Uruguay – ein kleines Land voller Überraschungen

Wir sitzen im – äußerst komfortablen – Autobus, es ist halb zwei Uhr morgens und wir haben gerade die uruguayische Grenze problemlos passiert. Jetzt ist es nicht mehr weit zu unserem Wohnort für das nächste Jahr. Meine Mitfreiwillige und ich zücken überrascht unsere Handys, um ein Foto zu machen, als schon einige Minuten nach der Grenze ein großes Ortsschild auftaucht:

Ankommen in der Stadt Mercedes

Und dass ich so pünktlich in meinem Einsatzort ankommen würde, das stand zwischenzeitlich auf Messers Schneide. Es kam nämlich dazwischen, was in den letzten zwei Jahren bei so Vielem dazwischenkam: Corona. Ein positiver Covidtest am Tag des Abflugs machte diesen leider unmöglich. Ich war also zwei Wochen in Quarantäne gewesen und dann zum Seminar in Buenos Aires nachgeflogen. Durch die super Betreuung durch das ZMÖ konnten die Flüge verlegt, die Dokumente verändert und die Einreise neu geregelt werden.

Und damit sind wir schon wieder in Mercedes und bei einer Konstanten durch meinen bisherigen Freiwilligendienst: Egal ob durch das ZMÖ in Deutschland, die Partnerorganisation IERP in Lateinamerika oder die Mentorinnen vor Ort, wir wurden immer hervorragend begleitet. So wurden wir nett am Busbahnhof empfangen und haben in den nächsten Tagen mit den Mentorinnen die Stadt mit ihren Möglichkeiten und die Einsatzstellen in einem sinnvoll organisierten Programm kennengelernt, das von vielen Jahren der Erfahrung mit Freiwilligen zeugte.

Wir, das sind übrigens ich und meine Mitfreiwillige Elisabeth. Wir wohnen gemeinsam, kommen aber von unterschiedlichen Entsendeorganisationen und Programmen und arbeiten in unterschiedlichen Einsatzstellen.

Mein neues Zuhause – die methodistische Kirche in Mercedes

Wir waren also in Mercedes angekommen, wurden zu unserer Unterkunft gebracht und fielen erstmal in unsere Betten. Wir wohnen in den Räumen der methodistischen Gemeinde in Mercedes direkt neben der Kirche und nahe am zentralen Platz. Als wir am nächsten morgen aufwachten, waren zwei Erkenntnisse gleich offensichtlich:

Der erste Morgen

Erstens war es laut. Über die Straße vor der Kirche fuhren Leute auf ihren Mofas zur Arbeit, die älteren Schüler:innen ließen die Motoren ihrer Zweiräder nochmal aufheulen, bevor sie an der nächsten Ecke an ihrer Schule zu Stehen kamen. Darüber hinaus fahren täglich private Lautsprecherwagen durch die Straßen, die Ansagen zu allen möglich Vorgängen in der Stadt machen: Das dieswöchige Theaterprogramm, den neuen Erlebnispark am Rand der Stadt, die derzeitigen Rabattangebote im Supermarkt. Allerdings sind die Lautsprecher nicht nur auf Autos, sondern auch auf Mofas und Fahrräder geschraubt, die, weil sie so langsam fahren, noch länger hörbar sind. So wird man pünktlich zu Schulbeginn zuverlässig geweckt.

Zweitens war es Ende August (noch) kalt. Da Uruguay auf der Südhalbkugel liegt, war gerade Spätwinter, weshalb nachts bis zu 0° waren. Die Kälte war auch im Zimmer gut zu spüren. Trotz der Kälte morgens wurde es mittags aber schon bis zu 27° warm. Und so kam es häufig zu der skurrilen Situation, dass ich mich morgens bei klirrender Kälte eincremte, um mittags keinen Sonnenbrand zu bekommen. Auch die Klamottenauswahl wird dadurch nicht erleichtert.

Essen

Mit der Organisation eines eigenen Haushalts kommt es zu dem, was zumindest ich als eine der größten Herausforderungen des Ausziehens wahrgenommen habe: Selbst kochen. Und das im Idealfall nach landestypischer Art und mit anderen Ressourcen als die, die man aus deutschen Supermärkten und Küchen gewohnt ist. So ist das uruguayische Essen klassischerweise relativ fleischlastig, das beliebte Grillbuffet „Asado“ ist dafür das beste Beispiel. Dies bietet sich allerdings nicht an, wenn man vegetarisch kochen will und so kommt es uns zu Gute, dass das Land auch eine ausgeprägte Kürbis- und Süßkartoffel-Tradition hat. Mit dieser Kombination lässt sich nämlich über Ofengemüse, Suppen und Pfannen eine breite Auswahl an Gerichten kochen.

Preise und Sicherheit

Uruguay wird gerne als die Schweiz Südamerikas bezeichnet, wozu es viele gute Gründe gibt. Es hat eine der höchsten Alphabetisierungsraten in Amerika, ist eine stabile Demokratie und hat äußerst niedrige Kriminalitätszahlen. Es gehört zu den wohlhabendsten Ländern Lateinamerikas. Dies führt auf der einen Seite dazu, dass man sich, gerade in einer Kleinstadt wie Mercedes, frei und ohne große Bedenken und mit einer gesunden, vorsichtigen Grundhaltung in allen Stadtteilen bewegen kann. Auf der anderen Seite haben aber z. B. Supermärkte mindestens deutsches Preisniveau. Milchprodukte, Gemüse und Hygieneprodukte liegen sogar deutlich darüber. Dafür gibt es aber auch hohe Hygienestandarts und hervorragend ausgestattete Läden.

Sprache

In Uruguay wird grundsätzlich Spanisch gesprochen. Die Sprache an sich trägt den Namen „Castellano“. Es gibt allerdings Besonderheiten des uruguayischen Spanischs. Es variiert nicht nur von dem, was in Spanien gesprochen wird, es gibt auch innerhalb Lateinamerikas Unterschiede. Dies führt dazu, dass man sich erstmal in die Eigenheiten des uruguayischen Spanischs einhören muss. Folglich merkte ich nach den ersten Wochen eine deutliche Verbesserung im eigenen Sprachverständnis. Dies wird auch dadurch befördert, dass Englisch nur sporadisch verbreitet ist, weshalb man keine Ausweichmöglichkeiten hat.

Die Arbeit

Was natürlich nicht fehlen darf, ist die Arbeit. Meine Einsatzstelle ist der Club de Niños San José Obrero. Im uruguayischen Schulsystem gibt es eine Vormittags- und eine Nachmittagsgruppe. Die Kinder, die jeweils nicht in der Schule sind, können in diesen Club kommen. Aufgrund der Lage des Clubs im sozial schwächeren Viertel der Stadt haben viele der Kinder besondere Familien- und Wohnsituationen. Deshalb arbeitet im Club neben Erzieherinnen und Lehrerinnen auch zusätzlich eine Psychologin. Es gibt täglich einen Workshop (Tanz-, Musik-, Sport- und Schwimmunterricht). Darüber hinaus gibt es Zeiten zum Spielen, zwei kleine Mahlzeiten sowie bei Bedarf Hausaufgabenhilfe. Dabei begleite ich die Kinder und unterstütze die Erzieherinnen.

Meine Arbeit ist zweifelsohne äußerst interessant. Ich erlebe jeden Tag etwas Neues, Tolles und freue mich jedes Mal, wenn ich aufs Fahrrad steige, um dorthin zu fahren. Mein Arbeitsweg ist allerdings ein ganzes Kapitel für sich und ein wahrer Slalom zwischen Einbahnstraßen, Straßenhunden und Mofas – eben voller Überraschungen, wie ganz Uruguay! Und deshalb ist er auch einen eigenen Blogeintrag wert, der von mir als nächstes erscheinen wird!

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