Über „How are you my Dear?“ und das Haus der Liebe

Mit Karibu Zanzibar (Willkommen auf Sansibar) werden die ankommenden Menschen am Hafen begrüßt.

Bevor ich anfange über meine Einsatzstelle zu sprechen, möchte ich mich kurz bei Euch vorstellen. Ich heiße Leonie, bin zwanzig Jahre alt und wohne in Kiel. Meinen Freiwilligendienst/ Lerndienst habe ich auf Sansibar absolviert. Dort habe ich mich immer mit Leo, meinem Spitznamen, vorgestellt. Dies hat häufig in einem großen Gelächter geendet. Leo heißt auf Kiswahili „Heute“. Habe ich also gesagt, dass ich „Heute“ heiße, kam meistens prompt die Antwort: „Haha, und ich heiße Jana (Gestern).“ Irgendwann habe ich mich auf diesen Konversationsanfang schon eingestellt, meine Reaktion war bereits eingespielt und bin dann einfach mit eingestiegen. Stand noch eine weitere Person mit uns im Gesprächskreis war dann meine Antwort: „Und diese Person heißt Kesho (Morgen). Ach, und Kesho kutwa (Übermorgen) kommt gleich noch.“

Sansibar besteht aus zwei Inseln, die zu Tansania gehören. Die eine heißt Pemba und die andere Unguja, auf der Letztern habe ich mich befunden.

Zusammen mit Jenny und Sasia habe ich die ersten Monate auf dem Kirchencampus der lutherischen Gemeinde in Mwanakwerekwe gewohnt. Die Kirche ist etwa eine zwanzigminütige Daladala-Fahrt von Stonetown entfernt. Das Daladala ist ein Kleinbus, der dann losfährt, wenn er voll ist. Ich schätze, dass das Daladala das primäre Fortbewegungsmittel auf Sansibar ist. Auf dem Kirchencampus befinden sich 5 Gästezimmer, die zur Vermietung stehen. Jede von uns hatte ein Zimmer. Zudem stand uns eine Küche zur Verfügung. Ende Dezember sind Jenny und ich jedoch nach Stonetown in eine Wohnung im Upendo House gezogen.

Umzug von der Kirche nach Stonetown.

Und jetzt zu meiner Einsatzstelle:

Kann eine Einsatzstelle mehr sein als ein Ort, zu dem man an jedem Wochentag zum Arbeiten kommt? Kann eine Einsatzstelle ein Stück Zuhause werden? Können die KollegInnen zu FreundInnen oder auch MentorInnen werden? Eine Einsatzstelle kann ganz viel sein. Sie kann einem viel Freude bringen, einen zum Nachdenken anregen oder an manchen Tagen auch traurig machen. Aber vor allem kann man ganz viel dazu lernen. Meine Einsatzstellen waren für mich persönlich viel mehr als nur Orte bzw. Gebäude.

Meine örtliche Einsatzstelle war in zwei Bereiche aufgeteilt. An vier Tagen in der Woche war ich vormittags in einem interreligiösen Kindergarten in Kisauni beschäftigt. Die Montage habe ich dann im Upendo (interreligiöses Frauennähprojekt) in der Nähschule und auch im Shop gearbeitet.

Upendo Kwanza/ Martin Luther English Medium School.

Die Martin Luther English Medium School ist eine Schule der lutherischen Kirche auf Sansibar. Die Schule, die sich in Kisauni befindet, zeichnet sich dadurch aus, dass sie interkulturell ist. Der Großteil der Bevölkerung auf Sansibar besteht aus Muslimen (etwa 90 Prozent). Kinder aller Religionen sind in dieser Schule willkommen. Der Kindergarten bzw. die Schule bietet die Chance, dass Kinder verschiedener Religionen miteinander in Kontakt kommen und mit- und voneinander lernen. Aktuell wird die Schule von etwa 45 Kindern im Alter zwischen 2 und 7 Jahren besucht. Der Großteil der Kinder gehört christlichen Familien an. Insgesamt gibt es 4 verschiedene Klassen, die in verschiedene Altersstufen eingeteilt sind. In der Schule arbeiten drei Lehrerinnen, eine Matron (Köchin, Putzkraft), ein Wächter/ Gärtner/ Hausmeister und ein Schulbusfahrer.

Die letzten Monate habe ich zum Teil alleine und z.T. mit Sasia bzw. Teacher Arafa die Baby Class unterrichtet. In diese Klasse gingen die Jüngsten im Alter von 2 bis 4 Jahren. Es ist mir zunächst nicht immer leicht gefallen, die Kinder eigenständig zu unterrichten. Auch waren mir die Erziehungsmaßnahmen teilweise fremd. Gerade zu Beginn meiner Zeit im Kindergarten hat mich dies sehr aufgewühlt. Doch konnte ich mich nach und nach daran gewöhnen, bin aber meinen eigenen Prinzipien treu geblieben. Es hat mich sehr gefreut, als ich die Klasse nicht mehr alleine unterrichten musste. Für mich und ich denke auch für die Kinder ist dies ein Gewinn gewesen. Davor hatte ich das Gefühl, dass ich den SchülerInnen nicht ganz gerecht werden konnte, da ich keine ausgebildete Lehrerin bin.

Der Tagesablauf im Kindergarten sah in etwa so aus:

Wenn die Kinder morgens in den Kindergarten kommen, spielen sie zunächst eine Runde im Garten. Danach geht es in eine Parade über, die von Tag zu Tag unterschiedlich sein kann. Dort stellen sich die Kinder in Reihen auf und singen Lieder, sagen Zahlen oder das Alphabet auf. Die Lehrerinnen stellen ihnen Fragen, die diese dann beantworten u.a. „Wie heißt du?“ oder auch „Nenne Dinge mit denen man die Umwelt reinigen kann!“ Nach der Parade geht jedes der Kinder nochmal auf die Toilette.

Das Klassenzimmer der Baby Class.

In den jeweiligen Klassen startet dann der Unterricht. Der Unterricht findet auf Englisch statt. Zum Verständnis wird zwischendurch auch Kiswahili gesprochen. Es wird immer tagesspezifisch unterrichtet. In der Baby Class wird in der ersten Hälfte Englisch, Zahlen und Kunst unterrichtet. In der zweiten Hälfte wird dann Kunst und Basteln unterrichtet oder Persönlichkeit und Sport.

Zwischen der ersten und zweiten Unterrichtsstunde gibt es eine Frühstückspause. In dieser Pause bekommt jedes Kind einen Becher mit Porridge. Ein Teil der Kinder bringt auch etwas eigenes von Zuhause mit. Auch die Lehrerinnen und ich haben dann immer zusammen Tee getrunken und eine Kleinigkeit gegessen.

Die Schuhe der Baby Class.

Danach geht es manchmal noch in den Garten zum Spielen bzw. zurück in den Unterricht. Zum Abschluss des Tages werden dann noch die Hausaufgaben verteilt.

Jeden Montag habe ich im Upendo in Stonetown gearbeitet. Ab Ende Dezember war ich dann jeden Tag bei Upendo, da ich und Jenny in eine Wohnung in das Upendo House gezogen sind und ich viel Freude daran hatte, die MitarbeiterInnen beim Verkauf zu unterstützen und die Gemeinschaft mitzuerleben.

Beim Eingang des Shops, auf dessen Treppe ich viel Zeit verbracht habe.

In dem Upendo House befindet sich zum einen das Upendo – means love und zum anderen Zanzic. Zanzic ist das Zanzibar interfaith center. Zum einen führen sie Projekte durch, welche Frieden bilden bzw. unterstützen und zu Dialogen zwischen Religionen führen sollen. Zum anderen bieten sie einen Diplom Kurs in interkulturellen Beziehungen an sowie Jugendarbeit. Upendo – means love ist ein interreligiöses Frauenprojekt. Dieses Frauenprojekt besteht aus einer Nähschule, einem Workshop und einem Shop. In dem Workshop nähen die Frauen die Kleidung, welche sie dann im Shop verkaufen. Einige der Frauen, die im Workshop bzw. auch Shop arbeiten gehören noch zu den ersten Upendo Frauen, die selber Mitte der 2000er in der Nähschule nähen gelernt haben.

Im Shop von Upendo – means love.

Die Nähschule besteht aus drei verschiedene Klassen, die von zwei Lehrerinnen unterrichtet werden. Der Anfängerkurs ist Level 1, der fortgeschrittenen Kurs Level 2 und dann gibt es noch den Kurs, wo man Sticken lernt. Eine Klasse wird etwa von 20 Schülerinnen, im Alter von 13 bis 40 Jahren, besucht.

Im Upendo habe ich Englischunterricht für die Schülerinnen des Level 1 Kurses (eine Vormittags- und eine Nachmittagsklasse) gegeben. Der Englischunterricht ging immer eine Stunde und wurde von der Lehrerin der Level 1 begleitet, die zur Verständigung auch übersetzt hat.

Englischunterricht in der Nähschule.

Der Englischunterricht war dazu da, um die Frauen und Mädchen zur Selbstbestimmung zu befähigen und ihr Selbstbewusstsein zu fördern. Auf diese Weise lernen sie auch mit internationalen Kunden zu kommunizieren (auf Sansibar spielt der Tourismus eine große Rolle) bzw. bekommen die Chance, mit der englischen Sprache in Kontakt zukommen. Ab und zu habe ich die Schülerinnen gefragt, was sie gerne im Englischunterricht lernen bzw. machen möchten. Ein Wunsch der Schülerinnen war immer das Üben auf Englisch zusprechen. Vor allem hatten die Frauen und Mädchen jedoch Spaß an den Spielen, die wir gemeinsam gespielt haben oder das gemeinsame Tanzen zu den Liedern in den Charts (Hört doch mal bei Yo Pe oder Baba Lao rein).

Einige der Schülerinnen haben nur für eine kurze Zeit die Schule besucht, andere länger, aber keinen Schulabschluss, wieder andere haben einen Schulabschluss und auch gab es wenige Analphabetinnen, die nie die Schule besucht haben. Auf Sansibar bzw. in Tansania müssen die Familien der meisten SchülerInnen für die Bildung ihrer Kinder bezahlen. Dies ist nicht allen möglich, manchmal wird auch unter den Kindern abgewogen, welches Kind weiter zur Schule gehen darf und welches nicht.

Die Nachmittage habe ich gerne zusammen mit der Shopleiterin und Jenny im Laden von Upendo verbracht. So bin ich zu meiner Anfangszeit auch häufig außerhalb meiner Arbeitszeiten zum Upendo gegangen, weil ich die Atmosphäre so sehr genossen habe.

Beim Kontrollieren und Sortieren der fertiggestellten Kleidungungsstücke.

Kann eine Einsatzstelle mehr als nur ein Ort oder Gebäude sein? Für mich definitiv ein „Ja!“. Ich bin immer gerne zum Kindergarten gegangen. Die Freude der Kinder wurde zu meiner Freude. Und ja man kann Lieblingskinder haben. Auch die Lehrerinnen und die Matron habe ich in mein Herzen geschlossen. Das „How are you my Dear?“ von Maria, das Rufen einiger Kinder „Teacher Leo! Teacher Leo!“ oder die ein oder andere Umarmung am Morgen konnte mir immer ein Lächeln auf die Lippen zaubern. Das Upendo und die MitarbeiterInnen sind für mich wie zu einer zweiten Familie geworden. Das Upendo wurde für mich zu einem Ort des Wohlfühlens und der puren Freude. Ich habe mich immer gefreut zu Upendo zu kommen und dann auch dort zu wohnen, war für mich ein totaler Gewinn. Upendo – means love ist genau das, was das Frauenprojekt für mich wieder gespiegelt hat. Ein Haus der Liebe mit noch lieberen Menschen.

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