Neujahr im Februar? (25.10.2019)

Gemeinsam mit der Familie auf einen Berg steigen, langen schön geschmückten Schiffen beim Fahren zuschauen oder den Vollmond bestaunen? All das hört sich beim ersten Lesen wie ein netter Trip für ein Wochenende an. Aber nein. Es handelt sich um alte chinesische Bräuche anlässlich verschiedener Feiertage.

China scheint eine gar unendliche Anzahl davon zu haben. Viele von ihnen sind einzigartig und es lässt sich – anders als bei uns – oft kein Leitfaden erkennen, wie eine religiös-christliche Herkunft. „Kein Weihnachten“ – das wirkt für mich beim ersten Denken unmöglich. Weihnachten ist schließlich heute so viel mehr als nur ein Feiertag für religiöse Christen. Neben Kirchgang und Krippe erinnert doch oftmals nicht mehr wirklich viel an die Herkunft dieses Feiertages. Vielen geht es inzwischen mehr um ein schönes Zusammenkommen mit der Familie und Geschenke für die Kinder. Wohl auch wegen dieser Entfremdung wird in den Großstädten Chinas auch der alte Mann in rotem Mantel immer weiter salonfähig, auch wenn der Staat durch Verbote diese Entwicklung zu unterbinden versucht.

In WenXian ist diese Entwicklung allerdings noch nicht angekommen. Nicht verwunderlich, dass meine Schüler fasziniert sind vom Weihnachtsmann und Osterhasen, als ich nun anlässlich von Halloween und Reformationstag eine Stunde über deutsche und chinesische Feiertage halte. Heute möchte ich über chinesische Feiertage reden und meine ersten Erfahrungen mit diesen Feiertagen beschreiben.

Das chinesische Jahr beginnt mit dem gleichzeitig wichtigsten chinesischen Fest, dem „Chinese New Year“. Traditionell liegt dieses im Januar oder Februar und liegt in den längsten chinesischen Schulferien, welche ca. 1,5 Monate lang sind. Gefeiert wird das Neujahr mit viel Feuerwerk und einem großen Festessen, bei welchem „Dumplings“, eine Art Nudeln mit verschiedenen Füllungen gegessen werden. Ähnlich wie bei uns an Weihnachten kommt dabei die gesamte Familie zusammen und verbringt gemeinsam die Feiertage. Allerdings bekommen die Kinder anders als in Deutschland keine Geschenke, sondern nur sogenanntes „Lucky Money“ von Eltern und Großeltern, in rote Umschläge verpacktes Bargeld. Mitte Februar – also meist auch noch in den Schulferien – findet dann das Laternen-Festival statt. Während dieses Feiertages sind die Straßen und Häuser mit roten Laternen geschmückt. Die Familien treffen sich, um gemeinsam zu essen und dabei zuvor ausgedachte Rätsel zu lösen. Traditionell werden dabei spezielle „Reis-Dumplings“ gegessen, deren Form an den Vollmond erinnern sollen.

Anfang April folgt dann das „Quingmin-Festival“. Dieses Fest ist Anlass für Familien, die Gräber ihrer Ahnen zu besuchen, um diese zu ehren. Oftmals picknicken die Familien daraufhin gemeinsam, um die Szenerie des Frühlings zu genießen.

Das nächste große Fest ist dann das „Drachenboot-Festival“. Das Fest hat eine Geschichte von über 2000 Jahren und ist bekannt für seine Drachenbootrennen. Dabei treten Mannschaften mit jeweils 30 bis 60 Ruderern in 20-35m langen, mit Drachen verzierten Booten an. Über China verteilt gibt es dutzende Austragungsorte, wie z.B. auch in der Millionenstadt Hongkong. Gemeinsam betrachten dann die Familien das Spektakel. Oftmals reisen sie hunderte von Kilometern an, um ein solches Ereignis bestaunen zu können.

Mitte August folgt dann der „Double Seventh Day“. Der Name stammt vom speziellen Datum des Feiertages. So liegt dieser jährlich auf dem siebten Tag des siebten Monats nach dem chinesischen Mondkalender, nach welchem sich überhaupt die meisten chinesischen Feiertage richten. Das Fest wird auch als chinesischer Valentinstag bezeichnet. Ähnlich wie bei unserem werden dabei kleine Präsente wie Rosen oder Süßigkeiten an die Geliebte verschenkt. Zudem wird stets die Legende von „Niulang und Zhinü“ erzählt, einem verzweifelten Liebespaar, welches durch einen großen Fluss aus Sternen (Milchstraße) getrennt ist. Nur einmal im Jahr können sich die geliebten stets am Siebten des siebten Monats für einen Tag sehen. Eben jene Legende durfte ich am dritten Tag nach meiner Ankunft in China live erleben. So besuchte ich mit anderen Freiwilligen die Altstadt der Millionenstadt Nanjing und wurde unerwartet zum Zeugen von allerlei Theateraufführungen. In wunderschönen, chinesischen Gewändern begeistern Schauspieler die Massen mit ihrem Gesang – meiner Meinung nach: etwas gewöhnungsbedürftig

Im darauffolgenden Monat September steht dann das Chinesische „Mid Autum Festival“ an, welches auch als „Moon Festival“ bezeichnet wird. Auch bei diesem Fest trifft sich die Familie zum gemeinsamen Abendessen. Dabei wird der Mond betrachtet und durch verschiedene Geschenke, wie z.B. Laternen gepriesen. Traditionell isst man anlässlich des Festes „Moon Cakes“, eine Art Keks mit verschiedenen Füllungen und meist hübschen Mustern auf der Oberseite. Anlässlich des Feiertages wurde ich gemeinsam mit dem zweiten Freiwilligen Jona von der Schuldirektion in ein Restaurant zu allerlei chinesischen Spezialitäten, wie Hühnerfuß und Kuhmagen eingeladen. Sagen wir es so: Der Reis hat mir an diesem Abend sehr gut geschmeckt. Den Vollmond konnten wir aber leider nicht bestaunen, da der Tag in WenXian wortwörtlich „ins Wasser“ fiel.

Das letzte große nationale Fest ist dann das „Double Ninth-Fest“. Dieses hat ebenso wie der „Double Seventh Day“ seinen Namen aufgrund seines Datums im chinesischen Mondkalender, in diesem Fall den Neunten des neunten Monats. Das Fest soll speziell die älteren Mitbürger ehren. Viele Familien besteigen anlässlich des Festes einen hohen Berg, um dann – oben angekommen – gemeinsam zu essen. Typischerweise werden dabei „Chongyan Cakes“ gegessen, spezielle aus neun Schichten bestehende Kuchen. Zudem trinkt man Chrysanthemen-Wein. Leider bin ich während des Feiertages auf einem Seminar und kann nicht an den Feierlichkeiten in meiner Heimatstadt teilnehmen, allerdings bekomme ich sicher viele Bilder von meinen Schülern und kann so zumindest einen kleinen Eindruck erhalten.

Insgesamt lässt sich über die chinesischen Feiertage sagen, dass sie alle auf Mythen und Legenden beruhen, die oftmals weit über tausend Jahre alt sind und somit eine sehr lange Tradition haben. Viele Feste finden allerdings – untypisch für Chinesen – im privaten Kreis der Familie statt und nicht in der Öffentlichkeit – so zumindest mein Eindruck. Ich bin gespannt, was für lokale Feste und Bräuche ich in nächster Zeit noch kennenlernen darf. Meiner Meinung mal eine nette Abwechslung zu Weihnachtsbaum, Plätzchen und Adventskranz – auch wenn mir natürlich gerade an Weihnachten der Bezug zu meiner Familie und meinen Freunden fehlen wird.

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