Besuch bei der Pastor*innenkonferenz in Estland: „Sind wir bereit für den Frieden?“

Universität Tartu, Estland, Ort der Konferenz, und Jaanikirche

Vom 24. bis 25. Januar 2023 fand in Tartu die jährliche Pastor*innenkonferenz der Estnischen Ev.-Luth. Kirche statt. Dazu lud die Estnische Kirche auch aus jeder Partnerkirche zwei Delegierte ein. Eva Katharina Ente, Gemeindepastorin in Fockbek, die selbst ein Jahr in Tartu studiert hat, und ich nahmen für die Nordkirche daran teil.

Christa Hunzinger und Eva Ente in Tallinn

Das Hauptthema der Konferenz war Gesundheit, was aus biblischer, seelsorgerlicher und psychologischer Sicht beleuchtet wurde. Doch gab es ein weiteres wichtiges Thema, das uns besonders bewegt hat: Erzbischof Urmas Viilma hielt am zweiten Morgen einen Vortrag zur Lage der Estnischen Kirche. Dabei ging es intensiv um Krieg und Frieden. Er traf vor zwei Monaten den Verteidigungsminister. Dieser bereitet sein Land intensiv auf den Fall vor, dass der Krieg auch nach Estland kommt. Alle Männer unter 60 müssen bereit sein zur Mobilisation, das gilt auch für die Pastoren, auch wenn diese nicht die ersten in der Reihe sind. Nur der Dienst an der Waffe kann abgelehnt werden. Auch der Erzbischof, der in diesem Jahr 50 wird, ist bereit zum Dienst. Er betonte, welch wichtige Rolle im Kriegsfall die Pastorinnen hätten sowie die Pastoren über 60.

Erzbischof Urmas Viilma betonte: „Wir müssen nicht für den Krieg bereit sein, sondern für den Frieden. Wir sind als Soldaten Christi zum Frieden eingeladen.“ Er fragt: „Wie können wir Frieden bei unterschiedlichen weltpolitischen Szenarien machen,

  1. wenn in der Ukraine Krieg herrscht?
  2. wenn einige Kollegen schon eingezogen sind?
  3. wenn ganz Estland ein Schlachtfeld ist?
  4. wenn Estland besetzt wird (auch wenn darüber nicht laut gesprochen wird)?“
Plenum der Pastor*innenkonferenz der Estnischen Ev.-Luth. Kirche im Januar 2024.

Ein Mitarbeiter des Innenministeriums hielt auf der Konferenz einen Vortrag zur Frage der Bewältigung von Krisen und der Rolle der Pastor*innen. Er betonte, wie wichtig die Vorbereitung für Krisenzeiten und dabei die enge Zusammenarbeit von Kirchengemeinde und Kommune seien. Schutzräume und Keller sollen ausgebessert werden.

Erzbischof Urmas Viilma sagte in seinem Schlusswort bei der Konferenz: „Wir sprechen emotionslos von einem möglichen Krieg. Die Stimme Christi erklingt nicht durch den Erzbischof, sondern durch alle. Wir alle können Frieden stiften.“

Gebe Gott, dass in Europa bald wieder Frieden herrscht. Aber die Nüchternheit, mit der in Estland über die Möglichkeit eines Krieges nachgedacht wird, ist zugleich beeindruckend und erschreckend.


Christa Hunzinger, Europareferentin