Im Gespräch: Pastor Dr. Sönke Lorberg-Fehring, Beauftragter für Christlich – Islamischen Dialog

Hat sich Ihre faktische Arbeit unter Corona-Bedingungen verändert, wenn ja, wie?

Nach dem ersten Schock, dass alle Veranstaltungen ausfallen mussten, kehrt langsam eine neue Normalität ein. Dazu gehören Onlineandachten genauso wie Internetkonferenzen und Webinare. Ich war vor Corona sehr viel unterwegs, weil in meinem Arbeitsfeld des interreligiösen Dialogs das persönliche Gespräch einen enorm hohen Stellenwert hat. Nachdem ich viel übers das Internet und per Telefon mit Kolleginnen und Teilnehmerinnen von Veranstaltungen im Gespräch war, fangen inzwischen auch wieder die ersten direkten und persönlichen Gespräche an – was ich sehr genieße!

Was nehmen Sie aus dieser Krise mit?

Es ist das Vertrauen, das zählt! Viele Gespräche haben auch WLan Abbrüche oder kurzfristige Absagen überstanden, weil auf beiden Seiten das Vertrauen bestand, dass wir – früher oder später – wieder zueinander kommen – ganz einfach, weil wir uns schätzen und darauf vertrauen, dass wir gemeinsam etwas für den interreligiösen Dialog erreichen wollen. Dieses Vertrauen zu pflegen und zu stärken, ist auch nach der Coronazeit mit dringlichster Wunsch.

Was möchten Sie ausbauen, was nie wieder erleben?

Ausbauen möchte ich online Kontakte mit Menschen, die ich live kaum treffen und erreichen würde, weil die Wege zu weit sind oder die Hürden zu hoch. Ich genieße die Kreativität, die momentan ganz viel neue Initiativen möglich macht: weltweite Gebetskreise, theologische Gespräche, die aus der Situation heraus geboren sind und neue Einsichten, die nur möglich waren, weil auf einmal alle neu denken und handeln mussten. Was ich möglichst nie wieder erleben möchte – auch wenn ich weiß, dass das ein frommer Wunsch ist – ist die Angst, die sich eingeschlichen hat. Angst um meine Kolleg*innen, Freunde und die Familie genauso wie um mich selbst.

Hat sich unsere Sicht auf die Partner*innen oder deren Sicht auf uns geändert?

Die Coronakrise hat in meinem Arbeitsgebiet noch krasser sichtbar gemacht, was es für einen Unterschied ausmacht, ob ich aus der relativ gesicherten Position einer (volks-) Kirche heraus arbeiten und verkündigen kann oder – wie praktisch alle Moscheen – auf Spenden von Gemeindegliedern und Gottesdienstbesucher*innen angewiesen bin. Die wirtschaftliche Sicherheit meiner Kirche habe ich noch einmal ganz neu schätzen gelernt und mir ist deutlich geworden, dass sie eine große Verantwortung bedeutet, in Krisen auch für die da zu sein, die diese Sicherheit aufgrund äußerer Umstände so nicht haben können.

Gibt es ein neues oder verändertes „Wir-Gefühl“ im globalen Kirche-sein?

Auch diese Krise hat meiner Ansicht mal wieder gezeigt, auf wen wir uns verlassen können. Ich denke dabei an viele berührende und bewegende Begegnungen, die bei aller Unterschiedlichkeit den Keim ein neuen „Wir-Gefühls“ in sich tragen können – wenn wir uns der oben beschriebenen Verantwortung stellen und ihr gerecht werden

Sind wir uns näher gekommen oder haben wir uns entfernt?

Heute hat mich ein muslimischer Kollege nach einer online Konferenz gebeten, für alle gemeinsam ein Segen zu sprechen. Diese Nähe bei aller Distanz ist ein neuer, großartiger Schatz, der uns meiner Ansicht nach deutlich näher gebracht hat.