Im Gespräch: Pastorin Christa D. Hunzinger, Europareferentin

Hat sich Ihre faktische Arbeit unter Corona-Bedingungen verändert, wenn ja, wie?

Christa D. Hunzinger

Meine Arbeit hat sich unter Corona-Bedingungen total verändert. Gerade im Sommerhalbjahr bin ich sonst viel unterwegs – in der Nordkirche und auch zu unseren europäischen Partnerkirchen. So hatten wir für Ende März ein deutsch-baltisches Pastoralkolleg in Vilnius mit 25 Teilnehmenden aus Estland, Lettland, Litauen und der Nordkirche geplant. Das musste natürlich abgesagt werden. Genauso auch das jährliche Treffen der deutsch-schwedischen und der deutsch-polnischen Arbeitsgruppe, Besuche in England, den Niederlanden und bei den Christlichen Begegnungstagen Mittel- und Osteuropa in Graz. Fast alle Arbeit läuft nun am Computer. Es gibt viel Austausch per Mail, Telefon oder Videokonferenzen. Aber die persönlichen Begegnungen fehlen.

Was nehmen Sie aus dieser Krise mit?

Ich nehme eine andere, intensivere Art der Verbundenheit mit vielen in den Partnerkirchen mit. Gerade zu Beginn der Krise gab es ganz viele Anrufe, Mails, Fragen: „Wie geht es dir, wie geht es deiner Familie? Seid ihr gesund?“ Der Austausch wurde persönlicher – sinnbildlich auch dadurch, dass alle zuhause arbeiteten und in Videokonferenzen einen kleinen Blick in das eigene Wohnumfeld zeigten. Auch konnte ich von hier aus die Partnerinnen digital in ihren Gottesdiensten besuchen und war beeindruckt, wie viele Menschen sie damit erreicht haben. Und ich nehme das regelmäßige Gebet für die Partnerinnen mit: Beim Läuten der Glocken am Mit-tag, beim Hoffnungsläuten, versuche ich, innezuhalten und für unsere Partnerkirchen und ganz konkrete Menschen dort zu beten. So stehen sie mir vor Augen, ich übe ihre Namen und nehme manchmal auch gleich danach wieder direkten Kontakt auf.

Was möchten Sie ausbauen, was nie wieder erleben?

Ausbauen möchte ich, dass wir aneinander denken und füreinander beten. So begrüße ich es sehr, dass wir wieder jede Woche eine Fürbitte für unsere Partnerinnen oder wichtige Themen der Ökumene auf unsere Homepage stellen. Auch möchte ich weiterhin digitale Formate anbieten. Die digitalen Ostergrüße unserer Partnerinnen fand ich sehr ermutigend und die Mitwirkung aus Dänemark, England und Polen beim digitalen Gottesdienst zur Europawoche bewegend. Zugleich müssen wir nicht für jede Besprechung weite Strecken durch die Nordkirche oder halb Europa fahren. Das geht auch ökologischer per Videokonferenz– so wertvoll die persönlichen Begegnungen auch sind. Erst durch Corona wurde ich darauf gestoßen, wie praktisch das ist.
Nie wieder erleben möchte ich geschlossene Grenzen zu unseren Nachbarn und die Idee, dass es uns besser geht, wenn wir uns abschotten. Das ist wirklich nur in extremen Notsituationen auf kurze Zeit denkbar.

Gibt es ein neues oder verändertes „Wir-Gefühl“ im globalen Kirche-sein?

Beim Ausbruch der Pandemie waren wir und unsere Partner*innen wirklich gleich betroffen, gleich bedürftig und verwundbar – egal ob wir zu einer kleinen oder großen, einer armen oder reichen Kirche gehören. Das schafft Verbundenheit. Es ging erst einmal darum, aneinander zu denken und füreinander zu beten und voneinander zu lernen: Wie geht ihr damit um, wenn Kirchen geschlos-sen sind? Wie haltet ihr den Kontakt? Das führt zu einem stärkeren Wir-Gefühl.

Sind wir uns näher gekommen oder haben wir uns entfernt?

Ich fühle mich mit vielen Menschen aus unseren Partnerkirchen näher verbunden als zuvor. Schwer möglich ist es jedoch, in so einer Zeit des Abstand-Haltens neue Menschen kennenzulernen. Insgesamt aber glaube ich, dass die Pandemie uns auf keinen Fall voneinander entfernt hat. Doch langsam sehne ich mich wirklich wieder nach persönlichen Begegnungen mit unseren Partner*innen, nach einem guten Gespräch, einem gemeinsamen Gottesdienst, einem Lächeln, einer Umarmung!

Pastorin Christa D. Hunzinger ist Referentin für Europa