Lekker

Vor ungefähr drei Wochen begann für mich die Reise ins Unbekannte. Auf den Vorbereitungsseminaren haben wir oft genug über unsere Einsatzländer gesprochen, doch damals schien es alles noch so weit weg und unerreichbar. Vor allen Dingen konnte ich mich nie ganz auf meine Ausreise freuen, da ich in der einzigen Einsatzstelle war, in der der Führerschein eine notwendige Voraussetzung war und ich meinen zu dem Zeitpunkt immer noch nicht hatte und mich dies sehr stresste. Doch als ich dann am Montag vor meiner Abreise, meine Prüfung endlich bestand und ich meinen Lappen in der Hand hielt, begann die Aufregung. Die Tage vergingen wie im Flug und plötzlich stand ich am Flughafen und verabschiedete mich von meinen Freunden und meiner Familie. Voller Vorfreude betraten Jan-Niclas und ich das Flugzeug und nach insgesamt 15 Stunden kamen wir endlich am Flughafen in Kapstadt an. Die erste Nacht in unserer Wohnung haben wir nur dank Jogginghose, Pullover, Kuschelsocken und zwei Decken überlebt können, da zu unserer Überraschung der Kap Städter Winter kälter als erwartet war. Auf dem Thermometer mag zwar 16 Grad stehen, aber es fühlt sich definitiv nur nach 6 an.
Am Freitag besuchten wir dann unseren Arbeitsplatz in der New World Fondation. Dort wurden wir von unserer Mentorin Kim rumgeführt und allen Mitarbeitern vorgestellt. Nach zwei Namen habe ich mir gar nicht mehr die Mühe gemacht, um mir die Namen zu merken, da wir sie eh noch oft genug sehen werden und ich noch viele Chancen haben werde, mir die Namen zu merken. Dasselbe Prinzip galt auch für die Aftercare. Von den ungefähr 60 Kindern und Jugendlichen kann ich mir, wenn es hochkommt, gerade mal 10 merken. Das liegt aber größtenteils daran, dass es -für mich- sehr ungewöhnliche Namen sind. Allgemein ist hier sehr vieles noch sehr ungewöhnlich. Zum einen bin ich mir noch nicht ganz sicher, ob die Autobahnen wirklich Autobahnen sind oder Fußgängerzonen. Linksverkehr macht mir definitiv noch zu schaffen, vor allem da sich meine Fahrerfahrung nur auf meine Fahrstunden und die halbe Strecke zum Flughafen begrenzt, bei der mein Vater mich dann nach dem 3. Mal absaufen hintereinander von meinem Leid erlöste. Oder, dass man an Tankstellen nicht aussteigt, sondern es Arbeiter gibt die z.B. für einen tanken.
Leider muss ich mich aber auch an den Klang von Schüssen gewöhnen, den wir an unserem ersten auch wahrnehmen mussten bzw. an Aussagen wie: „Mein Wochenende war gut, es gab keine Schießereien“. Sowas gehört hier zum Alltag. Gleichzeitig erschreckend und beruhigend finde ich aber die Routine der Communitymitglieder bei dem Umgang mit Schießereien, dass sie wissen, wie sie sich bei Schüssen zu verhalten haben: Ein Gebäude suchen und Türen und Fenster schließen. Im August sind die Gangs hier in Lavender Hill laut unserer Mentorin oft aggressiver, aber es gibt immer wieder längere Phasen des Friedens (so wie seit circa einer Woche).
Mit den Kindern in der Aftercare zu arbeiten ist auf der einen Seite sehr schön, aber auch sehr nervenaufreibend, anstrengend und ermündend, weswegen Aussagen wie „scheiße es ist schon halb 10“ des Öfteren in unserer WG zu hören waren. Montags „Reading“, dienstags „Arts & Crafts“, mittwochs „Educational Games“, donnerstags „Junior Clubs“ und freitags „Senior Clubs“. Dieser strikte Wochenplan der New World Fondation erleichtert es einem sehr eine gewisse Routine in den noch sehr frischen Alltag zu bringen.
Nachdem meine Mitbewohnerin Leonie, nach mehreren Fahrstunden mit unserem Chef, da sie die meiste Fahrerfahrung von uns hat (Leonie: 6 Monate, Jan-Niclas fast 3 Monate und ich fast 3 Wochen), endlich das grüne Licht bekam, haben wir mittels Google Maps versucht, einen Shoppingtrip auf der von uns gegenüberliegenden Seite Kapstadts zu machen. Aus der von Google Maps berechneten Route von 30min sind aufgrund meiner links-rechts Schwäche und Leonies Schwerhörigkeit 2 Stunden geworden.
Außerdem haben wir dank Jan-Niclas´ navigatorischen Fähigkeiten einen kleinen Abstecher in ein Industriegebiet und ein Parkhaus machen müssen, bevor wir die Waterfront endlich erreichten.
Ich freue mich schon darauf, noch viele solcher Abenteuer mit meinen Mitbewohnern erleben zu können und bin gespannt auf das kommende Jahr.
 
Eck se julle later
Jacky

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