Gedanken zur Zeit: Endlich ist es vorbei? Nein, ist es nicht!

Deutschland atmet auf – im Gebiet der Nordkirche liegen die Sieben-Tages-Inzidenzen flächendeckend unter zehn. Überall wird laut über Lockerungen nachgedacht, auch in unseren Häusern in Hamburg und Breklum. Dennoch gibt es auch mahnende Stimmen, die jetzt für eine vierte Welle im Herbst vorsorgen wollen, und die Weltgesundheitsorganisation WHO verzeichnet für Deutschland leicht steigende Zahlen.

Foto: Deen Alexey, pixabay

In unseren Partnerkirchen ist die Situation spürbar dramatischer – in einigen Regionen ist man weit entfernt von einer gefühlten Entspannung der Lage. Beispielsweise sind in Brasilien als zweitem Land nach den USA mehr als 500.000 Menschen an Covid 19 gestorben und die Lage verschärft sich weiterhin, denn die Impfungen gehen nur schleppend voran. Zehntausende Brasilianer protestieren gegen Staatschef Bolsonaro, der die Pandemie weiter verharmlost und fordern seine Absetzung „Fora Bolsonaro“.

In einem Pastoralbrief der Präsidentschaft der Lutherischen Kirche Brasiliens IECLB zum Bibelwort des Monats „Wir sollen Gott gehorchen und nicht den Menschen“ (Apostelgeschichte 5,29) versucht die Kirchenpräsidentin, Sílvia Genz, den Menschen in diesen schwierigen Zeiten Mut zuzusprechen.

Zitat aus dem Brief:

„Wir leben in sehr schwierigen Zeiten. Neben all dem Leid und dem Tod, die durch die Pandemie verursacht wurden, müssen wir immer noch mit Spaltungen, Lügen, Hassreden und mangelndem Respekt vor der Menschenwürde leben. Viele Menschen glauben mehr an Fake News als an das Wort Gottes. Es braucht eine Menge Glauben, um vorwärts zu gehen und Gottes Liebe zu bezeugen. Zum Glück haben wir jemanden, dem wir vertrauen können!“

Kirchenpräsidentin Silvia Genz

Auch in Argentinien steigt die Zahl der Infizierten und bald wird die Schwelle von 100.000 Corona-Toten erreicht werden. Auch hier nehmen die Proteste zu. In Buenos Aires gingen Zehntausende auf die Straße. Sie forderten finanzielle Nothilfe und die Bereitstellung von Nahrungsmitteln. Die Armut und Hunger nehmen zu – lebte vor der Pandemie bereits jeder dritte der 45 Millionen Argentinier*innen unter der Armutsgrenze, ist es inzwischen jede*r zweite. Leidtragende sind oft die Kinder, die für das Überleben der Familie arbeiten müssen statt in die Schule zu gehen.

Unsere Partner*innen auf dem afrikanischen Kontinent können ebenfalls nicht aufatmen: In unseren Partnerregionen steigen die Infektionszahlen, und Tansania beginnt jetzt mit den Vorbereitungen auf eine neue Infektionswelle. Mit dem Wechsel der Präsidentschaft ist eine 180 Grad-Wendung im Umgang mit der Pandemie erfolgt. Das Land hat sich um Impfstoffe beworben, wirbt für das Tragen von Masken und rät von großen Versammlungen ab. In der Demokratischen Republik Kongo stehen unsere Partner*innen vor der schwierigen Situation, mehrere Krisen bewältigen zu müssen: Neben der Corona-Lage ist auch die Lage in den durch den Ausbruch des Vulkans Nyiragongo zerstörten Gebieten noch unsicher. Viele Menschen waren im Land auf der Flucht und wir sind froh, dass wir die betroffene Diözese der Partnerkirche mit Hilfsmitteln der Nordkirche unterstützen konnten. Glücklicherweise zeichnet sich aber ab, dass ersten Flüchtlinge in ihre Heimat zurückkehren können.

So oder so, wir müssen weiter mit dem Corona-Virus und seinen Varianten rechnen, und daher schließe ich mich der brasilianischen Kirchenpräsidentin an: „Zum Glück haben wir jemanden, dem wir vertrauen können“ – und in der Gewissheit, dass wir niemals tiefer fallen können, als in Gottes Hand, bleiben wir weltweit in Fürbitte und Gebet mit unseren Partner*innen verbunden.

Pastor Jörn Möller, Leiter Bereich Ökumenische Beziehungen