Überschwemmung

Alltag im Klimawandel

Vor ein paar Tagen habe ich meinen üblichen Weg von der Arbeit nach Hause angetreten. Ich bin an dem Tag etwas länger geblieben, bzw. musste länger bleiben, da es wie aus Eimern geschüttet hat. Eigentlich keine Besonderheit in der Regenzeit. Da es aber nicht aufgehört hat, bin ich irgendwann trotzdem zur Bushaltestelle gegangen, in den nächsten Dalla Dalla gestiegen und in Richtung Nyakato gefahren, wo ich wohne. 

Wir waren noch gar nicht weit gekommen, da hält der Bus plötzlich an. Der ganze Verkehr kommt zuerst ins Stocken und dann zum gänzlichen Stillstand. Ich – kein Wort Suaheli verstanden – mache in meiner Ahnungslosigkeit einfach genau das, was die anderen Fahrgäste auch machen. Und so steigen wir alle aus und versuchen die Ursache für den ungeplanten Zwischenstopp zu erkennen. Etwas weiter vorne hat sich eine große Menschenmenge gebildet. Auch ich sehe, was uns die Weiterfahrt in diesem Moment unmöglich macht: Kein Verkehrsunfall, sondern der Fluss, der eigentlich unter der Brücke verlaufen sollte, versperrt nun die Straße. Sogar meine Füße stehen bereits im 10 cm hohen Wasser. Sie waren aber auch schon zuvor komplett durchnässt. 

Mehr wegen des Ausblicks flüchte ich, wie viele andere, auf die Fußgängerbrücke, die über die Straße führt. Von hier aus kann ich das Ausmaß der Überschwemmung erstmals erfassen. Nicht nur die Straße, sondern der ganze Wohnblock, der an das normalerweise seichte Gewässer grenzt, ist überflutet. Weil auch in den Häusern hüfthohes Wasser steht, sind einige der Anwohner:innen auf ihre Dächer geflüchtet. 

Mich verwundert, dass alle anderen Betroffenen und Schaulustigen die ganze Situation gar nicht so außergewöhnlich finden wie ich. Anscheinend tritt der Fluss hier öfter übers Ufer. Äußerst beunruhigend und schockierend, wenn man bedenkt, dass die große Mehrheit der tansanischen Bevölkerung nicht schwimmen kann. Während ich lediglich eine nervige Verzögerung habe, sind  Anwohner:innen regelmäßig mit dieser Lebensgefahr und Zerstörung der Wohnungen und sowieso schon fragilen Infrastruktur konfrontiert.

Während ich immer noch so dastehe und still beobachte, was die Wassermassen mit sich reißen, sagt ein Mann zu mir:

„Welcome to Tanzania. This is Tanzania.“

Ich bin mir nicht sicher, ob er das vorwurfsvoll, sarkastisch oder entschuldigend meint. Vielleicht schwingt auch alles in dieser Aussage mit? Ich fühle mich jedenfalls schuldig. 

In der Vorbereitung auf meinen Freiwilligendienst habe ich viel über die Auswirkungen des Klimawandels auf Tansanias Wirtschaft und Bevölkerung gelesen. Fakt ist, dass, während der globale Norden maßgeblich an der Erderwärmung beteiligt ist, nicht alle Menschen die Folgen des globalen Klimawandels gleich zu spüren bekommen. Überspitzt gesagt: Während in Deutschland das Wetter besser wird, zerstören die klimatischen Veränderungen in Tansania durch längere Dürreperioden sowie Starkregen und Überschwemmungen die Ernten. Da mehr als drei Viertel der erwerbstätigen Tansanier:innen im landwirtschaftlichen Sektor arbeiten, ist ihre Existenz durch Extremwetter wie Überschwemmungen gefährdet. 

Für mich war es sehr eindrücklich, bereits diesen kleinen Ausschnitt des Klimawandels zu sehen. Ich hatte das Bedürfnis, Euch diese Lebensrealität aus Mwanza vor Augen zu führen, und zu erzählen, mit welcher Machtlosigkeit die Flut, fast wie etwas Alltägliches, abgewartet wurde. 

Aber den globalen Klimawandel können wir nicht aussitzen.

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