Schlaflose Nächte und ereignisreiche Tage

Donnerstag, der 10. Oktober. Um 7 Uhr beginnt an unserer Schule das Event „Intramurals“. Dies ist ein Wettbewerb, worauf sich wochenlang vorbereitet und dafür der Unterricht maßlos missachtet wurde. Doch ohne uns. An eben diesem Morgen geht es für uns zurück nach Manila für unser Visum. Das Flugticket bekamen wir, wie immer, erst am Tag zuvor und somit war alles recht spontan. Ein Fahrer sollte uns morgens um 06:30 Uhr zum Flughafen fahren. Da wir nur Handgepäck hatten und bereits online eingecheckt waren, sollte dies an Zeit ausreichen. Dachten wir. Schließlich hatte ich bei unserer Nanay extra stark betont, dass wir wirklich um 06:30 Uhr und nicht erst zur Filipino-Zeit los müssten. Naja, wie du dir schon denken kannst, kam der Fahrer zu spät. Um einiges zu spät. Gegen 07:10 Uhr stiegen wir panisch in den weißen Flitzer und hofften, dass wir ohne Stau durchkommen würden. Laut Google Maps fährt man 1 Stunde und 16 Minuten. Boarding war übrigens um 08:20 Uhr. Gedanklich sah ich schon vor mir, wie uns bei der Sicherheitskontrolle gesagt wird, dass es bereits zu spät sei. Doch da habe ich die Rechnung ohne unseren Fahrer gemacht. Dieser schien ordentlich auf die Tube zu drücken und bretterte wortwörtlich über die Straßen. Ich schaute recht sparsam, als ich das 40er Schild aus dem Seitenwinkel erkannte und unser Tachometer rund 110km/h anzeigte. Wenigstens holten wir eine gute Menge an Zeit auf und laut GoogleMaps hatten wir genau eine Minute für 2 Sicherheitskontrollen und das Hetzen durch den Flughafen.

Letzten Endes kamen wir um 08:22 Uhr an unserem Gate an (Gott sei Dank ohne Probleme bei den Kontrollen… Gut, dass ich mittlerweile keinen Regenschirm mehr besitze, den ich fälschlicherweise mitnehmen hätte können). Es blieben sogar noch rund 5 Minuten, in denen wir Platz nehmen durften, bevor das Boarding dann startete. Nach diesem ganzen Wirbel war ich heilfroh, mich endlich auf dem Sitz im Flieger niederzulassen.

Nachdem wir unser Visum erfolgreich verlängert haben, war erstmal warten angesagt. Der offiziell nächste Termin sollte erst in 5 Tagen sein und bis dahin mussten wir uns irgendwie die Zeit vertreiben. Dies taten wir zum Beispiel in Form eines Konzertes. Unser Pastor Chris ist Mitglied einer Band und am Abend würden sie in einer Bar ihre Songs zum Besten geben. Das haben wir uns nicht zweimal sagen lassen. Schließlich haben wir eben diese Band schon einmal live gesehen und waren begeistert. Auch, wenn ich den Text absolut nicht verstehe, wurde mir die jeweilige Message der Lieder erklärt und einen Ohrwurm der fesselnden Songs nahm ich auch gerne in Kauf. Gesagt getan: Nach einer langen Autofahrt aufgrund des Verkehrs in Manila, saßen wir endlich in einer typischen Kneipe. Sie war klein und gemütlich rustikal. Die Menschen waren gut gelaunt und ließen die Korken knallen. Nach einigen motivierenden, politischen Reden gegen die Regierung, begann dann endlich das eigentliche Konzert. Plötzlich stürmten Menschenmassen in den eigentlich relativ kleinen Raum (mag an der Musik oder auch am prasslenden Regen gelegen haben). Nun saßen wir da, lauschten der Musik, konnten aber absolut nichts sehen, da zu viele Menschen vor uns standen. Desto später es wurde, desto ausgelassener wurde die Stimmung. Es kam ein (eventuell nur ganz leicht angetrunkener) Mann auf uns zu und rief: „Hey Girls! Where are you from?“. Nachdem wir erklärten, was unser Heimatland sei, fing er plötzlich an, auf deutsch zu sprechen. Etwas erschrocken habe ich mich da schon. Seit zirka 5 Jahren lebt Christoph aus Mannheim nun schon hier aufgrund seiner großen Liebe zu einer Filipina. Und Geld kann man hier anscheinend auch nicht schlecht verdienen.

Um unsere Zeit anderweitig zu vertreiben, gingen wir in eine der vielen Malls von Manila. Robinson’s ist 5-stöckig und extrem unübersichtlich (wobei das noch untertrieben ist). Auf einem Monitor am Eingang kann man alle möglichen Geschäfte sehen und sich den Weg zeigen lassen. Trotz dessen ist es uns nur über viele Umwege gelungen, besagte Geschäfte auch aufzufinden. Man fühlt sich etwas wie bei Ikea. So richtig brauchen tut man nichts, verlaufen steht auf der Tagesordnung und trotzdem kommt man am Ende mit Dingen nach Hause, die man gar nicht gesucht hat. Beispielsweise schaute ich ursprünglich nach Halsschmerztabletten und verließ die Mall am Ende mit einem neuen Aufladekabel (Frag mich nicht, wie ich von der Apotheke zum Technik-Geschäft kam).

An einem weiteren Tag trafen wir uns mit zwei deutschen Freiwilligen, die ebenso mit der Organisation „weltwärts“ unterwegs sind. Zusammen schauten wir uns die bekannteste (und absolut größte, die ich jemals gesehen habe) Mall und auch den Sonnenuntergang an.

Es ist sehr interessant, die anderen Einsatzstellen kennenzulernen und zu erfahren, wie anders man dasselbe Land wahrnehmen kann.

Am Morgen des 17. Oktobers begann dann das „YIFI-golden-anniversary-celebration-Camp“. Die Kurzfassung: Vor 50 Jahren wurde in der Iglesia Filipina Independiente die Jugend offiziell als ein eigener Teil der Kirche anerkannt. Alle, nicht verheirateten, Männer und Frauen zwischen dem Alter von 13 und 35 gehören hierzu. Und dies sollte mit den Leitern der jeweiligen Bereiche (Die Philippinen sind in 49 eingeteilt) und einigen anderen Teilnehmern gefeiert werden. Alles in Allem waren wir zirka 200 Teilnehmer.

Aber für diejenigen, die auch nochmal die ungekürzte Version des Ablaufs erfahren möchten, werde ich es nochmal etwas detailreicher erzählen (hätte ich sowieso gemacht, machen wir uns nichts vor). Zusammen mit den Teilnehmern aus Schweden, die in unserem Alter sind und einigen Mitgliedern der YIFI reisten wir morgens gegen 9 Uhr mit einem Bus von Manila nach Laguna. Die Fahrt dauerte zirka 3,5 Stunden. Durch die vergangenen Tage und der trockenen Luft der Klimaanlage im Zimmer litt ich bereits unter ein wenig Schlafmangel. Im Bus war jedoch keine Zeit für ein Nickerchen, da die Schweden & Schwedinnen viel zu spannende Geschichten zu erzählen hatten. Außerdem kann man bei den holprigen Landstraßen sowieso nicht ohne Kopfverletzungen schlafen.

Angekommen gab es dann endlos viele neue Gesichter, hunderte von Selfies und ganz viele Namen, von denen ich 95% wieder vergessen habe. Beim Eröffnungsgottesdienst sind wir alle beinahe eingeschlafen. Nur zwischendurch, wenn man dann wieder aufstehen oder sich hinknien musste, meldete sich der Kreislauf und dann war die Müdigkeit nicht mehr das größte Problem. Am Ende durfte ich zum ersten Mal eine Gabe nach vorne tragen und wurde danach noch gesegnet. Das war eine schöne Erfahrung.

In der Nacht (die übrigens viel zu kurz war) schliefen wir alle in getrennten Räumen. Der Veranstaltungsort war eine Schule und somit teilten sich die verschiedenen Regionen in männlich und weiblich in die Räume auf. Wir schliefen bei unserer Region „Visayas female“. Zusammen legten wir uns auf ein dünne Matten auf den Boden.

Gemütlich, oder?

Dass wir selber ein Kissen und eine Decke mitnehmen sollten, hatte uns leider niemand gesagt. Glücklicherweise habe ich aber immer mein kleines, selbstgenähtes Kissen einer Freundin, meinen großen Schal für kalte Autofahrten und außerdem mein Schlafsack-inlet dabei. Zudem bekamen wir noch eine große Stoffdecke. Somit müsste ich theoretisch für die Nächte gewappnet sein. Leider war es aber so bitterkalt in der Nacht, dass ich beinahe kein Auge zumachen konnte. Liegen ging sowieso nur auf dem Rücken, da der Boden für alles andere zu hart war. Da wir um 23:30 Uhr ins Bett gingen und um 4:30 Uhr schon das große Wecken begann, hätte ich aber in einem, mir bekannten, Bett und bei den Temperaturen der zwei Klimaanlagen wohl auch nicht viel mehr Schlaf bekommen.

Nun gut. Augen auf und durch. Auf dem Weg zu den Toiletten sah ich bereits, wie einige Zumba auf der Bühne tanzten. Verrückt. Kopfschüttelnd und doch etwas neidisch auf eine so grandiose Stimmung am Morgen, schlenderte ich weiter zu den Toiletten. Zu meiner Enttäuschung waren alle einzelnen Räume mit Toilette und Dusche besetzt. Weit und breit war nur die Sammeltoilette der Männer zu sehen. Da keiner drinnen war, fackelte ich nicht lange und watschelte hinein. Der Zustand einer Schultoilette ist nicht gerade das angenehmste oder hygienischste, was ich mir vorstellen kann. Nun weiß ich auch, warum wir an unserer Schule in Valladolid nur auf die Lehrertoilette gehen sollen und die andere als „unsafe“ bezeichnet wird. Naja, ich entschied mich, es auf das Umziehen meiner Klamotten zu beschränken. Leider haben die Kabinen aber keinerlei Türen, sondern nur 3 Aussenwände, die eine Höhe bis zu meiner Schulter haben und ich mit dem Kopf drüber schauen konnte. Schnell begann ich, die Kleidung zu wechseln und schaute immer wieder paranoid über die Mauer. Ein guter Freund läuft vorbei, lächelt erst und grüßt dann recht verwirrt. Mit einem verlegenen Lächeln winke ich zurück und gehe endlich wieder hinaus ins Freie. Nach einigen Stunden fiel mir übrigens auf, dass nur 5 Meter weiter eine Damentoilette mit Türen vor den Kabinen gewesen wäre. Naja, witzig war es trotzdem.

Das Programm war hauptsächlich in Tagalog. Nur zwischendurch verstand man entweder einzelne Vokabeln oder Wörter auf Englisch. Dadurch hatte man das Gefühl, zu verstehen, was denn nun das Hauptthema sei. Ansonsten war viel sitzen angesagt mit einigen Icebreakern und Energizern zwischendurch. Es gab reichlich viele Mahlzeiten, die man sich allerdings nur in der Kantine holen durfte, insofern man denn auch den Essensschein dabei hatte. Zu Beginn scherzte ich darüber, dass es sowohl einen Vormittags- als auch Nachmittagssnack zusätzlich zu den 3 Mahlzeiten gab und wo denn der Mitternachtssnack bleibe. Wenn man vom Teufel spricht: An 2 Tagen gab es tatsächlich noch eine Kleinigkeit um pünktlich 0 Uhr zu essen. Etwas unüblich bestanden die Snacks aber nicht aus Reis, sowie alle anderen Gerichte. Meist gab es jedoch einen Saft + eine kleine Packung Kekse. Dies hatte man sich nach einem absolut vollen Tagesablauf aber auch verdient. Neben den vielen Reden und Diskussionen war auch Zeit für Auftritte der einzelnen Regionen oder anderweitige Aktivitäten.

Ebenso erinnere ich mich vor allem an ein nächtliches Erlebnis gerne zurück. Es schien ganz so, als hätte sich das viele „please introduce yourself“, „please come in front“, … ein wenig in mein Unterbewusstsein verankert. Zumindest träumte ich mitten in der Nacht davon, dass Lone und ich doch bitte auf die Bühne kommen sollen. Gesagt getan: Samt Schlafsack (!) stand ich anscheinend während des Schlafes auf, lief durch den Raum und blieb vor der Tür stehen. Nun stand ich da auf der „Bühne“ und wusste nicht, wie ich wieder aus der Situation heraus kommen sollte. Ich versuchte, die Tür zu öffnen, in dem ich mich dagegenlehnte und hoffnungslos mit den Händen gegen die Tür drückte. Irgendwie funktionierte es aber nicht und so „wachte“ ich endlich auf. Halbwegs. Irgendwie dachte ich immernoch, es sei real, aber wenigstens war ich nun teilweise wach. Die Tür nach draußen war (ein Glück!) abgeschlossen und somit war es mir nicht möglich, herauszuwandern. Ich fragte mich, wie Lone eigentlich von der „Bühne“ gekommen sei. Etwas verwirrt schaute ich durch den Raum und sah (mehr oder weniger, es war doch recht dunkel), wie zirka 10 Personen im Raum verteilt schliefen. Plötzlich war ich beschämt. Haben diese Leute mich beobachtet, wie ich nichtmal eine Tür öffnen kann? Wie komme ich unbemerkt von der „Bühne“? Völlig überfordert ließ ich mich zu Boden fallen und hockte nun für unbestimmte Zeit in einer Ecke. Als ich dann letztendlich tatsächlich aufwachte, lief ich verwirrt zurück zu meinem Schlafplatz, wobei ich beinahe hinfiel, da ich ja den Schlafsack noch um meine Füße gewickelt hatte. Naja, das Witzigste war eigentlich, dass ich am nächsten Tag erfuhr, jeder Raum sei mit einer Kamera ausgestattet. Vermutlich war es zu dunkel, aber ich warte immernoch auf das Videomaterial.

Zusammenfassend fühlte sich das Camp ein wenig wie ein Pfadfinderlager an. Wenig Schlaf, viel zutun, es wird gemeinsam gegessen, auf engem Raum geschlafen, man wächst zusammen und alle benutzen eher unübliche Toiletten.

Mit einem lachenden und einem weinendnen Auge verließen wir das Gelände der Schule am letzten Tag. Es ging mit dem Bus zurück nach Manila, wo wir wieder einige Nächte bleiben würden. Zusammen mit den Freiwilligen aus Schweden schliefen wir in einem Hotel und erkundeten die Mall immermehr. Mittlerweile weiß ich wenigstens, wo es welches Essen gibt. Und das ist doch schonmal die Hauptsache. Außerdem haben wir endlich das Visum beantragt. Denn immer wieder das Touristenvisum verlängern geht natürlich nicht.

Den letzten Abend in Manila ließen wir gemütlich auf einem „Oktoberfest“ ausklingen.

Dann ging es endlich zurück in unser geliebtes Zuhause zurück. Nach 2 Wochen in der Großstadt Manila vermisste ich unser Haus, die Ruhe, das Krähen unseres Hahnes, die Geckos in der Küche, das Meer vor der Tür, die Berge, die frische Luft und vor allem natürlich die Menschen.

Nun sind wir seit einer Woche wieder zurück und waren trotzdem noch nicht in der Schule, da gerade eine Woche frei gewesen ist. Trotzdem haben wir einiges erlebt: Auf den letzten Drücker konnten wir noch das Masskara-Festival in Bacolod begutachten, einige schöne Sonnenuntergänge erleben, uns beim Halloween-Event gruseln und eine Tour durch Bacolod machen.

Auch einfach mal Touri sein.
Dieses Kostüm in Kombination mit einer Vorstellung gewann den 2. Platz.

Zu meinem Erstaunen schrieben mir innerhalb der letzten 3 Wochen relativ viele meiner Schüler, dass sie mich vermissen und ich doch bitte nochmal zurück auf die Philippinen kommen solle. Etwas verwirrt erzählte ich es einem Lehrer, der auch viel mit uns in der Freizeit unternimmt. Wie sich herausstellte, hat sich dieser einen „Spaß“ erlaubt und den Schülern erzählt, wir seien zurück in Deutschland. Irgendwie taten mir die Schüler dann etwas Leid. Naja, ich klärte es auf jeden Fall immer auf und morgen beginnt ja endlich die Schule wieder und somit auch mein lang ersehnter Alltag.

Leave a Comment: