Gedanken zur Zeit im April 2023: Komm heraus

Ostern steht vor der Tür, während ich diese Zeilen schreibe. Dabei frage ich mich: wo stehe ich eigentlich, während ich die Botschaft vom auferstandenen Jesus höre? Wo stehen wir in diesen Tagen, wenn wir Ostern feiern und rufen: „Er ist auferstanden, er ist wahrhaft auferstanden!“ Immer noch vor der Tür oder schon mitten im neuen Leben?

Wir hören die Botschaft wohl. Aber wir sind doch immer noch gefangen in einer Welt, in der alles beim Alten zu sein scheint. In der der Krieg in unsere europäischen Vorgärten eingebrochen ist. In der das Recht des Stärkeren die Stärke des Rechts brechen will. Täglich sterben Menschen in medialer Sichtweite in der Ukraine oder auch im Jemen. Jeden Tag drängen die Bilder von Zerstörung, Leiden und Tod in unsere Köpfe und Herzen. Es sei denn, wir machen zu, verdrängen, verschließen die Augen, weil wir es nicht ständig aushalten. Das Osterfest wird daran augenscheinlich wenig ändern.

Und immer noch müssen wir Kreuzwege für die Rechte der Geflüchteten begehen, um auf die dramatischen Umstände hinzuweisen, unter denen Menschen auf der Flucht sich ein neues Leben in Sicherheit und Würde unter uns erkämpfen müssen.  Auf dem Mittelmeer wird weiter gestorben, weil Türen für legale Migration verschlossen und Häfen zu bleiben. Weil Herzen kalt und Hände abweisend bleiben. Weil Politiker*innen die Grenzen schließen und Mauern hochziehen wollen. Die EU wird weiter zur Festung ausgebaut. Diese Politik tötet.

Und vielleicht fühlen wir uns auch zunehmend gefangen in einer resignativen Stimmung angesichts der Klimakrise, die auf uns zurollt. Der letzte IPCC-Bericht lässt Zweifel aufkommen, dass das 1,5-Grad-Ziel noch zu schaffen ist. Die Weltgemeinschaft ringt sich nur quälend langsam dazu durch, die nötigen Maßnahmen effektiv umzusetzen. Viele haben den Eindruck, dass wir auf der Stelle treten, wo wir eigentlich sprinten müssten. Leiden müssen zuerst und vor allem die, die am wenigsten zur Erderwärmung beigetragen haben, also auch viele unserer weltweiten Partner*innen.

Ich kann verstehen, dass viele Menschen die Flut an schlechten Nachrichten und Bildern nicht aushalten und selbst zumachen, ihre Herzen und Sinne verschließen und sich in die Mauern ihres kleinen, aber engen privaten Lebens zurückziehen. Oder auch resignieren und verzweifeln. So wie die Schwestern und die Freunde des Lazarus, von dem das Johannesevangelium erzählt (Joh 11). Sie waren verzweifelt. Vier Tage schon lag Lazarus tot im Grab. Jede Hoffnung war gestorben. Doch wo alle Hoffnung erloschen ist, entzündet Jesus das Lebenslicht neu. Er lässt den Stein vor dem Grab zur Seite rollen und ruft: „Lazarus, komm heraus!“

Ostern ist für mich gleichbedeutend mit diesem Ruf Jesu: Komm heraus! Komm heraus aus dem Gefängnis deiner Resignation. Komm heraus aus der Enge Deines erkalteten Herzens und wärme dich an meinem Lebensfeuer. Komm heraus aus deiner Passivität und nimm das Leben in die Hände. Komm heraus aus dem Labyrinth von Ausflüchten. Lass die Grabeshöhle deiner dunklen Gedanken hinter dir. Komm heraus. Steh auf, nimm das Leben in die Hand und geh weiter – mutig, zuversichtlich und hoffnungsfroh. Und wenn´s sein muss, auch auf die Straße. Ostern ist für mich dieser Ruf zur Hoffnung entgegen allem Augenschein. Manchmal brauche ich ihn, diesen Ruf von außen. Damit auch ich weiter gehen kann.


Jörg Ostermann-Ohno, Referent für Indien und Papua-Neuguinea / Pazifik