburg und Pommern brachten die Partnerschaften ein Bild von Freiheit und das Wissen: „Wir sind Teil der weltweiten Christenheit“. Wichtige Themen waren die Versöhnung und der Gemeindeaufbau. Die Staatssicherheit beobachtete die Aktivitäten. Bis 1989 gründeten sich 65 Gemeindepartnerschaften in Mecklenburg, über die Hälfte von ihnen nach Friesland, und 17 in Pommern. In der Landesweiten Arbeitsgruppe Gemeindekontakte Niederlande – Deutschland in den Niederlanden vertrat Eef Dijk die Kontakte zu den mecklenburgischen Gemeinden.
Am 16. Januar 1990 lud das Amt für Gemeindedienst mit Landespastor Kleiminger alle Gemeinden mit niederländischen Partnerbeziehungen zu einem Treffen nach Güstrow ein. Die Partnerschaften erlebten einen großen Aufschwung und eine rege Reiselust, nun von Mecklenburg in die Niederlande. Auf einem weiteren Treffen im September 1994 wurde die Bildung einer „Kontaktgruppe Niederlande“ in der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Mecklenburgs beschlossen, die sich am 15. November 1994 konstituierte und den Synodalen Helmuth Schröder zum Vorsitzenden und Sprecher wählte. Weitere Treffen wurden in allen Regionen Mecklenburgs organisiert, genauso auch die Teilnahme an Kirchentagen. Von 1992 bis 1997 war mit Bernhard van Verschuer ein Pastor der niederländischen Herformde Kerk im Mecklenburgischen Sternberg tätig.

Informationen zu den Niederlanden

Die Niederlande (niederländisch Nederland) sind eine parlamentarische Monarchie in Westeuropa. Sie grenzen an die Nordsee, Belgien und Deutschland. Zusammen mit Belgien und Luxemburg bilden die Niederlande die Benelux-Staaten. Zum Staat der Niederlande gehören neben den zwölf Provinzen des europäischen Teils auch drei Karibikinseln. Hauptstadt der Niederlande ist Amsterdam, Regierungssitz Den Haag. Ungefähr die Hälfte des Landes liegt weniger als einen Meter über, rund ein Viertel des Landes unterhalb des Meeresspiegels.
1648 wurde im Westfälischen Frieden die Unabhängigkeit der Niederlande von Spanien anerkannt. Das Datum gilt als Geburtstag der heutigen Niederlande. Die südlichen Niederlande – das heutige Belgien – blieben bei Spanien, so dass die Niederlande fortan geteilt waren. Am 2. Dezember 1813 proklamierte die Niederlande nach der Besetzung durch Napoleon ihre Unabhängigkeit von Frankreich. In diesem Zusammenhang entstand das heutige Königreich der Niederlande als konstitutionelle Monarchie. Sein Königreich bestand seit 1815 aus den Ländern, die heute die Niederlande, Belgien und Luxemburg bilden. Jedoch empfanden sich viele Belgier als Untertanen zweiten Ranges – ihre Religion war katholisch, ihre Wirtschaft unterentwickelt, ihre Sprachen Flämisch und Französisch. 1830 erhob sich der Süden in der belgischen Revolution und erklärte sich vom Norden unabhängig. 1839 wurde Belgien von den Niederlanden anerkannt.
1848 entwarf der liberale und durch das Luthertum beeinflusste Staatsrechtler Johan Rudolf Thorbecke (1798 -1872) die neue Verfassung der Niederlande. Durch die darin eingeführte Pflicht der Regierung, dem Parlament Auskünfte zu erteilen (die sog. „Ministerverantwortlichkeit“), wurde später das parlamentarische System ermöglicht. Dieser Parlamentarismus etablierte sich in den Niederlanden von 1866 bis 1868.
Seit 1917 gibt es das allgemeine Wahlrecht in den Niederlanden, die ersten Wahlen (Verhältniswahlrecht) fanden 1918 statt. Frauen durften ab 1922 wählen.
Anders als Belgien blieben die Niederlande im Ersten Weltkrieg neutral. Nach dem Krieg dominierten in den Niederlanden die konfessionellen Parteien (sog. Säulenprinzip). 1939 kam zum ersten Mal die sozialistische Partei in die Regierung.
Die Niederlande waren seit dem 17. Jahrhundert (dem „Goldenen Zeitalter“) ein Zufluchtsort für Glaubensflüchtlinge, vor allem für Jüdinnen und Juden geworden. Besonders in Amsterdam siedelten sich die aus Portugal vertriebenen sephardischen Juden und später dann auch aschkenasische Juden, die vor den Pogromen in Osteuropa geflohen waren, an. In der Nazizeit wurden die Niederlande wieder Zufluchtsort für viele deutsche Juden. Das Schicksal von Anne Frank und ihrer Familie ist dafür exemplarisch.
Am 10. Mai 1940 überfiel die deutsche Wehrmacht die Niederlande und besetzte das Land. Die Königin wich zusammen mit dem Kabinett nach England bzw. Kanada aus. In den Niederlanden gab es eine erhebliche Anzahl von Mitgliedern der Widerstandsbewegung, genauso aber auch viele Mitglieder der NSB (National-Socialistische Bewegung). Jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger wurden in großer Zahl verschleppt und in deutschen Konzentrationslagern ermordet, auch andere aus der Bevölkerung. Jedoch konnten etliche Menschen untertauchen. Nach dem Vormarsch der Alliierten ab dem 6. Juni 1944 wurde mit einem schnellen Einmarsch in die Niederlande gerechnet, aber durch die Niederlage an der Brücke von Arnheim konnten die Alliierten nicht das gesamte Staatsgebiet einnehmen. Erst am 5. Mai 1945 kapitulierten die deutschen Truppen, nachdem diese vorher noch viele Kilometer Deiche zerstört hatten. Der 5. Mai ist bis heute der niederländische Bevrijdingsdag (Befreiungstag) und wird entsprechend gefeiert.
1948 trat Königin Wilhelmina nach fünfzigjähriger Herrschaft zu Gunsten ihrer Tochter Juliana zurück. Nach den Erfahrungen der Besetzungszeit wollte sie absolutistische Elemente in der Staatsform verstärken, konnte sich aber damit nicht durchsetzen. Die Niederlande gründeten nach dem Zweiten Weltkrieg zusammen mit Frankreich, Belgien, Luxemburg, Italien und Deutschland 1952 die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (Montanunion). Die Niederlande sind heute Mitglied folgender Organisationen: Benelux, Vereinte Nationen, Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, NATO, OECD, Europarat, Europäische Union.
1949 wurde Indonesien unabhängig von den Niederlanden, 1954 die Kolonien Niederländische Antillen in der Karibik und Surinam in Südamerika zu gleichberechtigen Partnern der Niederlande, 1975 wurde Surinam zu einer unabhängigen Republik. Nach der Ausgliederung der Insel Aruba aus den Antillen besteht das Königreich aus den Niederlanden, den Niederländischen Antillen und Aruba.
Am 30. April 1980 übernahm Beatrix, seit etlichen Jahren mit dem Deutschen Claus vom Amsberg verheiratet, die königliche Regierung, am 30. April 2013 ihr Sohn Willem Alexander zusammen mit seiner Frau Maxima.
Seit Ende der 60er Jahre prägte die sogenannte Versäulung (verzuiling) die niederländische Gesellschaft: es gab klar gegliederte Bindungen anhand von Religion und Kultur, z. B. in den Bereichen Kindergarten, Schule, Rundfunk, Fernsehen, Parteien. Dies geht mehr und mehr zurück, und es finden in vielen Bereichen Vereinigungen statt, z. B. das Zusammengehen der Rundfunksender des NCRV (Evangelisch) mit dem KRO (Katholisch) und auch bei den Parteien. So gab es 1994 zum ersten Mal ein Regierungskabinett ohne eine konfessionelle Partei. Der Mord an dem rechten Politiker Pim Fortuyn (2002) und dem Filmregisseur Theo van Gogh (2004) führte zu heftigen Auseinandersetzungen über die multikulturelle Gesellschaft, für die die Niederlande nach dem Zweiten Weltkrieg bekannt wurde.
Die Niederlande gelten inzwischen als eine der am wenigsten religiös bzw. kirchlich gebundenen Gesellschaften in Europa. 2010 gehörte die Hälfte der Bevölkerung (51 %) keiner Religionsgemeinschaft an.