Gedanken zur Zeit im September 2022: Pilgern in Norwegen


Es war eine Überraschung, aber plötzlich wurde ich in diesem Jahr im Urlaub zum Pilger – oder wandelte zumindest auf den Spuren unzähliger Pilger. Es geschah in Trondheim in Norwegen. Dort steht der Nidarosdom, benannt nach einem alten Namen von Trondheim. Im norwegischen Sprachgebrauch gilt er als Nationalheiligtum von Norwegen mit dem Beinamen „Herz von Norwegen“ und war fast 100 Jahre lang die Krönungsstätte der norwegischen Könige.

Der Nidarosdom in Trondheim, Norwegen

Beim Wort Pilgern fällt spätestens seit Hape Kerkeling den meisten Menschen als erstes der Jakobsweg im Norden Spaniens ein mit dem Ziel Santiago de Compostela. Gepilgert wurde und wird aber auch in Nordeuropa und zwar konkret nach Trondheim. Es ist eine faszinierende Geschichte und die Tatsache, wie wenig bekannt es in unseren Breiten ist, zeigt, wie fern uns oft die Geschichte von Christentum und Kirche auch in fast-Nachbarländern ist.

Die Geschichte beginnt vor gut 1000 Jahren mit Olav II. Haraldsson. Geboren vermutlich 995 war Olav zunächst Wikinger, anfänglich in der Ostsee, dann auch in der Nordsee mit allem was an Feldzügen, Eroberungen und Grausamkeiten dazugehört. Den Überlieferungen nach wurde er 1013 in Rouen in Frankreich getauft und war ab 1015 ein norwegischer König. Als solcher engagierte er sich für die Verbreitung des Christentums in Norwegen und setzte 1024 die Christianisierung des Landes mit einer organisierten Kirche durch. Damit waren aber bei weitem nicht alle Konflikte gelöst und Olav musste weiterhin mit Konkurrenten um seine Macht kämpfen. In einem dieser Kämpfe fand er im Juli 1030 in der Schlacht von Stiklestad den Tod. Seine Gebeine wurden in Trondheim beigesetzt.

Olavs Verdienste um das Christentum sorgten dafür, dass er sehr bald nach seinem Tod als Märtyrer verehrt und ‚Olav der Heilige‘ genannt wurde. Schon aus dem Jahr 1040 gibt es Berichte von einer Olavsmesse, einem Heiligenschrein und von Wundern an seinem Grab mit einer Quelle, der Heilkraft zugesprochen wurde. 1070 wurde mit dem Beginn einer Kirche über seinem Grab begonnen, dem späteren Nidarosdom. Schnell breitete sich die Verehrung Olavs über Nordeuropa aus und etliche Kirchen und Altäre in den Ländern Skandinaviens wurden dem Heiligen Olav geweiht. Außerdem begann ein umfangreiches Pilgerwesen zum Grab des Heiligen Olav, insbesondere um seinen Feiertag, den 29. Juli, der auch in der evangelischen Kirche begangen wird.

Nachdem sowohl der Nidarosdom als auch die Pilgerbewegung etwas in Vergessenheit geraten waren, wurde beides im 19. Jahrhundert wiederentdeckt. Der Dom, der nach mehreren Bränden und Beschädigungen fast eine Ruine war, wurde über viele Jahrzehnte bis in die 1960er Jahre grundlegend und zu einer großen gotischen Kathedrale renoviert; die Pilgerwege reaktiviert. Heute gibt es den Olavsweg von Oslo über Lillehammer durch das Gudbrandstal nach Trondheim. Er ist rund 650 km lang, landschaftlich sehr schön und oft mit besserem Wetter als die spanische Hitze auf dem Jakobsweg. Außerdem gibt es Zubringerwege von Kopenhagen sowie Lund und der Westküste in Schweden.

Der Schrein Olavs des Heiligen im Nidarosdom in Trondheim

Das Ziel ist der Schrein Olavs des Heiligen im Nidarosdom in Trondheim, vor dem ich im Urlaub stand und dessen Hintergrund ich kennenlernte. Mich hat diese lange und fast unbekannte Geschichte der christlichen Kirche aus dem Norden sehr fasziniert, weil ich wieder einmal merkte, wie zentriert wir oft um uns und unser unmittelbares Umfeld kreisen. Es gibt Spannendes zu entdecken, wenn man den über den eigenen Tellerrand hinwegblickt und die geographischen Nachbarn ansieht.

Und natürlich ist auch das Thema Pilgern deutlich vielfältiger als der bekannte Jakobsweg. Auch im Norden gibt viel zu entdecken, zu erleben – um sich neue Horizonte zu eröffnen.   

Jörn Möller, Bereichsleiter Ökumenische Beziehungen