Der Seemannspastor der Nordkirche stellt sich vor

Götz Volkmar Neitzel, Seemannspastor der Nordkirche in Hamburg

Unsichtbare Menschen

Karfreitagmittag, mein Telefon klingelt: „Hier spricht Kapitän X vom Schiff Y. Wir laufen auf den Nordostseekanal zu, können Sie für meine Jungs morgen einen Gottesdienst in Hamburg organisieren?“ Bei den „Jungs“ handelt es sich um Philippinos, also vorwiegend römisch-katholisch. Karsamstag steht der philippinische Priester in Hamburg an der Pier. Gottesdienst auf Tagalog.

Unsichtbar die Menschen, die die Schiffe bewegen, die direkt vor meinem Bürofenster gedreht werden. Immer wieder erlebe ich beeindruckte Menschen, die vor allem Riesencontainerschiffe bewundern. Tagtäglich laufen sie Hamburg an – einen von sechs Häfen, neben Brunsbüttel, Kiel, Lübeck, Rostock und Saßnitz auf Rügen. In elf Einrichtungen auf dem Gebiet der Nordkirche kümmern sich Diakoninnen und Diakone der neun Vereine der Deutschen Seemannsmission seit 137 Jahren mit ihren Teams um die Bedürfnisse der Seemänner und der sehr wenigen Seefrauen.

„No shipping, no shopping!“  kaum einer macht sich klar, welche Risiken und Anstrengungen Menschen, überwiegend von den Philippinen und aus Osteuropa, auf sich nehmen, damit wir so leben können, wie wir es kennen und vor allem: wie sehr wir uns dran gewöhnt haben!

Aufgaben der Seemannsmission

Bordbesuche, Unterkunft, Versorgung mit dem Notwendigsten (wenn die Koffer mit dem Flieger nicht mitgekommen sind), Telefonkarten, Shuttleservices in den Häfen, Geldüberweisungen oder einfach mal nur Auszeiten in den vielen verschiedenen Seemannsclubs. Krankenhaus-, Gefängnisbesuche, Seelsorgearbeit und psychosoziale Notversorgung online oder direkt an Bord. Das alles organisiert die Deutsche Seemannsmission (DSM). Deutschlandweit geschieht das an insgesamt 13 Orten, weltweit sind wir in 26 Stationen auf allen Kontinenten aktiv.

Duckdalben im Hamburger Hafen

Unmittelbar scheint im Strahlen der Gesichter der Seeleute der Erfolg unserer Arbeit wieder. So z. B., wenn wir während der Pandemie erreichten, dass das illegale Landgangverbot aufgehoben wurde. Dennoch gibt es immer noch Reedereien, die ihre Leute nicht an Land lassen. Ein notwendiges Recht für Seefahrer, die teilweise Neun-Monatsverträge haben!  „Ihr seid das Licht in meinem Kontrakt!“ schrieb ein Seemann in das Gästebuch des Seemannsclubs Duckdalben in Hamburg.

Verbindungen aufrecht erhalten und unterstützen

Der Seemannspastor der Nordkirche macht das, was die beiden inzwischen lastlosen alten Kräne vor meinem Büro in der Seemannsmission Altona an der Großen Elbstraße 132 viele Jahrzehnte getan haben: Verbindungen aufrecht erhalten – von der Nordkirche zu den Stationen, die Diakoninnen und Diakone in Ihrer Arbeit unterstützen, begleiten,  fortbilden und wenn gewünscht, beraten. Weiter informieren wir Kirchengemeinden über unsere Arbeit und versuchen, sie für unsere Arbeit gewinnen.

Außerdem versuche ich, den Kontakt zu den Interessengruppen der maritimen Wirtschaft und zur Presse zu vertiefen und aufzubauen. Eng arbeiten wir in Hamburg mit Stella Maris, der römischen Seemannsmission zusammen. Sie ist wie wir Mitglied der International Christian Maritime Association (ICMA), dem internationalen Zusammenschluss christlicher Seemannskirchen und -missionen, denen auch die Anglikaner, nordische Kirchen, reformierte und freichristliche Kirchen weltweit angehören. Diesem ökumenischen Kontext fühlt sich die Deutsche Seemannsmission zugehörig.

Seeleuten ein Zuhause bieten

Der Krieg in der Ukraine fordert die Deutsche Seemannsmission heraus: Die fast immer gemischten Crews aus Russen und Ukrainern sind schon immer Stammgäste unserer Einrichtungen gewesen. Einige deutsche Reeder haben ukrainische Angehörige von Seeleuten nach Deutschland kommen lassen, damit die Ehemänner mit ihren Familien verbunden bleiben. Vermeintlich „raue“ Seefahrer müssen tolerant sein, sonst überstehen sie ihren harten Beruf nicht. Kaum Schlaf, lange Wachen, öde Routine, engste Lebensverhältnisse und kaum Abwechslung. Eben mal nach Hause zu fahren ist nicht möglich, die Crew ist keine Neigungsgruppe, mit der ich unterwegs bin.

Aufenthaltsraum im Duckdalben, Hamburger Hafen

Tod, Geburt in der Familie erlebe ich als Seemann nicht vor Ort mit, aber vielleicht anders auf See. Tod an Bord, manchmal durch Suizid, Bedrängung durch Piraten (ja, die gibt’s immer noch!), wenn es schlecht läuft Mobbing – die Stationen der DSM bieten hier kleine Fluchten.

Als Seemannspastor versuche ich, mit anderen Netzwerken zu unterstützen und mit Kolleginnen und Kollegen vor Ort neue Ideen und Möglichkeiten zu entwickeln. So spielt sich die Arbeit auf ganz unterschiedlichen Ebenen ab. Mit unseren sehr unterschiedlichen Vereinen im Bereich der Nordkirche und den täglichen internationalen Kontakten gibt es sicher Gemeinsamkeiten und neue Arbeitsfelder zwischen dem Ökumenewerk und dem Seemannspfarramt zu entdecken.