Zwölf Monate mit dem Virus

Seit etwa einem Jahr leben wir weltweit mit dem Corona-Virus. Wir haben in unseren internationalen Partnerkirchen nach den Erfahrungen gefragt. In nahezu allen Ländern wurden ähnliche Maßnahmen wie in Deutschland verordnet: Teilweise Schließungen von Orten öffentlichen Lebens, Maskenpflicht, Verstärkte Hygieneanweisungen und Kontaktbegrenzungen. In vielen Ländern kamen drastische Grenzschließungen dazu. Trotzdem wirkt sich die Pandemie ganz verschieden aus. Dazu hier einige Schlaglichter.

In China begründet die Bekämpfung des Virus‘ eine massive Überwachung der Bürger*innen. Bewegungsprofile werden erstellt, Kommunikations- und Begegnungsmöglichkeiten werden stark eingeschränkt. Während China verstärkt auf digitale Möglichkeiten setzt, werden die Sicherheitsgesetze zur Bekämpfung des Virus auf den Philippinen von Präsident Rodrigo Duterte auch gegen politische Gegner eingesetzt.

Leugnen als Strategie

Frauke Riether, pixabay.com

Ganz anders sieht es dort aus, wo die Pandemie durch die Regierenden heruntergespielt oder geleugnet wird, beispielsweise in Tansania, Brasilien oder auch den USA. Der tansanische Präsident Magufuli hat Corona für besiegt erklärt. Inoffizielle Berichte sprechen dennoch von aktuellen Corona-Infektionen, allerdings werden diejenigen bestraft, die dem Sieg über das Virus widersprechen. Im Vorfeld hatte es landesweite präsidiale Aufrufe zu mehrtägigen Gebeten gegeben, da dass das Virus als Satan im Leib Christi keine Überlebenschance habe. Auch der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro leugnet, trotz eigener Infektion, konsequent die Gefahren von Covid-19 und macht sich über Warnungen lustig. Im Juni wurde die Veröffentlichung von Fallzahlen gestoppt. Notwendige Maßnahmen zur Bekämpfung wurden schleppend oder gar nicht eingeleitet. Mittlerweile gibt es regionale Impfkampagnen, über die Bolsonaro ebenfalls spottet und sie zu behindern versucht.
Ähnlich komplex ist die Situation in den USA. Der mittlerweile ehemalige Präsident Donald Trump zeichnete sich durch massive Propaganda gegen einen vorsichtigen Umgang mit der Pandemie aus. Das Tragen von Masken und Einhalten von Kontaktdistanzen wurde lange von ihm lächerlich gemacht und abgelehnt. Unsere Partner in Michigan, United Church of Christ, und Ohio, ELCA, haben schon früh eine andere Linie vertreten und Masken und social Distancing propagiert. Dennoch ist es in einer aktuell so gespaltenen Gesellschaft wie den USA für unsere Partner oft schwierig, sehr klar Positionen zu vertreten: Es gibt keine Kirchensteuer und jede Gemeinde genügend Familien, die sie tragen – da kann der Austritt von Anhängern Trumps finanziell schmerzhaft sein.

Armut durch Pandemie verstärkt

Mit ganz anderen Problemen sind unsere Partnerkirchen in Indien, Kenia und Argentinien konfrontiert. Viele Gemeindeglieder in Argentinien sind Tagelöhner. Sie wurden arbeitslos und können damit ihre Familie nicht versorgen. Weil das Geld fehlt werden – falls Schulgeld oder ähnliches erforderlich ist – Kinder aus der Schule genommen, meist zuerst die Mädchen, dann die Jungs und im schlimmsten Fall müssen die Kinder arbeiten und zum Familienunterhalt beitragen. Armut und Elend verstärken sich und werden in die nächste Generation weitergetragen. Ähnliches hören wir aus Indien. Tagelöhner*innen und Millionen von Wanderarbeiter*innen wurden entlassen und in ihre Heimat geschickt. Dort in den meist ländlichen Regionen gibt es keine Arbeit, so dass den Familien das Geld ausgeht. Zudem erschwert die streng kontrollierte Ausgangsperre das Überleben, da viele Dörfer zu abgelegen sind, um in der zulässigen Zeit den nächsten Markt zu erreichen. In Kenia haben die langen Corona-bedingten Schulschließungen zum Teil zu einem erkennbaren Zuwachs an häuslichem Missbrauch und Schwangerschaften bei Minderjährigen geführt, berichten Partnerorganisationen. Im Pazifik haben Papua-Neuguinea und Kiribati ihre Grenzen geschlossen. In PNG wird eine Covid-19-Erkrankung als Todesursache oft nicht erkannt, da die Tuberkulose mit ähnlichen Symptomen im Land häufig vorkommt. Dennoch dürfen auch Landsleute nur mit Quarantäne einreisen. Kiribati hat bereits zu Beginn der Pandemie die Inseln abgeschottet und auch eigene Bürger*innen nicht mehr ins Land gelassen. Weltweit saßen rund 400.000 Seeleute fest, viele von ihnen aus Kiribati, die nicht in ihre Heimat zurück reisen konnten.

Aufgrund der Situation in unseren Partnerkirchen unterstützte die Nordkirche diese im vergangenen Jahr mit rund 100.000 Euro aus dem humanitären Hilfsfonds – in den Vorjahren waren es rund 30.000 Euro. Dabei fehlte es dort, wo mit Beginn der Pandemie das Arbeiten nicht mehr möglich war und die Existenzgrundlage verloren ging, an Lebensmitteln und Hygieneausstattung. Dort, wo sich kirchliches Leben und Arbeiten nur aus Kollekten finanziert, unterstützte die Nordkirche die Ausbildung und den Erhalt der kirchlichen Mitarbeitenden, da während des Lockdowns keine Gottesdienste gefeiert und somit keine Einnahmen erzielt werden konnten.