Im Gespräch: Pastorin Nora Steen, Theologische Leiterin des Christian Jensen Kollegs

Hat sich Ihre faktische Arbeit unter Corona-Bedingungen verändert, wenn ja, wie?

Ich habe viel weniger Auswärtstermine als vorher. Da sind jeden Monat viele Kilometer Fahrtstrecke nach Kiel, Lübeck oder Hamburg zusammengekommen. Dafür sitze ich nun viel häufiger am Bildschirm und habe Videokonferenzen. Dadurch, dass unser Tagungshaus lange geschlossen bleiben musste, haben wir auch viel weniger Kurse vor Ort. Unsere gesamte Mitarbeiterschaft musste in Kurzarbeit gehen. Das prägt die Arbeit natürlich sehr.

Was nehmen Sie aus dieser Krise mit?

Was für mich kaum vorstellbar war, wurde Wirklichkeit: Ein Virus setzt alle Selbstverständlichkeiten außer Kraft. Diese Macht des Unplanbaren zu erleben, ist eine wertvolle Erfahrung für unsere Welt. Ansonsten nehme ich aber auch viel Dankbarkeit mit, dass ich in einem Land lebe, in dem die medizinische Versorgung so gut ist.

Was möchten Sie ausbauen, was nie wieder erleben?

Ich hatte auf einmal Zeit für eine Fahrradtour, einfach so am Nachmittag. Das hat mir gut getan und ich möchte auch künftig dafür sorgen, dass ich immer mal wieder kurze Auszeiten habe. Das Homeschooling mit unseren beiden Grundschulkindern war über so viele Wochen lang sehr belastend. Zu arbeiten, den Haushalt zu machen und gleichzeitig Lehrerin für die Kinder zu sein, war unglaublich anstrengend.

Hat sich unsere Sicht auf die Partner*innen oder deren Sicht auf uns geändert?

Es wurde mir wieder sehr bewusst, wie gut wir es hier in Deutschland haben. Die Partnerkirchen, die von den Spenden ihrer Gemeindeglieder abhängig sind, haben es jetzt noch schwerer als vorher. Die Frage, was gute gelebte Solidarität ist, ist brennender als zuvor.

Gibt es ein neues oder verändertes „Wir-Gefühl“ im globalen Kirche-sein?

Ich wünsche mir sehr, dass wir durch diese Krise näher zueinander rücken. Allerdings habe ich auch die Befürchtung, dass die finanzielle Not eher dazu führen wird, dass man sich auf sich selber besinnt und weniger gewillt ist, etwas abzugeben. Wir müssen einfach abwarten und weiter daran arbeiten, dass wir eine gemeinsame Kirche sind.

Sind wir uns näher gekommen oder haben wir uns entfernt?

Die digitalen Möglichkeiten der Vernetzung haben zu einer ganz neuen Erfahrung von Nähe geführt. Zugleich wurde auch deutlich, wie schmerzhaft es ist sich nicht leibhaftig in die Augen sehen zu können. Es ist, als würde diese Krise alles noch schärfer zeichnen: Das Helle und das Dunkle. Alles sticht deutlicher hervor. Das gilt auch für die Emotionen.