unterwegs #1

Es ist Halbzeit. Ja, tatsächlich ist die erste Hälfte meines Freiwilligendienstes vorüber und diese Halbzeit ist wie ein tiefer Schnitt in der sonst so alltäglich kreisenden Zeit. Es ist nicht nur ein Tag, den man sich an Hand von Flugdaten errechnen könnte, sondern für mich etwas ganz Konkretes: das Ende des ersten Schulsemesters. Damit einher gehen für mich beinahe zwei Monate Ferien, das Zwischenseminar von weltwärts und natürlich steht hier das Chinesische Neujahr an.

Das Seminar fand in 南宁 Nánníng, ganz im Süden von China statt. Auf dem langen Weg dorthin haben Luise, eine weitere Mitfreiwillige und ich einige Tage in der berühmten Stadt 西安 Xī’ān verbracht. Fast 19 Stunden sind wir von zuhause dorthin mit dem Zug gefahren – es war nur der kleinere Teil der gesamten Reisestrecke zum Seminar. Der Zwischenstop hat sich nicht nur zum Beine vertreten und frische Luft atmen gelohnt. Neben dem obligatorischen Besuch bei der Terrakotta-Armee haben wir uns die Stadt innerhalb der historischen Stadtmauer erlaufen, den Stadtkern auf eben dieser Mauer umrundet und dabei einen kleinen, und doch in sich schon so vielfältigen Teil der Millionenstadt erkundet. 西安 Xī’ān hat uns mit Smog begrüßt – die Luftqualität laut meiner Wetterapp schwankte zwischen „gefährlich“ und „ungesund“, doch nach zwei Tagen kam dann sogar noch die Sonne hervor. Wir haben uns in den Trubel des Nachtmarktes im muslimischen Viertel hineinziehen lassen, die endlosen Mega-Shoppingcenter bestaunt, einen buddhistischen Tempel mit vergoldeten Dächern und dampfenden Brunnen im Toilettenhaus sowie eine Moschee im chinesischen Stil besucht, mehr Ausländer*innen gesehen als im ganzen letzten Jahr und zwischendurch sind wir in kleine (Sack-)Gassen mit überraschender Straßenkunst gestolpert. Die Ausmaße der Stadt sind mir unbegreiflich geblieben, ich habe nie einen Anfang oder ein Ende gesehen. Und trotz der vollen Metro, Gesichtserkennung zur Toilettenpapierausgabe, Starbucks an jeder zweiten Straßenkreuzung und hypermodernen Luxussupermärkten habe ich in den engen Straßen der Altstadt, unter knorrigen Bäumen, zwischen den bunten Vorbereitungen für das Laternenfest, auf die geschwungenen Dächer blickend und in familiären Restaurants auch viel Gemütlichkeit und Charme erlebt.

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