Made in China (22.11.2019)

Ob Schuh, T-Shirt oder Jacke, ein jeder hat wohl im Kleiderschrank mindestens ein Produkt, welches im fernen Osten produziert wurde und dessen Label „Made in China“ von einer ewigen Reise von Produktion bis zum Verbraucher zeugt.

Was aber bedeutet „Made in China“ eigentlich für die Chinesen selbst und was für eine Zukunft hat es als Herkunftsland von Billigprodukten?

„Made in China“ ist wohl eines der am weitesten verbreiteten Label, nicht zuletzt auch deshalb, weil China an der Spitze der weltweiten Exporteure steht. „Made in China“ – das bedeutet, dass das Produkt zumindest im letzten Schritt der Fertigstellung auf dem chinesischen Festland gefertigt wurde. Auch deshalb hat Taiwan, trotz Beanspruchung durch China eine eigene Kennzeichnung.

Denke ich an „Made in China“, so kommen mir Bilder von dunklen Fabrikhallen in den Kopf, in denen minderbezahlte Arbeiter eng an eng unter menschenunwürdigen Bedingungen an Nähmaschinen sitzen und T-Shirts westlicher Marken zusammennähen, oder andere, die Smartphones zusammenschrauben. So geht es, glaube ich, nicht nur mir. Traurig genug, dass das an vielen Orten der Realität entspricht. Dokumentationen der Öffentlich-Rechtlichen, wie „Der Preis der Blue-Jeans“ führen es uns das eine ums andere Mal vor Augen, was unser Konsum in Europa für direkte Einflüsse auf die Menschen in China und Südostasien hat. Anders als in Deutschland setzt man hier nach wie vor primär auf Handarbeit, da jene oftmals günstiger ist als vollautomatisierte Maschinen – auch Sicherheitsvorkehrungen sind nur sehr begrenzt gegeben. Zusammenfassend spart man also beim Kauf oft nicht an der Qualität, sondern vor allem – und das ist bitter – auf Kosten der Gesundheit vieler Menschen. Auch deshalb denke ich, sollte ein jeder zweimal nachdenken, bevor er ein T-Shirt kauft, um es dann wohlmöglich nur wenige Male zu tragen. So, das reicht mit „Moralaposteln“.

Seit einigen Jahren verlegen immer mehr Firmen ihre Produktionsstandorte in andere asiatische Staaten wie Vietnam oder Thailand. Aber warum? Grund dafür ist unter anderem der immer weiter ansteigende chinesische Mindestlohn und immer strengere Kontrollen gegen Schwarzarbeit von Seiten des Staates. China möchte sich weiterentwickeln, raus aus der Rolle des Schwellenlandes.

Einen ersten großen Schritt dahin leitet Peking bereits im Mai 2015 ein. Mit „Made in China 2025“ erstellt man einen 10-Jahres-Plan. Zu den kurzfristigen Zielen gehören dabei umfassende Verbesserungen der Produkt- und Arbeitsqualität. In einem zweiten Schritt bis 2035 möchte man sich mit Durchbrüchen in der Wissenschaft im Mittelfeld der Industriemächte positionieren, um dann schließlich 2049, zum 100-jährigen Jubiläum der Volksrepublik an der Weltspitze der Industrienationen zu stehen. Das CSIS („Center for Strategic and International Studies”) leitet diesen Plan von der deutschen „Industrie 4.0“ ab, einer um 2011 gestarteten Initiative für eine allgemeine Verbesserung und Modernisierung der Deutschen Industrie. Diese Pläne wirken beim Lesen zunächst wie populistische Propaganda, aber tatsächlich startet Peking damit, riesige Investitionen in zukünftige Technik zu stecken, wie z.B. in den Bereich der Künstlichen Intelligenz. Während sich Deutschland in diesem Feld mit Investitionen von drei Milliarden Euro bis 2025 rühmt, kündigt China Investitionen in Höhe von insgesamt 150 Milliarden Dollar bis 2030 an. So viel investiert sonst kein anderer Staat. Schon jetzt ist China auf bestem Wege, den Wettbewerb auf diesem Feld zu gewinnen. Außerdem möchte man in die Schlüsselindustrien investieren. Hierzu zählen neben Schiffbau und Raumfahrttechnik auch Bereiche wie Biomedizin sowie große Investitionen in die Pharmaindustrie.

Basis für all diese Pläne sind neun strategische Aufgaben, denen sich der Staat stellt: Unter anderem möchte man weg von Massenproduktion, mehr eigene Innovationen und ein Qualitätsbewusstsein für „Made in China“ schaffen, oder auch die umweltfreundliche Produktion fördern. Kurzgesagt, man will die gesamt chinesische Industrie neu aufrollen!

Was lässt sich also festhalten? China möchte weg aus der Rolle der Billigproduktion, hin zu einer zukunftsträchtigen und innovativen Weltmacht. Aber nicht zu irgendeiner Weltmacht. Man möchte „überlegen“ sein, wenn möglich in jedem Bereich. Deutschland dient China dabei gerne – speziell im innovativen Bereich – als Vorbild. Ich kann nur jedem empfehlen, sich einmal mit diesem kontroversen Thema auseinanderzusetzen.

In WenXian kommt von solchen Investitionen in die Zukunft nur ein sehr begrenzter Teil an. Ein Großteil der chinesischen Industriezonen liegt an der fortschrittlichen und reicheren Ostküste des Landes. Die Gründe dafür sind zahlreich: Nicht nur bietet die Nähe zur Küste durch ihre weit entwickelte Infrastruktur für den Transport große Vorteile, sondern auch der hiesige Fachkräftemangel und das natürliche Umfeld von Wüste und Gebirge im Nordwesten des Landes lässt hier kaum Raum für große Industrie. Aber zumindest an der Infrastruktur arbeitet man auch hier schon: Neben großen Schnellstraßen, die durch das riesige Gebirge und endlos erscheinende Tunnel gebaut werden, versucht man durch immense Investitionen – wie ich meine – eine gute Basis für zukünftige Fachkräfte zu schaffen.

Natürlich kann ich nur begrenzt über das Thema berichten. Auch deshalb habe ich mir die Meinung einer jungen Kollegin hinzugezogen und sie mit einigen Fragen und Aussagen konfrontiert (frei übersetzt):

Auf die Frage, was sie mit „Made in China“ verbinde, meint sie knapp, dass sie zunächst einen gewissen Stolz empfinde, da es ein eigenes Produkt sei, und aus dem eigenen Land stamme. Allerdings verbände sie mit China auch eher eine schlechte Produktqualität. Zudem könne man Ihrer Meinung nach „Made in China“ im Ausland nicht mit dem gleichen Label in China selbst vergleichen. So bekäme ein chinesischer Kunde nicht die gleiche Qualität, wie ein „Westler“, da die beste Ware nicht im Land bliebe, sondern exportiert werde.

Mit „Made in Germany“ verbinde sie hingegen hohe Qualität. Allgemein seien importierte Produkte hoch angesehen, da sie mehr Qualität versprächen als die chinesischen. Speziell deutsche Autos und das Deutsche Bier werden als Beispiele genannt. Zwar ist ihr bewusst, dass die deutschen Automarken in China produzieren lassen, allerdings versprächen ausländische Marken, die mit dem chinesischen Markt kooperieren für sie grundsätzlich höhere Qualitätsstandards. Dafür bezahle man dann auch gerne mehr, nicht zuletzt um nach außen hin zu zeigen, dass man sich importierte Güter leisten kann.

Wohl auch deswegen sei in China gefälschte Ware so weit verbreitet: Von Klamotten bis hin zu Autos versuche man zu zeigen, was man hat, was mit ausländischen Marken nun mal am besten ginge.

Zuletzt frage ich sie dann, ob sie schon von „Made in China 2025“ gehört habe. Dies ist nicht der Fall, wohl aber auch weil sie laut eigener Aussage nicht wirklich an Politik interessiert sei – womit sie hier leider bei weitem nicht die Einzige ist. Nach kurzer Recherche im Internet, scheint sie dann aber doch eine Meinung zu dem Thema zu haben. Das gesamte Projekt sei gut für Regierung und Bevölkerung, da es Chinas Wachstum symbolisiere. China würde von den Chinesen selbst abwertend als „Fabrik der Welt“ bezeichnet. Durch bessere Bezahlung und Qualität könne man diese Bezeichnung endlich loswerden und „Made in China“ zu einer Marke machen, auf die man im Inland, sowie auch im Ausland stolz sein kann. Damit beenden wir unserer Unterhaltung.

Was lässt sich also zur Zukunft Chinas sagen? Speziell der „Stolz“ spielt meiner Ansicht nach – wie in allen Situationen des chinesischen Lebens – auch hier eine unwahrscheinlich große Rolle. Man möchte nach außen hin stark und auf keinen Fall unterlegen wirken. Das gilt für die Familie, das gilt für den Staat, das gilt für eine Klasse, das gilt eigentlich überall. Aber warum auch nicht?

Ich denke mir, Deutschland könnte sich speziell von den chinesischen Investitionen im Bereich der Bildung oder allgemein Investitionen in die Zukunft noch so einiges abschauen. Und mal sehen: Vielleicht kaufen wir dann bald schon chinesische Autos und schauen uns etwas bei der chinesischen Technologie ab. Die Zukunft wird zeigen, ob „Made in China 2025“ wie so häufig doch nur heiße Luft ist oder China wirklich den Schritt an die Weltspitze schafft!

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