FAQ: Klimagerechtigkeit im kirchlichen Kontext

Warum engagiert sich die Kirche für Klimagerechtigkeit?

Der gemeinsame Einsatz für Schöpfung und Gerechtigkeit gehören zu den Kernthemen für Christ*innen in aller Welt. Bei der Klimakrise geht es um die Überlebensfrage der Menschen und aller Lebewesen auf der Erde und eine würdige Zukunft für alle.
Die Fakten und wissenschaftlichen Erkenntnisse sprechen eine eindeutige Sprache: Wir haben von 2022 an noch sieben Jahre, um die schlimmsten Auswirkungen der Klimakrise zu verhindern. Nicht mehr – aber auch nicht weniger. So geht es uns als Kirche darum, Wege aus der Krise aufzuzeigen und Menschen Mut zu machen, dass ein Wandel und eine nachhaltige Transformation gelingen können. Dazu gehört es, Bewegungen zu stärken, die sich für Klimagerechtigkeit einsetzen. Ebenso wichtig ist es, selbst auch innerhalb der Kirche mit gutem Beispiel voranzugehen.

Ist es überhaupt Aufgabe der Kirche, sich in politische Prozesse einzumischen?

Als Kirchen haben wir nicht nur einen Auftrag zur Verkündigung sondern sind durch das Evangelium aufgefordert, uns durch Solidarität und soziales Engagement für unsere Mitmenschen einzusetzen. Wir haben das Wohl und die Würde aller Menschen und Lebewesen im Blick und tragen Verantwortung den Ärmsten und Schwächsten Gehör zu verschaffen. Weltweit sind Milliarden Menschen von der Klimakrise betroffen und Hunderttausende zur Flucht gezwungen. Viele Tier- und Pflanzenarten sind vom Aussterben bedroht. Zu den wesentlichen Ursachen der Klimakrise gehört der Wirtschafts- und Lebensstil der Industrieländer. Deutschland gehört weltweit zu den sechs Ländern mit dem größten CO2-Ausstoß.
Daher ist es unsere Aufgabe als Kirche, in gesellschaftlichen Fragen Stellung zu beziehen. Dazu gehört auch der Aufruf zum Umdenken und Umsteuern. Wir wollen aufzuzeigen, welche Möglichkeiten wir haben innerhalb der planetaren Grenzen zu leben und die notwendige Wende zu erreichen.

Was hat die Kirche mit der Bewegung „Fridays For Future“ zu tun?

Kirchen haben schon lange vor den Vereinten Nationen den Einsatz für die Schöpfung und für eine nachhaltige Entwicklung auf die politische Agenda gesetzt. Spätestens mit Ausrufung des Konziliaren Prozesses für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung, durch den Ökumenischen Rat der Kirchen 1983, machen sie sich für Klimaschutz und nachhaltige Entwicklung stark.
Diese Botschaft überzeugt nur, wenn wir als Kirche selbst Vorbild für eine nachhaltige Lebens- und Wirtschaftsweise sind. Daher schließen wir uns den Forderungen der Fridays for Future-Bewegung an. Wir werden gleichzeitig die Maßnahmen der Kirchen kritisch begleiten und weiterentwickeln. 2019 wurde vor diesem Hintergrund die bundesweite Initiative Churches for Future gegründet die mittlerweile über 70 kirchliche Einrichtungen, Bistümer und Landeskirchen umfasst.
Als Kirchen begegnen wir den Protestierenden mit großen Respekt, unterstützen ihre Anliegen und sehen uns als Teil der Bewegung. Ihr eindringlicher Ruf zur Umkehr ist angesichts der fortschreitenden Klimakrise und des viel zu zögerlichen Handeln von Politik und Gesellschaft sehr berechtigt. Wir bekennen, dass wir noch zu wenig tun und nicht konsequent genug sind in der Umsetzung unserer eigenen Forderungen. Der Ruf der jungen Menschen erinnert uns an die Kernaussagen des christlichen Glaubens zur Bewahrung der Schöpfung und zur Solidarität mit unseren Nächsten.

Es gibt doch genug Fachleute, Expert*innen und Politiker*innen, die sich um den Klimaschutz kümmern. Warum muss sich die Kirche auch noch zu Wort melden?

Als Kirche haben wir einen prophetischen Auftrag. Das bedeutet, wir mischen uns ein, wenn das Wohl und die Würde anderer Menschen und Mitgeschöpfe bedroht sind. So verstehen wir als Kirchen die Klimakrise auch als Menschheitskrise: Sie zeigt, dass unser bisheriges Wachstumsmodell ans Ende gekommen ist, das vorgibt unbegrenztes Wachstum auf unserem begrenzten Planeten sei möglich. Bisherige politische Lösungen reichen allein für die Bewältigung der globalen Herausforderungen nicht aus.
Wir brauchen ein komplexes Umdenken und neue Leitbilder. Daher verstehen wir die Klimakrise auch als eine spirituelle Krise. So engagieren wir uns für eine „Ethik des Genug. Damit verbunden sind die Fragen: Was ist wirklich wichtig im Leben? Wie erreichen wir ein gutes Leben für alle Menschen und Mitgeschöpfe auf dieser Erde?

Wo ist Klimagerechtigkeit in der Bibel verankert?

Biblische Propheten haben Menschen bereits zur Umkehr gemahnt, wenn es darum ging, einen Lebensstil zu ändern, der anderen Menschen schadet und zu Ungerechtigkeiten führt. Biblische Schöpfungstexte sind Visionen. Sie drücken die Hoffnung aus, dass alles ganz anders sein könnte: lebensfreundlicher, menschlicher, gerechter.
Bei unserem Engagement für Klimagerechtigkeit werden wir durch biblische Visionen ermutigt, die eine Welt beschreiben, in der alle Lebewesen das haben werden, was sie für ein lebenswertes Leben brauchen. Das macht uns Mut, gibt Kraft – und die notwendige Ausdauer.
„Die Vision unserer Erde ist kein verharmlosendes Idyll. Sie ist eine scharfe Ansage an all diejenigen, die in ihrem Welthaus den Hausfrieden zerstören. Die Schöpfungshoffnung wird nicht durch die Naturwissenschaften in Frage gestellte, sondern durch Ungerechtigkeit herausgefordert. In einem Satz: Wer von Schöpfung im Sinne der Bibel spricht, muss heute für globale Gerechtigkeit eintreten“ (Dr. Andreas Benk, Professor für Theologie in Schwäbisch Gmünd)

Was tut denn die Nordkirche konkret für den Klimaschutz?

Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Norddeutschland (Nordkirche) hat 2015 ein Klimaschutzgesetz verabschiedet. Im Februar 2022 wurde ein neuer Klimaschutzplan beschlossen, mit dem auch eine Novellierung des Klimaschutzgesetzes einhergeht. Damit möchte die Nordkirche früher als bisher geplant treibhausgasneutral werden, und zwar schon 2035 statt 2050. Gemeinden und Kirchenkreise werden dabei unterstützt, ressourcenschonender und nachhaltiger zu handeln. Jeder Kirchenkreis stellt 0,8 Prozent seiner Kirchensteuereinnahmen für Maßnahmen zum Klimaschutz bereit. Angepackt wurden die Bereiche Mobilität, Beschaffung und Energie, sowie die Nutzung von Kirchenland.
Leitmotiv ist: unnötigen Energiebedarf vermeiden, Energietechnik effizient einsetzen und den verbleibenden Energiebedarf durch erneuerbare Quellen decken. Seit 2005 gibt es die Infostelle Klimagerechtigkeit, die Bildungs- Bewusstseinsarbeit und Kampagnenarbeit macht, aber auch konkrete Klimaschutzprojekte in der Nordkirche und zusammen mit Kirchen, Nichtregierungsorganisationen und Initiativen im globalen Süden umsetzt. Seit 2016 hat das Umwelt- und Klimaschutzbüro der Nordkirche seine Arbeit aufgenommen. Viele Kirchenkreise haben neue Stellen für Klimaschutzmanager*innen geschaffen.

Was tut das Zentrum für Mission und Ökumene für den Klimaschutz?

Seit 2005 gibt es im Zentrum für Mission und Ökumene die Infostelle Klimagerechtigkeit. Wir unterstützen Kirchen, Nichtregierungsorganisationen und Initiativen im globalen Süden bei der Entwicklung von Klimaschutzprojekten und wir führen hier vor Ort Bildungsarbeit zum Thema Klimagerechtigkeit, Klimaschutz und Klimawandel durch. Wir haben den kirchlichen Kompensationsfonds Klima-Kollekte und das Ökumenische Netzwerk Klimagerechtigkeit mitinitiiert, gehen mit Bildungsmaterialen zum Beispiel in Schulen und Gemeinden und begleiten Gemeinden bei der Aktion „ÖkoFaire Gemeinde“.