Ein Wort der Anteilnahme von muslimischer Seite

Gottesdienst in St. Aegidien zu Lübeck, am drittletzten Sonntag im Kirchenjahr, 8.11.2020

Danke an Pastor Lorberg-Fehring für die Einladung und Danke an die St. Aegidien-Gemeinde für die Möglichkeit, dass ich heute ein Wort der Anteilnahme an die Gottesdienstbesucher richten darf. Mein Name ist Kadir Özdemir. Ich bin ehrenamtlich im Verein „Forum Dialog Hamburg e.V.“ tätig. Unser Verein setzt sich für interreligiösen und interkulturellen Austausch ein. Unser Ziel ist es, das gemeinsame Zusammenleben positiv zu fördern. Wir sind neben Hamburg in weiteren Bundesländern aktiv. Das interreligiöse Projekt „House Of One“ der drei abrahamitischen Religionen in Berlin geht u.a. auf die Initiative unseres Vereins zurück.

Leider ist der Anlass, zu dem ich heute sprechen möchte, ein schlechter. Wir hätten längst schon im regelmäßigen Austausch sein sollen. Aber: Es nie zu spät. Gerade heute, in einer Zeit der Verrohung, der zunehmenden Gewalt und des Terrors von allen Seiten, ist es wichtig, dass wir zusammenhalten: Gläubige Menschen. Christen, Muslime und Juden, deren Glaube den gemeinsamen Ursprung in Abraham hat.
Ich weiß natürlich, dass das nicht einfach ist. Unsere vielen Gemeinsamkeiten werden überschattet durch Unterschiede, die in den Medien sehr stark hervorgehoben werden und die sich dadurch akkumulieren. Dadurch entsteht eine gefühlte Distanz und leider auch Entfremdung. Aber Distanz entsteht auch durch Ereignisse der letzten Tage. „Die größte Beleidigung des Propheten ist die Ermordung von Unschuldigen“, sagt Fethullah Gülen, Vordenker der muslimischen Hizmet – Bewegung zu den extremistischen Morden in Nizza Paris Wien.

Allen Angehörigen der Verstorbenen möchten wir unser tiefstes Beileid aussprechen. Wir teilen mit allen, die sich zur Familie der Menschheit zählen, unsere Trauer. Ich möchte weiter aus der aktuellen Botschaft von Gülen zitieren: „Das Leben unseres ehrwürdigen Propheten selbst ist geprägt von Sanftmut, Vergebung und Barmherzigkeit. Er begegnete Anfeindungen stets mit Großmut und Toleranz und ließ keinen Platz für Feindseligkeiten in seinem Leben. Deswegen sind Gewalttaten und Brutalitäten, wie wir sie in den letzten Wochen in Frankreich erlebt haben, unmöglich und in keiner Weise mit dem Islam zu vereinbaren. Solche Gräueltaten, die im Namen des Propheten begangen werden, sind deutlicher Ausdruck davon, dass die Täter keinerlei Verständnis der Botschaft des Propheten haben, die mit ihrer Barmherzigkeit und Güte die gesamte Menschheit umfasst. Im Gegenteil: Solch eine Tat ist eine ungeheuerliche Respektlosigkeit gegenüber dem spirituellen Erbe des Propheten.“ Die Anschläge erinnern uns nochmals daran, wie wichtig es ist, allen Menschen mit Liebe und Respekt zu begegnen, uns trotz aller Unterschiede wechselseitig zu umarmen und uns um gemeinsame Werte zu versammeln. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen einen gesegneten Sonntag und uns allen Frieden.