Warten hilft nicht! Offene Türen für geflüchtete Frauen und Kinder auf dem Breklumer Campus

Es geht um Menschen. Vor allem geht es um Kinder und Frauen, die in den griechischen Flüchtlingslagern jeden Tag ums Überleben kämpfen. Die Ablehnung des Bundestags, 5000 besonders schutzbedürftige Flüchtlinge, insbesondere Frauen und Kinder, nach Deutschland zu holen, können wir nicht nachvollziehen.

NSt Breklum, 6.3.2020. Im nordfriesischen Breklum stehen die Türen für die Aufnahme geflüchteter Frauen und Kinder weit offen. Denn es ist bereits erprobt und steht bereit: Ein leerstehendes Haus mit bis zu 20 Zimmern auf dem Campus des Christian Jensen Kollegs, ein erfahrenes multiprofessionelles Team, viele Ehrenamtliche und eine intakte Infrastruktur. Seit Anfang 2016 hat das Dorf Erfahrungen mit der Integration und Begleitung geflüchteter Frauen und Kinder aus dem Nordirak gemacht.

Damals kamen 17 Frauen und 11 Kinder, alle schwer traumatisiert und krank. Mittlerweile wohnen die meisten von ihnen in eigenen Wohnungen oder konnten zu Familienangehörigen in andere Teile Deutschlands ziehen. Vor allem die Kinder sind gut integriert. Einer der Jungen ist mittlerweile Klassensprecher in einer Gemeinschaftsschule in Husum. Bis dahin war es ein langer Weg. Das Haus auf dem Campus gehört dem Zentrum für Mission und Ökumene und wurde für die Geflüchteten zur Verfügung gestellt. Es bildete sich in kurzer Zeit ein Netzwerk aus Haupt- und Ehrenamtlichen in Kirche und Diakonie, die die Aufnahme der Frauen und Kinder vorbereiteten und dann verantworteten. In den ersten Jahren war eine intensive psychologische und sozialpädagogische Begleitung durch das Diakonische Werk Husum und viele Ehrenamtliche notwendig.

Volker Schümann, Geschäftsführer des Diakonischen Werkes Husum, betont, dass insbesondere diese Erfahrung, mit schwer traumatisierten Frauen und Kindern zu arbeiten, eine gute Grundlage für die aktuellen Herausforderungen darstelle: „Das Vorurteil, es würde sich hier in Deutschland ein Drama wiederholen, wenn wir Geflüchtete aufnehmen, ist Quatsch. Das Drama geschieht momentan an der Grenze und auf den Inseln. DAS ist das Drama.“ Das Breklumer Team hat in den vergangenen Jahren viel gelernt. Von Naivität ist hier nichts zu spüren. Alle wissen, was für eine Herausforderung es ist, schwer traumatisierten Menschen in einem vollkommen fremden Kontext ein neues zu Hause zu bieten. Sieglinde von Hoeschelmann gehörte von Anfang an zum großen Team der Ehrenamtlichen aus dem Dorf und der Kirchengemeinde. Bis heute treffen sich einige Ehrenamtliche mittwochnachmittags mit den noch in der Region lebenden jesidischen Frauen, sprechen über den ganz normalen Alltag. Über die Jahre hat sie miterleben dürfen, wie sich die Frauen und Kinder verändert haben. „Wir haben gemerkt, dass die Frauen freier geworden sind, sich gelöst haben. Sie sind in eine Selbstständigkeit hineingekommen. Und die Kinder! Wie haben sich die Kinder verändert! Auch durch die gute Begleitung durch die Hauptamtlichen des Diakonischen Werks. Aber wir Ehrenamtlichen waren genauso nötig, zum Beispiel für Fahrdienste zu den Krankenhäusern und Ärzten.“

Nora Steen, Geschäftsführerin des Christian Jensen Kollegs, macht deutlich: „Natürlich können wir nichts gegen die politischen Entscheidungen auf Bundesebene tun. Dennoch ist es uns wichtig, klar zu sagen: Unsere Türen in Nordfriesland stehen offen! Und dies ganz konkret und erfahrungsgesättigt. Die seit 2016 gewachsene Struktur ist vorhanden und könnte sofort greifen.“ Ihr Kollege Stefan Schütt, ebenfalls Geschäftsführer des Christian Jensen Kollegs, ergänzt: „Das Zusammenspiel zwischen Christian Jensen Kolleg, der Diakonie, dem Kreis Nordfriesland und den Ehrenamtlichen ist erprobt und funktioniert sehr gut.“ Was aus den Erfahrungen der Vergangenheit vor allem zu lernen ist: Die Familienstrukturen müssen von Anfang an mitbedacht werden. Von Hoerschelmann: „Es war schlimm, dass die Familien nicht zueinander finden konnten, weil das gesetzlich in Deutschland nicht möglich war.“

In allem wird deutlich: Das Breklumer Team ist sich der Herausforderung bewusst. Dennoch gilt, so Schümann: „Wir dürfen nicht auf eine gesamteuropäische Lösung warten. Wir müssen erst einmal vor der eigenen Haustür kehren. Warten hilft nicht!“ Und Matthias Tolsdorf, Referent für Bildungsarbeit im Zentrum für Mission und Ökumene, das Eigentümer des zurzeit leer stehenden Hauses ist, betont: „Wir müssen schnell handeln. Durch die lange Zeit in den griechischen Flüchtlingslagern wird diese Traumatisierung natürlich verstärkt und es ist wichtig, die Menschen schnell aus dieser Situation rauszuholen.“ Und Nora Steen ergänzt: „Es ist mit dem europäischen Gedanken nicht vereinbar, Griechenland mit dieser Flüchtlingstragödie allein zu lassen. Wir stehen bereit, um auch kurzfristig zu helfen.“

Kontakt und weitere Informationen bei: Nora Steen,