Kwaheri mal fünf

Das Corona Virus war für mich kaum ein Thema, bis es meinen Plan für die nächsten 3-4 Monate komplett auf den Kopf gestellt hat. Ein Tag bevor ich erfuhr, dass Corona der Grund meiner sehr verfrühten Rückkehr sein würde, habe ich genau darüber mit einem Kumpel beim Kaffeetrinken Scherze gemacht. „Stell dir mal vor, ich müsste wegen Corona nach Hause“- wir beide lachen. Irgendwie sind alle Leute im Moment so komisch verrückt deswegen. „Weißt du, was mir meine Mama erzählt hat? In Deutschland ist in vielen Supermärkten das Toilettenpapier ausverkauft und alle fangen an Hamsterkäufe zu tätigen. Ich bin so froh, dass viele Menschen hier so viel entspannter sind.“ Laborbestätigte SARS-CoV-2-Infektionen in Deutschland zu dem Zeitpunkt: 4838. Im Vergleich dazu gab es in Tansania zu dem Zeitpunkt nur einen Verdachtsfall. Abgesehen von Hamsterkäufen ist die aufgebrachte Stimmung wohl doch nachvollziehbar, wenn man sich die Ausbreitung des Virus und das wenige Wissen zu der Zeit darüber mit berücksichtigt.  

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Mein Freund John und ich beim Scherzen über Corona.

Am nächsten Morgen haben wir Freiwilligen dann eine Mail vom ZMÖ erhalten, in der wir einschätzen sollten, wie sich das Corona Virus auf uns und unsere Projekte auswirkt und wie betroffen wir davon schon sind. Zitat aus meiner Antwortmail: „Ein Großteil hat [hier] schon von dem Virus gehört“. Die Einschätzung spielte im Nachhinein aber keine große Rolle mehr, weil wir kurz darauf die Meldung erhielten, dass alle Freiwilligen zurück nach Deutschland geholt werden. Es ist, glaube ich, ein halber Tag vergangen, bis das BMZ es sowieso offiziell entschieden hat. Dann hieß es Abschied nehmen. Für mich war es eine Mischung aus vielen Gefühlen, die ich nicht so ganz deuten konnte. Ich habe so oft an zu Hause gedacht und dann plötzlich habe ich auch gemerkt, dass ich in mir in Mwanza auch ein zu Hause aufgebaut hatte. Meine Freundinnen und Freunde haben mir zuerst nicht geglaubt, dass ich fliegen muss und waren deshalb auch erstmal nicht so traurig. Da manche Freiwillige schon kurz nach der Nachricht fliegen sollten, hatte ich Angst nicht mehr genug Zeit zum Tschüss sagen zu haben.  

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Das alles hat irgendwie auch noch reingepasst.

Am Ende habe ich manche Leute dann um die fünfmal „zum letzten Mal“ verabschiedet. Das Abschiednehmen war für mich emotional sehr anstrengend, weshalb ich dann fast froh war, als es endlich los zum Flughafen ging- fünf Tage nachdem wir die Nachricht erhalten hatten. Außerdem konnte ich mit zwei anderen Freiwilligen (Leo und Kim-Lea) zurückfliegen, mit denen ich mich in Dar Es Salam getroffen habe. Wir waren froh, einander zu haben, weil wir genau wussten, in welcher Situation sich die anderen jetzt befanden.

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Mein letzter Spaziergang durch meine Nachbarschaft.
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Ben und Fatima mit mir auf dem Weg zur Verabschiedung von Fatimas Familie.

Am Flughafen warteten dann unsere Eltern auf uns- sonst war der Flughafen wie leer gefegt und auch alle Geschäfte hatten zu. Die erste Frage an meine Eltern war: „Haben die Geschäfte am Flughafen Corona bedingt zu oder weil Sonntag ist?“. Eine Antwort erübrigte sich fast, als wir durch die menschenleere Stadt nach Hause fuhren. Es war nicht so, dass ich nicht die Nachrichten in Deutschland verfolgt hätte, oder mir niemand was erzählt hätte, aber das ganze Szenario hörte sich schon übertrieben an.

Abgesehen von der Eiseskälte (wir haben unseren Eltern noch vom Amsterdamer Flughafen geschrieben, dass sie uns bitte dicke Winterjacken mitbringen sollen) war auch sonst alles anders als das, was ich in meinem letzten halben Jahr so gesehen und erlebt hatte.

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Trotz Winterjacke bitterlich gefroren. Aber froh, dass alles gut geklappt hat!

Von oben aus dem Flugzeug haben wir schon festgestellt, wie perfekt alle Häuser aneinandergereiht sind und wie quadratisch die Felder abgemessen sind. Alles wirkte ein bisschen langweilig. Und genau davor hatten wir Angst: Dass unser Leben hier jetzt sehr langweilig werden würde.

Mir persönlich ging es bis jetzt noch nicht so- ganz im Gegenteil! Es gibt so viel, worauf ich mich schon vom ersten Tag an in Tansania gefreut habe, wenn ich wieder nach Hause komme. Jetzt weiß ich gar nicht so richtig, womit ich anfangen soll und habe auch immer noch nicht alle meine Sachen zu Ende ausgepackt. Richtig anzukommen wird wahrscheinlich erst möglich, wenn hier nicht mehr so eine Ausnahmesituation herrscht. Wie wahrscheinlich bei allen gibt es momentan Tage, an denen ich mit allem sehr gut klar komme und andere, an denen ich frustriert und genervt bin. Auch, wenn ich froh bin, wieder zu Hause zu sein- vor allem unter den momentanen Umständen- wird die Zeit in Mwanza einen festen Platz in meinem Herzen einnehmen, woran ich gerne zurückdenke. Ich bin mir sicher, dass sich irgendwann nochmal für mich die Gelegenheit ergibt meine Freunde in Mwanza zu besuchen oder sie nach Deutschland einzuladen.

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