„Auf dem Weg – Gerechtigkeit und Ökumene“

Der Sonntag Judika thematisiert im Kirchenjahr in besonderer Weise Recht und Gerechtigkeit. Wir möchten an die guten Erfahrungen der letzten sieben Jahre anknüpfen und alle Kirchengemeinden am 3. April 2022 einladen, Gottesdienste zum Themenschwerpunkt „Gerechtigkeit und Ökumene“ – analog oder digital – zu gestalten und zum Kanzeltausch mit der ökumenischen Nachbargemeinde zu ermutigen.
Geleitwort von Landesbischöfin Kristina Kühnbaum-Schmidt
Liebe Geschwister!
„Die Liebe Christi bewegt, versöhnt und eint die Welt“ – das Motto der 11. Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen spricht aus, was heute für die globale Menschengemeinschaft wichtig ist. Fragen der Gerechtigkeit wie strukturelle wirtschaftliche Ungleichheit, weltweite Klimagerechtigkeit oder Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung sind dabei einige konkrete Aspekte.

Dazu entfaltet dieses Arbeitsheft zum Sonntag Judika Horizonte der Gerechtigkeit. Der Horizont ist die Linie, die Himmel und Erde trennt, aber auch die, wo sich beide begegnen. Auch Gerechtigkeit erfordert genaues Hinsehen auf das, was trennt, wie auf das, was verbindet.
Dazu gehört es, beharrlich nach Gerechtigkeit zu suchen, um sie zu ringen und nicht nachzulassen in dem Bestreben, Ungerechtigkeiten zu überwinden. Dem widmen sich die Themenschwerpunkte dieses Hefts. Um nur einige zu nennen: Klima-Ungerechtigkeiten, Gefahren für die Demokratie durch autoritäre Regime, die Folgen von Mission und Kolonialisierung.
Versöhnung und Einheit werden auf dem Cover dieses Hefts groß geschrieben. Gerade jetzt ist es eine wichtige Aufgabe des christlichen Glaubens und der christlichen Kirchen, auf das zu sehen, was alle Menschen verbindet. Es gilt, Gemeinschaft und Versöhnung über trennende Grenzen von Konfessionen, Religionen oder nationale Zugehörigkeiten hinweg zu suchen und zu fördern und dabei auf die Liebe Christi zu vertrauen, die uns und unsere Welt verwandelt. Dazu können wir als Nordkirche einen wichtigen Beitrag leisten, indem wir uns als eine kooperierende Kirche verstehen, in Norddeutschland und weltweit.
Gott selbst verhilft zu Recht und Gerechtigkeit, verheißt der 43. Psalm. Lassen wir uns von seinem Licht und seiner Wahrheit und der Liebe des gekreuzigten und auferstandenen Christus leiten! Als Landesbischöfin danke ich allen, die an diesem inspirierenden Themenheft mitgearbeitet haben. In allem, was es anregt und bewirkt, bitte ich um die Kraft des Heiligen Geistes und wünsche ich uns Gottes reichen Segen. Landesbischöfin Kristina Kühnbaum-Schmidt ist auch Vorsitzende unserer Generalversammlung.
Materialien zum Sonntag Judika „Gerechtigkeit und Ökumene“ zum Download:
Printexemplare können bestellt werden unter
Weitere Infos unter:
https://www.oikoumene.org/de/about-the-wcc/organizational-structure/assembly https://www.nordkirche.de/jahr-der-oekumene
Digitaler Studientag zum Thema ‘Macht.Privileg.Gerechtigkeit.’ (29. März 2022)
Rassismuskritik, die Aufarbeitung des kolonialen Erbes und Gendergerechtigkeit standen im Mittelpunkt des Studientages. Es sind Anliegen, die für das Miteinander in unseren Kirchen und Gesellschaften hier vor Ort, aber auch weltweit zentral sind. Mit über 140 Teilnehmenden fand das Thema eine breite Resonanz.

Prominente Referent*innen und Moderatoren haben den Studientag bereichert: Yared Dibaba, Schauspieler, Moderator und Entertainer; Awet Tesfaiesus Bundestagsabgeordnete für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Rechtsanwältin für Ausländer- und Asylrecht; Kristina Kühnbaum-Schmidt, Landesbischöfin und Vorsitzende der Generalversammlung des Zentrums für Mission und Ökumene und Daniela Konrädi, Afrodeutsche Pastorin in der Kirchengemeinde St. Michael in Hamburg-Bergedorf.
Wie man die zweite Seite der Macht nutzt – für eine antirassistische Kirche
von Agnes Zeiner
«Macht hat zwei Seiten – hier Gewalt und Unrecht, aber sie kann auch eine positive gestalterische Kraft sein, im Sinne von Empowerment und Teilhabe», leitete Pastorin Anne Freudenberg-Klopp vom Zentrum für Mission und Ökumene den Digitalen Studientag ‘Macht.Privileg.Gerechtigkeit.’ am Dienstagabend ein. Rund 140 Teilnehmende beleuchteten die Themen Rassismuskritik, Aufarbeitung des kolonialen Erbes und Gendergerechtigkeit aus verschiedenen Blickwinkeln.»
So viel sei vorweggenommen: Der Weg zu einer rassismuskritischen und rassismusfreien (Nord-)Kirche und Gesellschaft ist noch lang. Aber die ersten Schritte sind gesetzt. Und jede Reise beginnt mit einem ersten Schritt, moderierte Yared Dibaba, Entertainer, Schauspieler und auch Diversity-Coach, die Podiumsdiskussion zu Beginn. Denn: Bei Rassismuskritik geht es um Hinhören, Hinsehen und Verstehen – um nicht auszugrenzen oder zu vereinnahmen.
Awet Tesfaiesus: Rassismuskritik bedeutet, rassistische Strukturen zu erkennen
„Rassismuskritik bedeutet anzuerkennen, dass wir in rassistischen Strukturen leben – es braucht dazu Selbstkritik, und das Hinterfragen von Privilegien. Die Kirche hat dafür ein großes Potential, denn sie erreicht viele verschiedene Milieus unserer Gesellschaft“, betonte die Bundestagsabgeordnete Awet Tesfaiesus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). Insbesondere der Wille, unter dem Hashtag #missiondecolonize ihre Kolonialisierungsgeschichte aufzuarbeiten und anzuerkennen, dass die kirchliche Mission eine Mitschuld am Kolonialismus trägt, sei ein wichtiger erster Schritt der Veränderung, den die Nordkirche setze.
Pastorin Daniela Konrädi: Der Dialog leitet den Heilungsprozess ein

„Können Sie glauben, dass Gott schwarz ist?“, fragte anschließend Daniela Konrädi, afrodeutsche Pastorin in der Kirchengemeinde St. Michael in Hamburg-Bergedorf. Sie zeigte in ihrem Impulsvortrag „Perspektiven einer rassismuskritischen Theologie“ auf. Unter die Haut ging wohl allen Teilnehmenden ihre sehr persönliche Bemerkung, dass sie sich immer innerlich auf einen rassistischen Übergriff vorbereite, bevor sie aus dem Haus gehe.
Auch Jesus Christus gehöre zu den BIPoC (Black, Indigenous, People of Color). Daniela Konrädi warf die Frage auf, warum trotzdem bis heute ein schwarzer Jesus als fremd empfunden wird – und zwar nicht nur von Weißen, sondern auch von BIPoC. „Warum sieht Jesus auf Bildern in Ghana gleich aus wie im Norden?“
Sich von diesem Bild zu entfernen, bedürfe der theologischen Aufarbeitung der kirchlichen Geschichte, der Anerkennung der Schuld der Kirche. Der Dialog, angestoßen durch die Kirchenvertreter und mit BIPoC als Korrektiv oder Moderatoren, leite den Heilungsprozess ein. Dazu müsse auch die kirchliche Praxis rassismuskritisch hinterfragt werden – sowohl in den Gemeinden und in den Leitungsfunktionen. Denn während in den Ballungsräumen bis zu 30% BIPoC leben, ist die Kirche auch dort geprägt von der Lebensrealität der weißen Bevölkerung.
Wo kann die Nordkirche Impulse setzen?
Landesbischöfin ‚Christina Kühnbaum-Schmidt macht sich das Thema zu eigen.
„Wir brauchen dieses Gespräch der Auseinandersetzung, und die Unterstützung der PoC, die sich daran beteiligen. Denn alle Menschen sind Teil des Leib Christi, und wenn uns Menschen fehlen, ist es keine Gemeinschaft – der Leib Christi nicht vollständig“, betonte Landesbischöfin Kristina Kühnbaum-Schmidt in der anschließenden Gesprächsrunde.
Die Kirche ist klar gefordert, ihre Vergangenheit aufzuarbeiten und Verantwortung zu übernehmen. Immer wieder wurde betont, dass es dabei insbesondere ums Zuhören geht, das Gespräch mit Betroffen. Denn die eine, einzige Lösung für Antirassismus gibt es nicht – auch wenn das für Kirche und Gesellschaft noch so bequem wäre.
Um eine Gemeinschaft in Vielfalt zu werden sollen mehr BIPoC in der Kirche mitgestalten – mit Sitz, Stimme und Aufstiegsmöglichkeiten. Nun zeigte sich auch die ganze Kontroverse, die dem Thema innewohnt. Denn schlussendlich muss die Frage lauten: Wie muss sich die heutige weiße Kirche in Deutschland verändern, damit sich BIPoC überhaupt dafür interessieren, mitzuarbeiten?
Wie kann eine rassismuskritische Kirche (zukünftig) aussehen?
Mit großer Intensität wurden im zweiten Teil des Studientages Themen in verschiedenen Workshops behandelt und nach Lösungen gesucht:
- Antirassismus muss bereits in der Ausbildung angehender Pastor*innen verankert werden. Dazu gehört auch praktische Hilfe, wie sie intervenieren können, wenn sie Rassismus beobachten.
- Wie können wir die Willkommenskultur in den Gemeinden verbessern? Antirassistische Kirche heißt auch, Räume für BIPoC zu öffnen.
- Wie können wir das interkulturelle Element in unsere Gottesdienste bringen? Warum nicht von den anderen lernen und gemeinsam Gottesdienste feiern?
- Wie thematisiert man Rassismuskritik und Antidiskriminierung in einer Gemeinde, die (fast) ausschließlich aus weißen Gläubigen besteht? Ein erster Schritt kann sein, BIPoC in die Gemeinde einzuladen – und die Gemeinde zu fragen: Welche Haltung wollen wir eigentlich einnehmen?
- Wie vermeidet man, in die rassistische Falle zu tappen? Für viele ist es eine große Herausforderung, beschämend und peinlich, sich den eigenen Rassismus einzugestehen und darüber zu sprechen. Das ist auch ein semantisches Problem, denn viele scheuen sich vor dem Wort. Antirassismus-Trainings und Workshops helfen dabei, weiter zu sensibilisieren.
Fürbitte für Gerechtigkeit und die ökumenische Gemeinschaft
5. Sonntag in der Passionszeit (Judika) am Sonntag, 3. April 2022
Die Kirchengemeinden sind eingeladen, Themengottesdienste unter dem Motto „Auf dem Weg – Gerechtigkeit und Ökumene“ zu gestalten.
Informationen
Der Sonntag Judika thematisiert im Kirchenjahr in besonderer Weise Recht und Gerechtigkeit. Der Psalm 43 hat diesem Sonntag seinen Namen gegeben: „Gott schaffe mir Recht!“ Dieser Ruf verbindet sich mit drängenden inhaltlichen Anliegen der ökumenischen Gemeinschaft weltweit.
Ökumene heißt dem ursprünglichen Wortsinn nach „die gesamte bewohnte Erde“ (Lukas 2,1). Wir sind verbunden mit Geschwistern in aller Welt und Teil einer globalen Gemeinschaft von Christ*innen. Vom 30.8. bis 8.9.2022 findet in Karlsruhe die 11. Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) statt, erstmals in Deutschland und seit seiner Gründung in Amsterdam 1948 zum dritten Mal in Europa. Unter dem Motto „Christi Liebe bewegt, versöhnt und eint die Welt“ diskutieren 800 Delegierte aus 349 Mitgliedskirchen aktuelle Anliegen wie „Covid 19 und die Folgen für Kirche und Gesellschaft“, „Klimawandel“, „Die Gefahren für Demokratien durch autoritäre Regime“, „Rassismus und wachsende ökonomische Ungerechtigkeiten“.
Weitere Infos unter:
https://www.oikoumene.org/de/about-the-wcc/organizational-structure/assembly
https://www.nordkirche.de/jahr-der-oekumene
Fürbitte
Gott, Dein Evangelium ist die frohe Botschaft des Friedens, die nicht zu trennen ist von Gerechtigkeit, Wahrheit, Freiheit und Liebe. Damit Friede wird, ist unser Mitwirken notwendig: stärke uns in dieser Aufgabe durch deine Gnade.
Gott, Dein Atem, ist der Atem der Freiheit; du stehst auf der Seite der Unterdrückten: wir beten für alle, die Gewalt, Gefangenschaft, Demütigung, Folter und Verfolgung erleiden, heile und stärke sie und gib ihnen Kraft, die Angst zu überwinden, schicke ihnen Unterstützung und Hilfe.
Gott, du liebst diejenigen, die Gerechtigkeit stiften. Gib uns das Feingefühl und die Vernunft, das Gute vom Bösen, die Wahrheit von der Ungerechtigkeit zu unterscheiden, und stärke unseren Willen, für Gerechtigkeit einzutreten.
In Anlehnung an ein Ökumenisches Gebet aus dem Gottesdienstmaterialheft zum Sonntag Judika Seite siehe Seite 66 www.sonntag-judika.de
Pastorin Anne Freudenberg, Referentin für Theologie und Nachhaltigkeit
23.03.2023: Pressemitteilung zum Studientag ‚Macht.Privileg.Gerechtigkeit.‘:
Landesbischöfin: Unsere Welt braucht unser Streben nach Frieden und Versöhnung
Hamburg/Schwerin (ce) – Rassismuskritik, die Aufarbeitung des kolonialen Erbes und Gendergerechtigkeit stehen im Mittelpunkt eines digitalen Studientages am 29. März anlässlich des diesjährigen Sonntags Judika.
Er greift damit Themen auf, die die Mitgliedskirchen des Ökumenischen Rates der Kirchen als die drängendsten Probleme unserer Zeit definiert haben und mit denen sich die Vollversammlung in Karlsruhe im September 2022 beschäftigen wird. Dazu gehören auch die Folgen der Corona-Pandemie und der Klimawandel, Gefahren für die Demokratie durch autoritäre Regime, wachsende Militarisierung und das interreligiöse Miteinander. „Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine macht auf besonders traurige und dramatische Weise deutlich, wie hoch aktuell diese Themen sind. Der Einsatz für Frieden, Gerechtigkeit und Versöhnung gehört aus unserem Glauben heraus zu unseren wichtigsten Aufgaben als weltweiter Gemeinschaft von Kirchen und genau dieses Engagement braucht unsere Welt dringend“, betonte Landesbischöfin Kristina Kühnbaum-Schmidt, die sowohl auf dem Podium als Diskussionspartnerin teilnehmen als auch einen Workshop mit gestalten wird.
Der Studientag steht unter dem Motto „Macht.Privileg.Gerechtigkeit.“ und wird sowohl in deutscher wie auch in englischer Sprache angeboten. „Macht verbindet sich mit Gewalt und Unrecht, und gleichzeitig kann Macht auch eine positive Gestaltungskraft haben, im Sinne von Empowerment und Teilhabe“, erläutert die Organisatorin, Anne Freudenberg vom Zentrum für Mission und Ökumene. Im ersten Teil der Veranstaltung werden Awet Tesfaiesus, Bundestagsabgeordnete und Bündnis 90/Die Grünen, Landesbischöfin Kristina Kühnbaum-Schmidt und Daniela Konrädi, afrodeutsche Pastorin aus Hamburg, Impulse geben. Moderator ist Yared Dibaba, bekannt als Schauspieler und Moderator, zudem ist er ausgebildeter Diversity-Coach. Im zweiten Teil des Studientages werden die Themen in Workshops inhaltlich vertieft.
Weitere Informationen: www.sonntag-judika.de
Hintergrund:
Der Name „Judika“ entstammt der lateinischen Übersetzung des Eingangspsalms für diesen 5. Sonntag der Passionszeit, der mit den Worten „Gott, schaffe mir Recht!“ beginnt. Seit acht Jahren werden auf Initiative des Zentrums für Mission und Ökumene nordkirchenweit Gottesdienste unter einem bestimmten Aspekt von Gerechtigkeit, wie zum Beispiel Flucht, Frieden, Klima oder Vielfalt gefeiert. Mit Blick auf die 11. Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen, der vom 30. August bis zum 8. September in Karlsruhe tagt, steht der Sonntag Judika in diesem Jahr unter dem Motto „Gerechtigkeit und Ökumene“. Der Ökumenische Rat der Kirchen ist eine Gemeinschaft von 345 Kirchen aus mehr als 110 Ländern, die weltweit über 580 Millionen Christinnen und Christen vertreten.
Ökumene und Gesellschaft
Claudia Ebeling
Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
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www.nordkirche.de